Im Netz kursiert eine vermeintliche Analyse eines russischen Inlandsgeheimdienstlers, die das Bild einer total verfahrenen Lage für Russland zeichnet. Ob es authentisch ist oder nicht: Die wesentlichen Beobachtungen sind einleuchtend – und beunruhigend
Ob das seit kurzem im Netz kursierende angebliche Analyse-Papier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB über den Ukraine-Krieg authentisch ist, oder nicht, ist gar nicht so wichtig. Denn nicht der Absender der Analyse ist entscheidend, sondern die Frage ob sie zutrifft. Alleine die Tatsache, dass es in Putins Herrschaftsbereich noch kritische Bestandsaufnahmen gibt, die dem innersten Machtzirkel zu Gesicht kommen, wäre dann bemerkenswert. Käme das Papier von einem nicht-russischen Geheimdienst, wäre es ein Stück sehr überzeugender psychologischer Kriegführung
Der Verfasser berichtet, knapp zusammengefasst, dass das russische Vorgehen gegen die Ukraine planlos war und ist – und dass der Krieg kaum mehr zu gewinnen sei. Wörtliches Fazit: „Wir sitzen bis zum Hals in der Scheiße.“
Für die zentralen Erkenntnisse muss man nicht Geheimdienstler sein, die allgemein verfügbaren Informationen genügen dafür: „Der Blitzkrieg ist fehlgeschlagen“, die Ukrainer und die ukrainische Armee sind motiviert, gut bewaffnet und von fähigen Leuten kommandiert; eine Generalmobilmachung, wie sie die Ukraine nun macht, kann Russland sich nicht leisten, weil sie das Land politisch, wirtschaftlich und sozial zerreißen würde und die Logistik schon jetzt überlastet sei.
Die Analyse vermittelt ein fatales Bild von den Folgen der westlichen Sanktionen. Der Krieg könne nur bis zum Juni geführt werden: „Weil es im Juni keine Wirtschaft mehr in Russland geben wird – es wird nichts mehr übrig sein.“ Etwas übertrieben erscheint die Prophezeiung, im Sommer sei eine globale Hungersnot „unausweichlich“. Und sie widerspricht auch etwas der Voraussage des FSB-Autors, ukrainische Städte könnten Belagerungen jahrelang durchhalten, weil sie durch „humanitäre Konvois“ aus Europa versorgt würden – wie im Balkankrieg seinerzeit.
Erschreckend ist die Feststellung des vermeintlichen FSB-Autors, man habe keinen Überblick über die genaue Zahl der eigenen Verluste. Wenn letzteres stimmt, ist das wohl ein Zeichen dafür, dass im russischen Apparat unbequeme Tatsachen vertuscht werden, so dass am Ende niemand mehr bescheid weiß, und das Ausmaß des Desaster benennen kann, wenn etwas schief geht. Das ist ein typischer Schwachpunkt von Diktaturen, in denen es selbst für Personen innerhalb des Systems riskant ist, den Vorgesetzten die Wahrheit zu sagen.
Die Vermutung jedenfalls, dass Putin und sein Regime keineswegs seelenruhig und siegesgewiss sind, kann man auch durch die am Freitag beschlossenen Gesetze bestätigt sehen. Mit ihnen versucht das Regime, jede öffentliche Kritik, jeden offen gezeigten Dissens zum Schweigen zu bringen. Und die Blockade von Facebook und Twitter soll die Russen von allen Informationen jenseits des Regimes abschneiden. So treibt Putin sein Land zurück in die hermetischen Zeiten der Sowjetunion. Umso wichtiger sind die Proteste gegen den Krieg in russischen Städten und unter russischen Prominenten.
Dieser Krieg ist nicht nur eine tödliche Gefahr für alle Ukrainer und ein existenzieller Überlebenskampf ihres Staates. Er kann demnächst auch das Regime, das ihn vom Zaun gebrochen hat, zunehmend in Existenznot bringen. In der Kritik der Russen selbst und ihrer Wirkung auf die hoffentlich noch vorhandenen vernünftigen Kräfte innerhalb des Regimes, liegt wohl die einzige Hoffnung.
