Die Nominierung von Kamala Harris in den USA und Paritätsgesetze in Deutschland zeigen, dass der Westen die bewährte herkunfts- und geschlechtsblinde Demokratie aufgibt. Dabei zeigt gerade die Erfahrung des Libanon wie ungeeignet Proporz-Systeme sind.
Joe Biden hat nun seine Kandidatin für die Vizepräsidentschaft bekannt gegeben: die kalifornische Senatorin und gescheiterte Vorwahl-Kandidatin Kamala Harris. Es ist offensichtlich – und wird auch in den meisten Medien so benannt – dass für Bidens Entscheidung vor allem das Geschlecht und die ethnische Herkunft von Harris (ihr Vater ist afro-jamaikanischer, ihre Mutter indischer Herkunft) ausschlaggebend gewesen sein dürfte. Dass er eine Frau berufen würde, hatte er schon im Vorfeld angekündigt. Dass es eine nicht-weiße Frau werden würde, konnte auch niemanden überraschen. Die sachpolitischen Positionen, Erfahrungen und Qualifikationen von Harris haben sicher auch eine Rolle gespielt. Aber ganz offensichtlich eben nur eine sekundäre. Wie auch der Spiegel feststellte: „Es hätte sachkundigere Kandidatinnen gegeben“, „Es hätte Frauen mit mehr Regierungserfahrung gegeben“. Aber die waren eben zu weiß.
Die Nominierung von Harris belegt eine nicht nur in den USA, sondern in fast allen westlichen Gesellschaften eingeleitete Entwicklung, die man als allmählichen Abschied von den Grundprinzipien der repräsentativen Demokratie sehen kann. Offenbar schwindet das Vertrauen darauf, dass ein Politiker nicht schwarz sein muss, um auch Schwarze vertreten zu können, dass auch ein Mann Politik für Frauen machen kann. Kurz: Dass es nicht so sehr darauf ankommt, (als) was einer (geboren) ist, sondern was er getan hat und tut. Dieses Vertrauen galt bislang auch als eine Verpflichtung für die, die sich zur Wahl stellen. Im deutschen Grundgesetz in Artikel 38 heißt es dementsprechend: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages … sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
Natürlich, in der politischen Wirklichkeit spielten so genannte „Proporze“ immer eine wichtige Rolle – allerdings eine inoffizielle, nach außen eher versteckte in der hässlichen Hinterzimmerwirklichkeit des parteiinternen Machtgerangels. In der CDU, die im Ursprung eine „Union“ aus verschiedenen politischen Kräften mit jeweils regional verschieden tiefen Wurzeln war (konservative Evangelische kamen oft aus dem Norden, katholische Sozialpolitiker eher aus dem Rheinland, usw.), ist die regionale Herkunft von Kandidaten traditionell bedeutsam, etwa wenn es um die Zusammenstellung von Landeslisten für Wahlen geht. Aber weder in der Geschichte der Bundesrepublik noch in einer anderen westlichen Demokratie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (die Epoche, die vielleicht einmal als goldenes Zeitalter der Demokratien zumindest westlich der Elbe betrachtet werden wird) spielte die ethnische oder regionale Herkunft, die Religion oder das Geschlecht von Politikern eine entscheidende Rolle für deren Wahlsiege oder Niederlagen. Und auch nicht für ihre Beurteilung durch Zeitgenossen und Nachwelt.
Die britische Demokratie hat auch hier schon im 19. Jahrhundert Maßstäbe gesetzt. Benjamin Disraeli wurde nicht gewählt, weil er Jude war, und er ging auch nicht deswegen in die Geschichte ein als einer der größten Premiers des britischen Weltreiches, sondern aufgrund seiner Positionen, Fähigkeiten und Leistungen. Margaret Thatcher wird nicht als erste weibliche Regierungschefin Großbritanniens in die Geschichte eingehen, sondern als eiserne Wirtschaftsreformerin und Kämpferin für britische Interessen in Europa und der Welt. Sie hat nie Politik speziell für Frauen gemacht, sondern für ihre Überzeugungen und für Großbritannien.
Das Paradebeispiel für ein konsequentes Proporz-System dagegen ist der Libanon. In dem von ethnischer und religiöser „Vielfalt“ und Widersprüchen geprägten Land, war und bleibt die erste und wichtigste Frage bei jedem Politiker, höheren Beamten, Offizier oder sonstigen Funktionär stets die nach seiner Religion und Ethnie (wobei das im vorderen Orient meist fast dasselbe ist). Der gegenwärtige (noch?) Staatspräsident Michel Aoun ist, wie schon sein Vorname unmissverständlich klar macht, ein maronitischer Christ. So wie jeder Präsident seit der Unabhängigkeit 1943 ein maronitischer Christ war. Das legt der informelle „Nationalpakt“ fest.
