Heil reißt die Hürden für Leistungsempfänger ein – für Unternehmen bleiben sie

Sozialminister Hubertus Heil und die Arbeitsagentur versprechen unbegrenzte Mittel für die Kurzarbeit und schleifen die Bedingungen für Hartz-IV-Empfänger. Unternehmer, die jetzt Kredite der KfW brauchen, haben es da deutlich schwerer. Ein früherer Bundesaußenminister wird begeistert sein.

imago images / Eibner
Hubertus Heil und Peter Altmaier

Während das Wirtschaftshilfsprogramm der Bundesregierung zwar mit einem Gesamtvolumen von 600 Milliarden gewaltig, aber doch auf diese Obersumme begrenzt ist, gibt es kein finanzielles Limit für Kurzarbeit, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, in einer Pressekonferenz mit seinem Chef, Arbeitsminister Hubertus Heil: „Das Geld ist kein limitierender Faktor um den Rechtsanspruch auf Kurzarbeit zu finanzieren“, sagte Scheele.

Seit Ausbruch der Corona-Krise seien 470.000 Anzeigen von Betrieben eingegangen. In normalen Monaten des vergangenen Jahres seien 1.300 Anzeigen von Betrieben eingegangen. Hinter der Zahl der Anzeigen dürfte sich ein Vielfaches an Bürgern verbergen, so dass die Zahl aus der Finanzkrise von 1,44 Millionen Kurzarbeitern aus dem Mai 2009 bald weit übertroffen werden dürfte. Eine seriöse Schätzung sei derzeit nicht möglich, sagte Scheele.

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Und Heil gibt ihm gleich Rückendeckung: Es sei nicht geplant, die höheren Ausgaben mit Hilfe höherer Beiträge für die Arbeitslosenversicherung gegenzufinanzieren. Die Bundesagentur habe schließlich eine „riesige“ Rücklage von 26 Mrd. Euro angehäuft. „Selbst wenn der Topf irgendwann leer ist“, würden alle ihr Kurzarbeitergeld kriegen. Woher das Geld dann komme, fragte keiner der anwesenden Journalisten. Noch mehr Schulden eben oder höhere Steuern. Am Ende auch egal.

Zudem sei die Arbeitslosigkeit ja, so Heil, vergleichsweise niedrig. Noch, sollte man ergänzen. Die Zahlen jedenfalls, die Scheele jetzt präsentierte, wurden vor der Coronakrise zum 12. März erhoben und sind daher weitgehend nichtssagend. Zum nächsten Stichtag, dem 12. April, stellte Scheele 150.000 bis 200.000 zusätzliche Arbeitslose durch die Coronakrise in Aussicht.

Die Aussagen von Scheele und Heil zur Kurzarbeit harmonieren mit der jüngsten Nachricht der BA, wonach die Grundsicherung – im Volksmund „Hartz IV“ genannt – nun ohne Prüfung der Vermögensverhältnisse ausgezahlt wird. Seit Wochen ist offenbar in den Jobcentern das bisherige System der Prüfungen und Sanktion de facto ausgesetzt. Termine müssen von Antragstellern nicht eingehalten, Anträge können formlos abgegeben werden.

Die Diskrepanz zu den Krediten (wohlgemerkt: rückzahlbare Kredite, keine Geschenke), die nun Unternehmen im Rahmen des Sonderprogramms der staatlichen KfW kriegen sollen, ist offensichtlich. Natürlich, das Hilfspaket des Wirtschaftsministers ist gigantisch in seinem Umfang. Aber während soziale Sicherungsleistungen nunmehr fast bedingungslos gezahlt werden und von den Antragstellern letztlich keine oder kaum noch Nachweise ihrer Bedürftigkeit erwartet werden, bleibt der Zugang zu den Maßnahmen von Altmaier gerade für Kleinunternehmer ein bürokratischer Hindernislauf, der außerdem mit heruntergelassenen Hosen absolviert werden muss.

