Der EU-Gaspreisdeckel kommt – Deutschland schaut in die Röhre

Der europäische Gaspreisdeckel wird kommen und mit ihm neue Risiken für Deutschlands Energieversorgung. Nebenbei wird es auch wieder neue EU-Schulden geben. Fazit: Deutschland ist in der EU durchsetzungsschwächer als je zuvor.

IMAGO / Jochen Tack
Gaskraftwerk Duisburg-Huckingen, betrieben von RWE

Am Ende eines EU-Gipfels, geben sich immer alle zufrieden und beschwören Gemeinsamkeit, natürlich. Und Olaf Scholz weist selbstverständlich weit von sich, dass Deutschland isoliert sei, wie es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zuvor noch festgestellt hatte (durch Konditional-Sätze nur ganz leicht abgeschwächt): „in keiner Weise“. Man habe sich „zusammengerauft“. 

Na klar, wer sich unterwerfen muss, ist dann auch nicht mehr isoliert. Wie anders soll man das schon nennen, wenn sich die EU, wie EU-Ratspräsident Charles Michel verkündete, auf den gemeinsamen „Gaspreisdeckel“ einigt, den Deutschland ablehnte? Es ist ein „Gaspreisdeckel gegen Deutschland“, wie der Brüsseler Wirtschaftskorrespondent der FAZ treffend titelt. Denn eine gemeinsame Obergrenze, zu der Gas von außerhalb der EU eingekauft wird, birgt das Risiko, dass die Lieferanten ihre LNG-Tanker lieber andere als EU-Häfen ansteuern lassen. Und das ist für das größte Industrieland der EU, das mangels anderer grundlastfähiger Energiequellen besonders stark von Gas abhängig ist, außerdem allein schon mangels eigener LNG-Häfen und weit entfernt von denen auf der iberischen Halbinsel am Ende der Versorgungskette steht, auch besonders riskant.

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Aber diese Sorge vor Lieferengpässen teilten eben zwei Drittel der EU-Staaten nicht, inklusive Frankreich. Schließlich hat sich Macron gerade mit Spaniens Pedro Sánchez und Portugals António Costa auf den „Grünen Energie-Korridor“ zwischen Barcelona und Marseille geeinigt – und dabei Scholz den Spanier ausgespannt, der noch vor wenigen Wochen gemeinsam mit diesem das Midcat-Projekt weiterführen wollte, von dem sich Scholz Gaszuflüsse aus spanischen LNG-Terminals versprach. Hier wie in anderen Fragen zeigt sich, dass Deutschland in der EU mit einer Mehrheit von Staaten verbunden ist, die energie-, industrie-, finanz- und fiskalpolitisch fundamental andere Interessen haben. Nur will das die gesamte politische Klasse mit den Grünen an der Spitze einfach nicht wahrhaben. Und Scholz auch nicht, wie er mit seiner Grundsatzrede in Prag deutlich machte.

Wenn Ratspräsident Michel twittert: „Einheit und Solidarität setzen sich durch“, dürfte das nur eine diplomatische Formulierung sein für: Deutschlands Widerstand ist gebrochen. Jetzt müssen die Energieminister – also für Deutschland Robert Habeck – die Einzelheiten aushandeln. „Einvernehmlich“, wie Scholz sagte. Nun wird Deutschland da versuchen, zumindest irgendein Schlupfloch offen zu halten für den Fall, dass ein EU-Preisdeckel die Versorgungssicherheit konkret in Gefahr bringt. Diese Bedingung ist jedenfalls auch Teil des Gipfel-Ergebnisses.