Ministerpräsident dagegen wird stets ein sunnitischer Muslim (Aoun selbst machte mal eine dramatische Ausnahme) und der Parlamentspräsident muss schiitischer Muslim sein. Die Sitzverteilung im Parlament ist auch festgelegt: Ursprünglich hatten die Christen eine Mehrheit im Verhältnis 6:5, seit dem Ende des Bürgerkrieges gilt 1:1. Im Libanon wird also nach der Kategorie der Religion praktiziert, was deutsche Politiker zunehmend nach der Kategorie des Geschlechts auch hierzulande einführen wollen: Parität.
Und analog kann man nun auch die Nominierung der Vizekandidatin Harris in den USA interpretieren: So wie im Libanon einem maronitisch-christlichen Staatspräsidenten stets ein sunnitischer Muslim als Ministerpräsident und ein schiitischer als Parlamentspräsident entsprechen müssen, scheinen Biden und ein Großteil der amerikanischen öffentlichen Meinung überzeugt zu sein, dass ein weißer, männlicher Präsident nur legitim sein und nichtweiße Amerikaner regieren kann, wenn ihm zumindest eine nicht-weiße Frau als Vizepräsidentin zur Seite steht. Das bedeutet natürlich nicht, dass Harris nicht eine gute Vizepräsidentin sein kann. Die Schwäche jedes Proporz-Systems ist aber gerade, dass diese Frage nicht die einzig entscheidende ist, sondern stets im Zusammenhang mit ihrem Frau- und Nichtweiß-Sein betrachtet wird. So wie im Libanon eben auch ein noch so verdienter Schiit niemals Staatspräsident und ein noch so verdienter Christ niemals Ministerpräsident.
Es wäre eine Ironie der Geschichte, wenn die Libanesen jetzt – aus schmerzlicher Erfahrung – das gescheiterte Proporzsystem überwinden, während der Westen zugleich eine eigene Version davon einführt. Rational begreiflich ist es jedenfalls nicht, dass der Westen sein repräsentatives, herkunfts- und geschlechtsblindes Erfolgsrezept aufzugeben scheint und im Namen von Parolen wie „Gleichstellung“, „Diversität“ und „Antirassismus“ sich allmählich einer politischen Praxis annähert, die der Libanon und andere höchst „diverse“ Länder jahrzehntelang mit katastrophalen Ergebnissen vorexerziert haben.
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Warum sehen erstaunt wir in die USA? Wir haben das doch bei uns selbst. 2005 wird eine Frau aus Ostdeutschland in Deutschland Kanzlerin. Wurde da auch schon ein doppelter Proporz erreicht? 1. Frau als Kanzler, 1. Ostdeutsche als Kanzler. Nebenbei: In den USA ist alles, was nicht weiß ist, schwarz. Obama war in den Augen der USA ein Schwarzer. Er war ein Mulatte. Fr. Harris könnte von der Optik eine Mittelamerikanerin oder sogar eine Südeuropäerin sein. Ihr fehlen alle typischen Merkmale einer Schwarzafrikanerin. Warum müssen die deutschen Medien die Sprechweise der Amerikaner in 1 : 1 Übersetzung übernehmen. Das schwarz… Mehr
Da stellt sich für mich die Frage, warum nicht den/die Besten für das jeweilige Land wählen – nur das bringt es, alles andere führt in Quotenregelungen und tödliche Kompromisse, je nach Land dann zu wirtschaftlichem Abschwung oder Bürgerkriege …. ich wünsche den Amerikanern, dass sie dich auf solch ein Glatteis nicht begeben. Trump hat viel für seine Bürger getan: Steuersenkungen, Coronahilfen und nicht zuletzt: Keinen Krieg begonnen, wie der unsinnigerweise von der Deutschen Presse gelobte Obahma.