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Da wieherte weiter der Amtsschimmel, wie zum Beispiel ein Kleinunternehmer in einer Mail an TE berichtet: „Am Sonntag wurde ich dann von der IHK Heilbronn darüber informiert, dass mein Antrag nicht genehmigt werden kann. Grund: ich hatte auf der letzten Seite 7 bei der Unterschrift vergessen meinen Namen nochmals zusätzlich in DRUCKBUCHSTABEN anzugeben. Kein Witz, Geschichten, welche Du Dir so nicht ausdenken kannst. Auf Seite 1 des Antrages stand mein Name, Vorname etc. und die IHK Mitgliedsnummer.“ 

Fazit: In der Coronakrise offenbart sich der deutsche Staat also als sorgender Staat, der bedingungs- und grenzenlos finanziell Sicherheit bieten will für jene, die nicht mehr arbeiten und dadurch in seine Abhängigkeit geraten, aber nur bedingt und begrenzt jenen hilft, die sich als Unternehmer ihre Unabhängigkeit erhalten möchten.

Als hätte er sich mit Heil und Altmaier abgesprochen, verkündete der frühere Außenminister und bis 2005 inoffizielle Grünen-Parteivorsitzende Joschka Fischer in der Frankfurter Allgemeinen (Dienstagausgabe) seine Vision für die Post-Corona-Epoche: „Die Marktwirtschaft wird nicht abgeschafft werden, aber der Vorsorgestaat wird seine Führung in allen strategischen Fragen gegenüber der Wirtschaft beanspruchen und auch durchsetzen.“ Die beiden Regierungspolitiker von CDU und SPD arbeiten derzeit eifrig an der Umsetzung der Träume des Grünen.

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Kommentare ( 34 )

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Waehler 21
4 Jahre her

Alles was jetzt gesagt wird ist mit noch größerer Vorsicht zu genießen als sonst. Joschka Fischer der wörtlich gesagt haben soll, dass er von seinen Versorgungbezügen nicht leben kann, der will mit absoluter Sicherheit nicht den Funktionärsfeudalissmus abschaffen. Dieser wird in aller Regel durch die Zweiteinkommen für Lobbyarbeit generiert und dieser braucht eine florierende Wirtschaft. Man kann ja bei der Entlohnung der Mitarbeiter sparen. Nochmal, in diesen Zeiten können wir beobachten wie Politik auf Wirklichkeit trifft. Parteisoldaten können keine Wirklichkeit! Sie behaupten es nur. All die Versprechen über eine schnelle Lieferung von Schutzmasken haben sich in Staub verwandelt. Herr Span… Mehr

Fred Schneider
4 Jahre her

„Die Marktwirtschaft wird nicht abgeschafft werden, aber der Vorsorgestaat wird seine Führung in allen strategischen Fragen gegenüber der Wirtschaft beanspruchen und auch durchsetzen.“

Weil die das Staatshandeln bestimmenden Politiker wissen und schon immer wussten, dass sie Wirtschaft einfach besser beherrschen als der Unternehmer. Was dann rauskommt, können wir quer durch Deutschland überall nachvollziehen (zB BER, Stuttgart 21 etc). Seht zu, dass ihr euch und eure Lieben in Sicherheit bringt.

Karl Schmidt
4 Jahre her

Ist eine Regierung, die kein Limit kennt, nicht zwangsläufig extremistisch? Was ist mit der Frage der Entschädigung: Die Regierung hat den Zusammenbruch der Wirtschaft mit ihren irrsinnigen, nicht an der Gruppe gefährdeter Personen orientierten Handlungen herbeigeführt. Das ist keine Naturkatastrophe, sondern die Folge staatlichen Handelns, die mit Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden. Der Staat haftet dann auch für die Folgen seines Handelns – von wegen „Kredite“. Die Kosten – ebenso wie das rechtliche Risiko – dürften im Berliner Regierungsviertel bisher allerdings unbekannt sein. Sonst wäre man mit Ankündigungen, die Maßnahmen bis zum Geburtstag eines anderen gescheiterten politischen Führers mit Sitz in Berlin… Mehr

Fred Schneider
4 Jahre her
Antworten an  Karl Schmidt

Staatshaftungsrecht bei rechtswidrigen Eingriffen in die Grundrechte. Das wird ein schöner Spielplatz für tüchtige Rechtsanwälte.