Zu dem Wenigen, was Deutschland und die anderen Gegner des Gaspreisdeckels wie Niederlande, Österreich oder Dänemark (wohl kein Zufall, dass es die klassischen Hartwährungsländer sind) noch durchsetzen konnten, gehört ein gemeinsamer Appell für noch größere Anstrengungen zum Energiesparen. Man hofft wohl, dass dann ein Preisdeckel mit seinen Risiken für die Versorgung vielleicht nicht akut wird, weil die Preise aufgrund geringerer Nachfrage von alleine sinken. Wenig Rückenwind für Scholz geben dabei aber die jüngst bekannt gewordenen Daten der EU-Kommission, wonach Deutschland bislang beim Gassparen ganz und gar nicht EU-Spitzenreiter ist und es nicht schaffte, die im Juli in der EU vereinbarten Ziele zu erreichen.  

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Was hinter dem großen Thema Gaspreisdeckel in den Hintergrund des öffentlichen Interesses geriet: Es wird wohl auch einen durch gemeinsame EU-Schulden finanzierten Fonds gegen die Energiekrise geben. Die EU kämpft also mit neuen Schulden gegen steigende Preise. Inflationsbekämpfung durch Inflationsbeschleunigung! Bizarrer geht es kaum. Der politische Druck auf die EZB, die Zinsen nicht so stark anzuheben, wie es zur Euro-Stabilisierung nötig wäre, wird also verstärkt. Niemand im Kreise der in der EU Regierenden scheint eine Idee zu haben oder auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie das Entwertungskarussel aufzuhalten wäre. Aber wie man es antreibt, damit kennt man sich aus. 

Fast hilflos erscheint es da, dass Scholz noch einmal auf die noch nicht ausgegebenen Mittel in dreistelliger Milliardenhöhe aus dem Corona-Aufbaufonds verwies. Die Lust auf neue, gemeinsame Schulden ist offensichtlich größer. In den Schlussfolgerungen ist sie dokumentiert durch die Erwähnung der Bedeutung „gemeinsamer Lösungen auf europäischer Ebene, wo angebracht“. Der angebliche Ausnahmecharakter des Corona-Aufbaufonds jedenfalls ist endgültig ad acta gelegt. Die EU ist zum Schuldenmacher geworden, was ihr in den Augen der Weltfinanzmärkte und aller anderen politisch-ökonomischen Akteure einen zumindest staatsähnlichen Charakter verleiht. Und das ist über allen anderen Erwägungen wohl das wichtigste Ziel der Brüsseler Administratoren. 


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Kommentare ( 44 )

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Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Die Vorreiter aus Deutschland reiten weiter vor und keiner folgt ihnen. Alle deutschen Regierungen der letzten Jahrzehnte haben bei der Verstärkung der EU-Bürokratendiktatur immer mitgemacht. Brüssel braucht das deutsche Geld und wird es auch weiterhin erhalten. Fragt sich nur, wie lange noch. Wenn das deutsche Geld versiegt, ist die Bürokratendiktatur sehr schnell am Ende.

Kaltverformer
2 Jahre her

Ich sehe nicht, wie die Völker von Deutschland und Österreich je wieder aus dieser Schuldennummer rauskommen könnten.
Solange noch Steuerleistung erbracht wird, solange werden wir noch ausgenommen werden.

peer stevens
2 Jahre her

…ja, das ist die Frage aller Fragen
…und auf die gibt es nur eine Antwort: Alle des Amtes entheben durch des Volkes Stimme (und wenn noetig, auch mit mehr)
…und danach: Systemwechsel und hin zu einer direkten Demokratie

Peter Pascht
2 Jahre her

Die EU Erweiterung des „Rheinbundes“ in guter napoleonischer Tradition kann weitergehen, denn auch damals 1806 hat niemand das verarmte und zerstreute Völkchen der Deutschen, das noch nicht einmal einen eigenen Staat hatte, nach seiner unmaßgeblichen Meinung gefragt. Denn schließlich ist ja Napoleon eine hochverehrte und hochverdiente historische Figur in Frankreich, gerade und insbesondere von Macron dieses Jahr zelebriert, zur Ehre der „grand Nation“ und insbesonder auch für die gute deutsch-französische Freunschaft muss man die Deutschen ab und zu immer wieder an die gemeinsame erfolgreiche Geschichte erinnern. Ok, dafür brauchen aber deutsche Politiker ein Fremdwörterbuch. Wenn zwei das Gleiche tun, so… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Peter Pascht
Kaktus 61
2 Jahre her