Das Ideal der Aufklärung war der Bürger, dessen Pflichten und Ansprüche direkt gegenüber dem Staat und nicht irgendeinem Stammekonglomerat bestehen. Lang, lang ist’s her. Biden wird am zweiten Tag im Amt mit der „Erkenntnis“, als weißer Mann des Präsidentenamts unwürdig zu sein, zugusten von Kamela Harris zurücktreten, die (siehe hierzu ihre Vorgeschichte als DA) das Land zur Plünderung durch die Unterschicht freigibt und die Geschichte umschreiben lässt, bis der Sezessionkrieg ein heldenhafter Abwehrkampf der selbständig über den Atlantik gekommenen Schwarzen gegen die weiße Aggression war – und wenn das Land dann kollabiert, ist es trotzdem die Schuld von Biden, der… Mehr
Das eigentliche Problem besteht doch darin, dass im Libanon Menschen aus grundverschiedenen Kulturen ein Land und einen Staat bewohnen. Wahrscheinlich ist dieses schreckliche Proporzsystem die einzige Möglichkeit, die kulturellen Differenzen einigermaßen beherrschbar zu machen. Denn man kann ja nicht jeden Tag alles und jedes aufs Neue aushandeln… Da die uns Beherrschenden 2015 beschlossen haben, dass auch wir das große Experiment der Verwandlung unseres Landes in ein multiethnisches und multikulturelles eingehen, ist ein solches Proporzsystem womöglich auch für uns die beste aller realistischen Zukunftsoptionen. Vielleicht sind die uns Beherrschenden ja in ihrer großen Weisheit und ihrer großen Sorge um uns ja… Mehr
Westliche Demokratien mutieren zur elitär-rassistisch-genderistischen Minderheitendiktatur.
Wer wissen möchte, was im Libanon geschah, als die 1970 aus Jordanien vertriebenen „Palästinenser“ (die in Jordanien 1970 durch einen Putsch versucht hatten, die Macht an sich zu reißen) in den Libanon flüchteten, sollte sich dieses Video wieder und wieder anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=4gc-z52ysRk Die Libanesin Brigitte Gabriel beschreibt, was im Libanon geschah und was sie als Kind miterleben musste. Ich verstehe nicht, dass die Ereignisse im Libanon, die ja in Gang gesetzt wurden, weil der Libanon hunderttausende „palästinensische Flüchtlinge“ aufnahm, uns nicht als Warnung dienen. Sind wir wirklich so blind? Jordanien hat bitter bereut, hunderttausende „palästinensische Flüchtlinge“ aufgenommen zu haben. Um… Mehr
Wer nach einem missglückten Putsch, in einem Land, dass sie als Flüchtlinge aufnahm, darauf in einem anderen Land das selbe probiert, ist eher als Heuschrecke zu bezeichnen.
Das ist Stammesdenken. Tribalismus. Unweigerliche Folge von kultureller und ethnischer Durchmischung. Wenn immer mehr Diversität durch (forcierte) Migration in einer Gesellschaft einkehrt, desto mehr rückt das „Wer“ in den Vordergrund und das „Was“ in den Hintergrund. Rassismus, Mord und Todschlag sind die Folgen davon. Der (Rechts-)staat rückt dann in den Hintergrund. Man kann nur Menschen gleich behandeln, die sich auch gleich verhalten. Wenn sie das freiwillig nicht tun, separieren sie sich von den anderen und die ethnisch-kulturellen Konflikte brechen aus. Deutschland und die USA libanonisieren sich mit ihrer hirnlosen „Multikuli-alle-sind-gleich-Romantik.“ Das Endergebnis wird das selbe sein. Man kann sicher nur… Mehr
Das Paradebeispiel ( wenn das nicht zu militärisch klingt) für das der Libanon steht, ist ein anderes. Nämlich was passiert wenn man zu viele Flüchtlinge aufnimmt (Palästinenser) . Folge Bürgerkrieg und eine quasi zweite Staatsmacht. Selbst Gaddafi hat die Palästinenser wieder aus Libyen deportiert ( gilt auch für Tunesien, Algerien …) .
Der Proporz dient lediglich dazu, im Falle von Versagen es nicht einer einzelnen Gruppe zuzuordnen. Denn dann würde man wieder aufeinander Schießen.
Sehr richtig! Ich verweise auf das, was die Libanesin Brigitte Gabriel zu diesem Thema sagt. Sie beschreibt in eindringlichen Worten, was im Libanon geschah, als die aus Jordanien vertreibenen „Palästinenser“ (die versucht hatten, durch einen Putsch die Macht in Jordanien an sich zu reißen) in den Libanon flüchteten …
Ein Posten, der nach Quote besetzt wird ist offensichtlich völlig unwichtig, denn sonst würde man ihn mit der fähigsten Person besetzen – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Religion, sexuelle Vorlieben etc.
Wenn das anders sein sollte muss man bereit sein auch die Folgen der Fehlbesetzung zu tragen – geliefert wie bestellt.
Merkwürdige „Schwarze“. Die hat hellere Haut als ich nach einem Wochenende Gartenarbeit.