Der FSB-Autor erinnert an den Krieg des Zaren 1904/05 gegen Japan, der zu Aufständen und einem Revolutionsversuch geführt hatte. Den Verweis auf den nächsten großen Krieg des Zaren, der zur endgültigen Revolution führte, verkneift er sich. In einem Land von der Größe und Bedeutung Russlands, das über Atomwaffen verfügt, ist die Aussicht auf einen grundlegenden politischen Umsturz vielleicht nicht weniger gefährlich als der Krieg selbst. Der FSB-Autor hält auch ausdrücklich einen „lokalen Atomschlag“ für möglich, um Gegner einzuschüchtern.
Nein, besonders erfreulich ist diese erschütternde Analyse auch für die Ukrainer und Gegner Putins nicht.
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Das kann nur Propaganda sein.
Die Russen haben sich in Syrien ziemlich gut durchgebissen. Die wissen also, wie es geht. Syrien ist ein viel härter umkämpfter Fleck gewesen, als die Ukraine. Zumindest gibt es bisher keinerlei Material, dass darauf hindeutet, dass in der Ukraine wirklich massiv Krieg geführt wird. Bei Syrien war das ganz anders.
Und bereits jetzt sollen die Russen vor dem Ende stehen, nachdem die Sache gerade mal ein paar Tage rollt? Das ist doch mehr als unwahrscheinlich.
Was auch stutzig macht, ist das Eingangsphoto mit dem LKW URAL 4320 als Mannschaftstransporter. Ich ging davon aus, die russische Infanterie ist gepanzert und bewegt sich auch gepanzert. In deisem Falle ein „gefundenes Fressen“ für jeden Schützen mit Sturmgewehr und Leuchtspurmunition.
Nun, das klingt mir alles irgendwie übertrieben und dürfte auch der Wirklichkeit widersprechen. Sicher ist nur, daß der „2-Tage-Krieg“ Russlands gegen die Ukraine nicht funktionierte und die russische Armee in größeren Schwierigkeiten stecken muß. Allerdings scheint mir die Zahl von 7000 gefallenen Russen mit dem Faktor 10 multipliziert zu sein. Wahrheitsgemäß erscheint mir der Hinweis auf den Zustand der Wirtschaft in Russland durch das Embargo. Allein das könnte Putins Feldzug zur Wiederherstellung der einstigen sowjetischen Größe vorübergehend zum stoppen bringen. Machen wir uns alle nichts vor: Putins Ansprache an sein Volk war absolut unmißverständlich und bedroht keineswegs nur die Ukraine,… Mehr
Woher haben Sie die Information bzgl eines 2-Tage-Krieges? Die sonst üblichen Frontnachrichten laufen auf Sparflamme. Ukrinform hat gestern über 11000 gefallener Russen vermeldet. Ich bin der Meinung, niemand hier im Westen kann abschätzen, wie die Lage tatsächlich ist und noch weniger Einschätzen, wie Putin sich verhalten sollte…müsste …könnte… nichts, aber auch gar nichts dringt nach draußen, aus dem man einen halbwegs verlässlichen Rückschluss ziehen könnte. Der EU-Beschluss, die Leasingfirmen zu zwingen, die Verträge mit russischen Fluggesellschaften bis zum 28. März zu kündigen, geht doch glatt nach hinten los – wie bekommen die Leasingfirmen ihre Maschinen zurück? Nach der Rückgabe dürfen… Mehr
Stutzig geworden bin ich bei folgendem Absatz: „Das ist ein typischer Schwachpunkt von Diktaturen, in denen es selbst für Personen innerhalb des Systems riskant ist, den Vorgesetzten die Wahrheit zu sagen.“
Woher kenne ich das bloß…?
