Der Skandal um Christine Lambrecht, ihren Sohn und die Nutzung der Flugbereitschaft für private Zwecke weckt Erinnerungen. Offenbar lernen viele Spitzenpolitiker nicht aus den Verfehlungen anderer – und können formale Regeln nicht von Anstand unterscheiden.
Politiker werden offenbar nicht unbedingt klüger – zumindest nicht aus Fehlern, die immer wieder begangen werden. Die ungerechtfertigte Verwendung der sogenannten „Flugbereitschaft“ der Bundeswehr für Mitglieder der Bundesregierung und ihre Angehörigen ist so ein Fehler, der immer wieder begangen wird. So, wie jetzt die Bundesverteidigungsministerin, stolpern immer wieder Spitzenpolitiker darüber, dass sie nicht den Unterschied begreifen zwischen einer möglicherweise formal recht- und vorschriftsmäßigen Nutzung der Flugzeuge und Hubschrauber der Bundesregierung oder der Limousinen der Fahrbereitschaft eines Ministeriums sowie dem davon zu unterscheidenden öffentlichen Eindruck dieser Nutzung. Allerdings fallen sie meist auch nicht – wie unten aufgeführte Beispiele zeigen.
Es mag sein, dass Alexander Lambrecht, Sohn der Verteidigungsministerin, weder Recht noch Regelungen gebrochen und auch dem Verteidigungsetat keinen nachweisbaren finanziellen Schaden zugefügt hat, da er den Hubschrauberflug bezahlen wird. Aber was schwerer wiegt, ist der Eindruck der quasi-feudalen Privilegierung, der in der Öffentlichkeit bleibt: Ein Ministersohn lässt sich wie ein hochwohlgeborener Prinz kutschieren – und prahlt damit auch noch öffentlich.
Eine solche Nutzung ist auch deswegen so besonders verführerisch, weil sie nie akut überprüft wird. Der Pilot, in der Regel ein Bundeswehroffizier, fragt die Ministerin nicht nach einem Nachweis der dienstlichen Notwendigkeit des Fluges, bevor sie einsteigt. Derjenige, der den Flug anfordert, ist für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich. Zum „Kreis der Berechtigten“, die die Flugbereitschaft der Luftwaffe nutzen dürfen, zählen der Bundespräsident, der Bundestagspräsident, der Bundesratspräsident, der Bundeskanzler, die Bundesminister und die Fraktionschefs der im Bundestag vertretenen Parteien, aber auch Abgeordnete „auf Anforderung der Präsidentin des Deutschen Bundestages“.
Reisen dürfen Politiker mit der Flugbereitschaft laut Richtlinie nur, „wenn der Zweck der Reise bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder von Kraftfahrzeugen nicht erreicht werden kann, oder wenn andere zwingende Amtsgeschäfte ohne Benutzung des Luftfahrzeuges der Flugbereitschaft nicht erledigt werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die durch den Flug mit der Flugbereitschaft BMVg verursachten Kosten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Dringlichkeit des Amtsgeschäftes und den damit verbundenen Bundesinteressen stehen müssen.“
In Lambrechts Fall ging es um den Besuch einer Bundeswehr-Einheit in Schleswig-Holstein. Die liegt in Ladelund in Nordfriesland, besonders nahe an der Insel Sylt, wo die Ministerin unmittelbar danach Urlaub machte – mit ihrem Sohn, der ebenfalls im Hubschrauber geflogen wurde. Über „Bedeutung und Dringlichkeit des Amtsgeschäfts“ und „Bundesinteressen“ können da schon Zweifel aufkommen.
Die Verführungskraft herausgehobener Dienstleistungen ist groß, wenn sich vor mächtigen Politikern stets alle Türen öffnen und alle möglichen Fahrzeuge in Bewegung setzen – aber auch die Sensibilität von Journalisten. Und so ist die Geschichte der Bundesrepublik reich an Skandalen dieses Kalibers. Dazu gehören beispielsweise:
- 1994 der Zwischenstopp des seinerzeitigen SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping auf dem Rückflug von Mostar in Nürnberg – für einen Wahlkampfauftritt seiner Parteifreundin Renate Schmidt;
- 2000 Wochenendheimflüge von Finanzminister Hans Eichel (der damals kein Bundestagsabgeordneter war, also keinen Wahlkreis zu „pflegen“ hatte);
- 2003 ein – im letzten Moment wegen einer Spiegel-Recherche abgesagter – Flug in den Amazonas von Verbraucherschutzministerin Renate Künast und Umweltminister Jürgen Trittin;
- 2008 der Flug des Umweltministers Sigmar Gabriel aus dem Urlaub in Mallorca zu einer Kabinettssitzung;
- 2011 der Flug der Bildungsministerin Annette Schavan zur Audienz beim Papst. Ihre Rückreise war „ebenfalls aus zeitlichen Gründen“ mit der Flugbereitschaft erfolgt, weil sie im Anschluss einen Vortrag in Nordhorn gehalten habe;
- 2016 die 60-fache Nutzung der Fahrbereitschaft des Bundestags durch den Linken-Abgeordneten Norbert Müller. In der Welt heißt es dazu: „Er begründet die Fahrten unter anderem mit dem Lokführerstreik im Mai 2015 oder der Verpflichtung, sein Kind aus der Kita abzuholen. Dokumentiert sind auch Fahrten vom Volleyball-Platz Beach Mitte oder vom Flughafen Tegel nach Hause.“
- 2018 der Hubschrauberflug des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ausgerechnet in ein Naturschutzgebiet.