Sagen was ist
4 Jahre her

Ohne Worte:

„Dieter Kief / 30.03.2020

18-Uhr-Nachrichten Schweizer Rundfunk:

Alle Anträge auf CO-19 Hilfskredite der Schweizerischen Unternehmen sind seit heute bearbeitet.

Die Kreditsumme beträgt zehn Milliarden Franken.

Der Bundesrat (= die Regierung, dk) berät über eine mögliche Weiterführung der Maßnahme…

Kingt irgendwie toll, stimmts?“

Peter Gramm
4 Jahre her

der Zwang ist ein Zeichen unserer „freien und sozialen Marktwirtschaft“. Ohne Zwangsgelder oder Zwangsmitgliedschaften müßten sich viele mit wohldotierten Pöstchen wohl eine neue Finanzierungsquelle, die ihnen ihre üppigen Einkommensquellen garantieren, suchen. So viel freie und soziale Marktwirtschaft wollen diese Herrschaften bestimmt nicht.

Ralf Poehling
4 Jahre her

Ist schon klar, was Fischer da im Hinterkopf hat: Die Wirtschaft durch Notstandsgesetze so lange abwürgen, bis sie um stastliche Unterstützung nur so bettelt.
Der Staatsstreich durch die’68er und ihre politischen Erben ist in vollem Gange und die Wirtschaft wird gerade in Geiselhaft genommen.

Man kann jedem Unternehmer, Freiberufler und allen, die gerade in die Pleite getrieben werden nur dringend anraten, ganz genau hinzuschauen, wer oder was sie gerade ruiniert und die wahren Gründe dafür zu hinterfragen.

Es ist Zeit für Gegenwehr.
Es ist Zeit für eine bürgerliche Revolution.

Dedaidn
4 Jahre her

Auch hier rächt es sich wohl, die personelle Unterbesetzung in den Behörden, in dem Fall der Agentur für Arbeit, ebenso wie das fehlende Fachwissen über die Materie…. hier werden bestimmt wieder Unsummen verschleudert an Leute, die diese Situation ausnutzen (auch die gibt es, dass will keiner bestreiten), denn es ist schon erstaunlich, z.B. wie viele Dönerbesitzer ganz viele Angestellte haben…und auch warum überhaupt Globalplayer (die ja hauptsächlich AG´s sind) in den Genuss kommen, denn die waren ja sie ersten, die nach Hilfe geschrien haben – sind die auch „too big, too fail“? Das ganze verhält sich ähnlich, wie mit dem… Mehr

HGV
4 Jahre her

Das ist der Einstieg in das bedingungslose Grundeinkommen. Das Thema mit de Grundrente, quatsch – Einheitsrente, wird sich auch noch finden und dann ist es so weit. Arbeit wird sich in Deutschland immer weniger lohnen und die Fachkräfte wandern aus. Für jeden Migranten wird eine Fachkraft gehen, mindestens. In der Tat, 40 Jahre könnte Deutschland das überleben – erleben. Dann gibt es wieder einen Kollaps, wenn die Versorgung ein unteres Level erreicht hat und die Freiheit abnimmt. Aber wer wird uns dann retten!

Islay Tedd
4 Jahre her

…..wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld? Wer hat so viel Pinkepinke, wer hat das bestellt…….und jetzt alle: Arme unterhaken und schunkeln…

Karl Heinz Muttersohn
4 Jahre her

wenn wir den Kapitalismus jetzt nicht überwinden, wird Merkels Traum von der DDR 2.0 niemals wahr. Also laschet uns die Gelegenheit nutzen.