Ich gebe zu bedenken, dass Putin/ Lawrow dieses Spiel schon sehr lange spielen und in der Lage waren trotz Georgien 2008, Krim 2014 und Syrien die westliche Öffentlichkeit zu täuschen. Noch einen Tag vor dem Einmarsch durften Macron und Scholz sich feiern, einen weiteren Dialog zwischen USA und Russ organisiert zuhaben. Da waren die Pläne für den Angriff längst geschrieben und beschlossen. Was wenn keine der Sanktionen tatsächlich eine Überraschung für Putin ist und alles bereits eingepreist und bedacht ist? Was wenn entgegen westlicher Dienste und Medien tatsächlich alles nach Plan läuft weil Putin das genau so erwartet hat. Hoffen… Mehr
Die eigentliche schlechte Nachricht ist: Zu was ist die russische Führung aus ihrer nicht mehr zu leugnenden Bunkermentalität heraus fähig?
Putin ist in der westlichen Welt erledigt. So viel ist klar. Ab wann konzentrieren sich die ihn umgebenden Machtbereiche und Strukturen auf die Zeit nach Putin?
Catherine Belton, „Putins Männer. Wie der KGB Russland zurückeroberte und sich gegen den Westen wandte“. Ja, der Westen hat viel dazu beigetragen, ein putinistisches Russland zu züchten. Beltons Buch ist ein Vorwurf an ihn, aber auch eine Anklage gegen Putin. Dieses Buch ist wie eine kalte Dusche in einer höllisch kalten Nacht. Es ist wie bei einer Person, die uns gute Ratschläge gegeben hat, aber wir haben nicht auf sie gehört, und als wir dann in Schwierigkeiten gerieten, kam sie zu uns und sagte vorwurfsvoll: „Ich habe es dir ja gesagt“. Nach der Lektüre des Buches hat man Lust, in… Mehr
Ich denke, Sie machen hier Werbung für ein Buch. 700 Seiten zu füllen, dafür muss man schon eine Menge an Recherchen betreiben, wenn das Buch gegen jeden Zweifel erhaben sein soll. Es gibt eine Menge Fakten, die heute im Internet recherchiert werden können. Biden und Blinken haben schon unter Obama ihr Unwesen getrieben. Das Blinken dabei auch finanzielle Interesen im Blickwinkel hatte, ist heute unstreitbar belegt. Bei Biden muss man zumindest den Fokus auf seinen Sohn Hunter lenken, der damals in der Schusslinie des ukrainischen Generalstaatsanwaltes Wiktor Schokin stand, die Geschichte um Wiktor Schokin ist dabei höchst interessant. Fest steht… Mehr
„Das ist ein typischer Schwachpunkt von Diktaturen, in denen es selbst für Personen innerhalb des Systems riskant ist, den Vorgesetzten die Wahrheit zu sagen…..“
Oha, sowas ist also nur in Diktaturen gefährlich? Mir war so, als hätte man in unserer Super-„Demokratie“ sowas auch schon erahnt.
Und mit dem „Überblick“, gerade jetzt während der Pandemie…
na, ich weiß nicht….
Da ist wahrscheinlich genauso viel wahres dran, wie an dieser Meldung eines ukrainischen Bloggers:
„Russische Soldaten trinken Bier nachdem diese ukrainische Dörfer angezündet haben“/“Russian troops are burning down villages“
In Wahrheit handelt es sich um eine Szene aus dem preisgekröntem serbischen Antikriegsfilm „Lepa sela lepo gore“/“Schöne Dörfer brennen schön“ (1996) und zeigt eine Film-Szene aus dem Krieg in Bosnien.
Von den zahlreichen Protesten aus der Slowakei gegen eine Stationierung von US-(NATO-)Soldaten hört man in den Medien auch herzlich wenig.
Die Wahrheit stirbt im Krieg bekanntlich zuerst – daran hat sich nichts geändert.
Interessant sind die vielen „Fakevorwürfe“. Relevant die Fakten.
Bellingcat hat bisher noch keine gefälschten Leaks veröffentlicht, das bei über 50 Leaks.
Es gibt bisher keinen Hinweis auf einen Fake.
bellingcat ist eine dubiose quelle, es lohnt sich, da mal genauer hinzuschauen. dirk pohlmann hat da interessantes zu berichten. alles, das direkt oder indirekt aus geheimdienstlichen quellen kommt, sollte mit skepsis betrachtet werden.