Die Mutter aller Flugbereitschaftsaffären aber ist diejenige von Rita Süßmuth 1996. Es ging um Flüge der damaligen Bundestagspräsidentin nach Zürich, wo ihre Tochter lebte. Und ähnlich wie jetzt hieß es damals: „Alle Flüge in die Schweiz waren dienstlich bedingt. Private Besuche in Zürich sind auch privat finanziert worden.“ 13 Flüge einer Bundestagspräsidentin in zwei Jahren in die Schweiz – dienstlich bedingt?
Der Skandal kam auf, weil sich ein Flugpassagier am Zürcher Flughafen empörte, nachdem er erfuhr, dass sein Flugzeug warten musste, weil das Bundeswehr-Flugzeug mit Süßmuth an Bord Vorrang hatte. Er schrieb einen Brief an den Bund der Steuerzahler, der dann den Weg in die Presse fand.
Süßmuth war damals wie schon bei einer ersten Affäre 1992 – als ihr Mann Hanns Süßmuth einen ihrer drei Dienstwagen für private Zwecke nutzte und ihre Tochter Claudia für den Umzug in die Schweiz einen Bundestags-Kleintransporter nebst Fahrer der Fahrbereitschaft auslieh – ohne Rücktritt durchgekommen. Auch die oben genannten Politiker stürzten nicht (zumindest nicht über ihre Flug-Affären). Die Öffentlichkeit und – entscheidend – der damalige CDU-Chef und Bundeskanzler Helmut Kohl ließen sich mit einer Auflistung der schweizerischen Termine abfertigen. Der öffentliche Aufschrei hielt sich in Grenzen. Süßmuth blieb.
Die Richtlinien zur Nutzung der Flugbereitschaft wurden nach diesem und anderen Skandalen 1998 und 2001 leicht verschärft. Wie Lambrechts Affäre zeigt, änderte das aber nichts an der Verführbarkeit von Politikern aus dem „Kreis der Berechtigten“.
Das Fazit, das 1996 der Spiegel in seinem Artikel über Süßmuth zog, bleibt auch heute aktuell: „Tatsächlich sind die Grenzen zwischen privaten und dienstlichen Anlässen zur Benutzung der Flugbereitschaft fließend. Unrechtsbewußtsein oder auch bloß das Fingerspitzengefühl, was dem Steuerzahler zuzumuten ist, sind Bonner Volksvertretern allmählich abhanden gekommen.“ Auch in Berlin jedenfalls haben manche Volksvertreter jenes Fingerspitzengefühl nicht wiedergewonnen.
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Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Unwillkürlich drängen sich Erinnerungen an Wilhelm Buschs „Lehrer Lämpel“ auf. Würden sie dieser Person im Krisenfall die Leitung der Landesverteidigung zutrauen, notfalls auch in Pumps? Fühlen sie sich sicher?
261,11 € preiswert der Sohnemann, mein Auto braucht schon mehr Sprit für die Strecke, vom Humbolddamm ganz zu schweigen….
Steigen die Flugkosten, wenn das Söhnchen in dem Helikopter mitfliegt? Frau Lambecht legt ja großen Wert auf ihren Kontakt zum Söhnchen. Ihr Job lässt da nicht viel Spielraum. Andererseits könnte sie sich umfassend um ihr Söhnchen kümmern, sofern sie den Job als KriegsministerIn aufgibt. Es gibt sicher kompetentere Personen für diesen Job. Frau Baerbock scheint sich in Fragen des Waffeneinsatzes gerade zu profilieren. Sie möchte weiter Soldaten nach Mali schicken. Die Franzosen ziehen ab und der Flugplatz in Mali kann nicht weiter genutzt werden. Ein Soldatenfriedhof in Mali fehlt auch noch.
Die Frage die sich mir stellt, warum muss Frau Lambrecht ihren volljährigen erwachsenen Sohn mit auf Dienstreisen schleppen ? Verteidigungsministerin ist kein Teilzeitjob mit Kinderbeaufsichtigung und Urlaubsreisen via Flugbereitschaft. Der Chefarzt kann auch nicht seinen Sohn mit ins Krankenhaus schleppen damit Junior beim operieren zuschauen kann. Wenn Frau Lambrecht eine Kaserne besucht und im Anschluss Urlaub macht, kann ihr Sohn die an der Kaserne abholen und die können in den Urlaub fahren. Das ist der ganz normale Weg. Mir scheint eher hier wurde der Urlaub geplant und ein Abstecher in die Kaserne legitimiert die Flugreise mit der Flugbereitschaft. So wird… Mehr
Wenn das Verhalten regelkonform gewesen ist, muss man sich vor Augen halten, wie die Regeln im Bereich Betriebsausgaben lauten. Es ist mir unverständlich, dass die Regeln sehr eng sind, wenn es um die Ermittlung des Gewinns geht, auf den dann Steuern abgeführt werden müssen, aber sehr grosszügig, wenn es um das Ausgeben von Steuergeldern geht.