Heute wieder Jubelnachrichten auf allen Staatsfunkkanälen zum EU-Gipfel: „wir haben einen Kompromiss erreicht, … es folgen zwei Eimer hohle Phrasen …, dass wir die Diskussion weiterführen werden“ Ergebnis also =0, nichts als heiße kalte Luft, ist eh besser für des Bürgers Wohlergehen, halt, falsch: für die Rettung der Welt. Nach so extrem wirksamen monatelangen Debatten der „Ampel“ mit vom ÖR gefeierten Aktionen wie: mehr Windrädern und PV, natürlich sofort Einbau nicht vorhandener Wärmepumpen ohne Monteure Elektroautos in Masse ohne Lademöglichkeiten nein, kein russisches Gas für unsere Gaskraftwerke und die Industrie Öl erstmal noch ja, nur von wem und wie? vorzeitiger… Mehr

DELO
2 Jahre her

Man hat doch wohl nicht allen Ernstes erwartet, daß die EU dieses von Deutschland angerichtete Sondertheater lange unter den Teppich kehrt.
Deutschland hat sich ins Abseits manövriert mit diesen Grünen Dümmlingen und keiner findet sich, der diesen Nieten den Garaus macht.

Fritz Mueller
2 Jahre her

Nachdem Habeck den Gasboykott durch Putin leichtfertig durch einen Russen-Öl Boykott unter Mithilfe der grünen Uschi provoziert hat, mussten die deutschen Gasspeicher, koste es was es wolle, in diesem Sommer aufgefüllt werden. Über 60 Mrd. € wird diese Aktion, die den Gaspreis durch die Decke schießen ließ, den deutschen Steuerzahler kosten. Unsere europäischen „Freunde“ die nun eine Preisobergrenze für Gas fordern, wollen dieser Preistreiberei beim Gasaufkauf durch Deutschland einen Riegel vorschieben. Wer kann es ihnen verdenken, dass sie nicht für die dümmste Energiepolitik der Welt bezahlen wollen?

Last edited 2 Jahre her by Fritz Mueller
R.Baehr
2 Jahre her

Bis vor 8 Monaten war die Welt für Deutschland noch halbwegs in Ordnung. Aber seit den Grünen die Moral vor dem Fressen wichtiger ist herrscht im Land das blanke Entsetzen so weit man schaut und Schuld alleine haben diese grünen Verbr……. allen voran Baerbock und Habeck. Und da können noch so viele Artikel geschrieben werden, es ändert sich nichts mehr daran, das eine sichere, dauerhafte, günstige Energieversorgung von diesen sinnbefreiten Grünen geopfert wurde aus idiologischen Gründen und weil sie davon überzeugt sind, die Welt retten zu müssen. Und ein Industrieland mit erneuerbaren Energien unterhalten zu wollen ist alleine schon komplett… Mehr

Last edited 2 Jahre her by R.Baehr
Kaltverformer
2 Jahre her
Antworten an  R.Baehr

Bitte vergessen sie nicht Frau Doktor Angela Merkel und ihre Claqueure aus der CDU/CSU, ohne denen das nie möglich gewesen wäre

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Bin ich froh, dass ich die Mehrheit meiner assets in den USA habe. Bin gespannt, wann diese Helden Kapitalverkehrskontrollen einführen wollen…

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Roepke

und richten Sie sich auf eine Vermögensabgabe auf Immobilien, Aktien und Gold ein.
Dann löst sich die Spannung und Ihr Konto wird gesundgeschrumpft.

Carlos
2 Jahre her

Hurra, hurra! Unsere Erdgasspeicher sind zu über 95% voll. Alles wieder in Butter? Wie jetzt? Das Erdgas gehört Robert gar nicht alleine? Keiner weiß, wo es genau landet? Dann Gute Nacht !