M. E. ist es skandalös, dass die Regeln nicht angepasst werden.
Um es zu wiederholen: Der neue Hochadel mit seinen Privilegien. Oder was schon die alten Römer sagen: Was Gott erlaubt ist, ist dem Ochsen verboten. Seit 2000 Jahren hat sich da nichts verändert, bis auf sehr kürze Störungen dieser Ordnung wie 1789; wie gesagt sehr kurz, denn nach wenigen Jahren war die alte Ordnung mit neuen Namen wieder hergestellt.
So Leute, nun kommt mal wieder runter.
Frau L. versucht doch nur Familie und Beruf in Einklang zu bekommen 😉
Genau das tönte mir heute morgen vom hiesigen Radiosender entgegen. „Diese schwer arbeitende Ministerin hat schließlich ein Recht darauf, ihre Familie überall hin mitzunehmen, da die arme Frau ja Familie und Beruf unter einen Hut bringen muss“ Heul, Schluchz. (Wie sehen das andere berufstätige Frauen hier?)
Und Urlaub auf Sylt kann man selbstverständlich als Verteidungsministerin machen. Nach Ausbruch eines Krieges in nächster Nähe und ohne sich damit zu belasten, dass vielleicht der Verteidigungs-und Bündnisfall eintreten könnte.
Diese und andere Menschen in diesem Land wissen eben nicht, wie das bei einem eher niedrigen Einkommen zu bewerkstelligen ist. Eines noch: Wann endlich begreifen Frauen in diesem Land, dass sie sich nicht selbst verwirklichen wenn sie arbeiten gehen, sondern nur dem schnöden Mammon dienen, von dem ihr eigenes Leben nichts und niemals etwas abbekommen wird? Und wie sehr ist wohl die Selbstachtung gesunken, um nur einmal im Jahr nach Malle fliegen zu können? Übrigens hatten meine Frau und ich vor, zu Ostern nach Föhr zu reisen. Wir haben dankend abgelehnt, denn bei den Preisen finden wir allemal etwas besseres,… Mehr
Zitat: „Heul, Schluchz. (Wie sehen das andere berufstätige Frauen hier?)“ > Genau fast Gleiches habe auch ich empfunden und gedacht als ich vorhin bei WELT die ach soo arme Mama Lambrecht mit auf die Mitleidsdrüse drückend sagen hören habe, „aba sie wolle als Mutter ja möglichst nur den Kontakt zu ihren Sohn aufrecht erhalten“. SELBST jetzt versucht die Lambrecht noch auf die Mitleidstour zu reiten anstatt einfach nur zu sagen; Ja, ich habe Mist gemacht. Hier kann und muß man wahrlich nur sagen und fragen wie das andere berufstätige Mütter sehen -besonders auch wenn diese Mütter (Klein-)Kinder haben die noch… Mehr
Der Untersuchungsausschuss über die Mutter aller Flugbereitschaftsaffären, die mit erhobenem Zeigefinger stets moralisierende Frau Süßmuth von der CDU hat natürlich nichts verwerfliches ergeben! Leider wurde bei der Untersuchung die Prüfung der Logbücher der jeweiligen Bundeswehr-Jets nicht vorgenommen und auch die vom Flughafen Zürich protokollierten Lande- und Startzeiten der Bw-Jets wurden nicht geprüft! Untersuchung/ Prüfung durch weglassen von Fakten; so einfach ist das!
Auch hat Frau Süßmuth als Bundestagspräsident*in den Umzug der Tochter innerhalb der Schweiz mit Fahrzeugen und Kräften des Deutschen Bundestages organisiert Auch diese Affaire ist im Sande verlaufen!
Geehrtes TE, warum sollte man denn annehmen, daß Politiker dazulernen. ?
Die ständigen Skandale, hier wieder Vorteilsnahmen durch die Flugbereitschaft, sind doch lediglich die Spitze des Eisbergs, zufällig entdeckt.
Was sagt eigentlich der“Klimakanzler“ zu dieser sinnlosen Herumfliegerei?
Der hat doch mit 10 Milliarden Euro unseres Steuergelds an Indien schon Kompensation fürs Klima bezahlt. Da kann die ganze Regierung noch die Helis und Flieger nutzen bis am Hauptslumflughafen das Kerosin aus der Pipeline vom PCK Schwedt fehlt und die Tanks auch leer sind. Die Vielfliegerei da fällt dann aus und ich freu mich drauf. Im Wetterbericht kommt jetzt schon im Osten ist es zu trocken. Mit dem Ölembargo bekommt das eine neue Bedeutung.