Kernkraft senkt die Strompreise in Deutschland

Simulationen zeigen, dass die drei noch laufenden Kernkraftwerke den Strompreis in Deutschland um 31 Prozent drücken. Wären die drei abgeschalteten Kraftwerke noch am Netz, wären es sogar 54 Prozent. Von Wolfgang Kempkens

IMAGO / imagebroker
Kernkraftwerk Neckarwestheim, Baden-Württemberg

Der Großhandelspreis für Strom in Deutschland liegt in diesem Jahr um 31 Prozent unter dem, der ohne die drei letzten noch produzierenden deutschen Kernkraftwerke zu berappen wäre. Wären auch die drei Kernkraftwerke Gundremmingen, Grohnde und Brokdorf noch am Netz wären es stolze 54 Prozent weniger. Das hat eine Strompreissimulation von Björn Peters, Inhaber der Unternehmens- und Politikberatung Peters Coll in Kelkheim, ergeben, der der Kernenergie nahesteht.

Von den niedrigeren Preisen würden vor allem Unternehmen profitieren, die Strom selbst einkaufen. Skeptiker wie Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, glauben allerdings nicht, dass die Kostensenkungen bei Endkunden der Stromversorger ankämen, wenn sie sich realisieren ließen. Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur (Dena) in Berlin, sekundiert: „Die Laufzeitverlängerung bringt dem normalen Stromkunden keine Ersparnis, allenfalls Stabilität.“

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Doch Peters hat sorgfältig gerechnet. Die Simulation beruht auf dem sogenannten Lastgang der Jahre 2008 bis 2014 und den zugehörigen Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach, die für die Berechnung der Beiträge von Wind- und Solarenergie genutzt wurden. Der Lastgang ist der Stromverbrauch zu jeder Stunde der betrachteten Jahre, aufgeschlüsselt nach Energieträgern wie Kohle, Gas, Wind, Sonne, Kernenergie, Wasser und Biomasse, um die wichtigsten zu nennen.

Heute würde in der Energieforschung oft nur der Lastgang eines Jahres betrachtet, klagt Peters. „Professionelles Risikomanagement in der Energiemodellierung würde bedeuten, auch seltene Phasen extremer Kälte, Bewölkung und Windstillstand zu berücksichtigen“, sagt er. Denn in jeder Situation müsse die Stromversorgung gesichert sein. Heute sorgen dafür Stein- und Braunkohle, überraschenderweise in großem Umfang auch Erdgaskraftwerke. Die Kernenergie kann hier zwar wenig bewirken. Doch da die Grundlast heute ausschließlich von Kohle- und Kernkraftwerken bereitgestellt wird, also die Menge an Strom, die unabhängig von der Tageszeit verbraucht wird, könnten zusätzliche Kernkraftwerke Kohle ersetzen. Außerdem böten sie Versorgungssicherheit, weil sie kontinuierlich arbeiten und damit auch Stromlücken bei Nachbarn wie Frankreich und der Schweiz stopfen könnten.

Da die Preise für Erdgas und Kohle drastisch angestiegen sind, habe sich auch der Großhandelspreis für Strom drastisch verteuert. Das habe keineswegs erst mit dem Lieferstopp für Erdgas aus Russland begonnen, sondern schon in der ersten Jahreshälfte 2021. Niedrige Windstromproduktion habe bereits zu einem Mehrverbrauch an Erdgas geführt, und zwar in ganz Westeuropa. Dadurch hätten sich bis Mitte 2021 die Preise für Erdgas und CO2-Emissionszertifikate im Verhältnis zum Jahresanfang bereits verdoppelt. Bis zum Jahresende 2021 seien diese Preise dann um das Drei- bis Vierfache angestiegen.

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Peters errechnete für das ganze Jahr 2021 einen durchschnittlichen Großhandelspreis für Strom von 46,10 Euro pro Megawattstunde (4,61 Cent pro Kilowattstunde), wenn die drei am 31. Dezember abgeschalteten Kernkraftwerke noch am Netz gewesen wären. In der Realität, also ohne diese drei Stromerzeuger, kommt er auf 62,60 Euro pro Megawattstunde. Wären auch diese Anlagen bereits abgeschaltet gewesen, die jetzt noch eine Gnadenfrist bis April 2023 bekommen haben, hätte der Preis bei 83,90 Euro pro Megawattstunde gelegen. Ein weiteres Argument von Peters pro-Kernenergie: Im Jahr 2023 könnten sechs Kernkraftwerke 60 Milliarden Megawattstunden Strom erzeugen und CO2-Einsparungen von 40 bis 60 Millionen Tonnen bringen.

Die Kostensenkungen kommen nicht zuletzt zustande, weil deutsche Kernkraftwerke längst abgeschrieben sind und nur noch Kosten für Personal, Wartung und Brennstoff anfallen. Selbst wenn sich der Uranpreis verdoppeln würde, stiegen die Erzeugungskosten gerade mal um 0,5 Rappen (etwa 0,5 Eurocent) pro Kilowattstunde, rechnet der Verband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber vor, ein Plus von fünf bis zehn Prozent. Bei Erdgaskraftwerken mache der Erdgaspreis dagegen stolze 70 Prozent der Produktionskosten aus.

„Wenn Stromabschaltungen drohen, energieintensive Industrien geschlossen abwandern, muss jeder Beitrag geleistet werden, der zur Absenkung der Energiepreise beiträgt“, resümiert Peters. Damit liegt er auf einer Linie mit der Wirtschaftsprofessorin Veronika Grimm, einer der fünf Wirtschaftsweisen in Deutschland. „Längere Laufzeiten haben signifikante Auswirkungen auf die Preisentwicklung in Deutschland und den Nachbarländern“, sagte sie, als die Entscheidung zum befristeten Weiterbetrieb von drei deutschen Kernkraftwerken noch nicht gefallen war. Auch die positiven Auswirkungen auf die CO2-Bilanz seien nicht zu unterschätzen. „Ich empfehle, in dieser schwierigen Situation keine Möglichkeit ungenutzt zu lassen.“

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Kommentare ( 24 )

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Don Didi
1 Jahr her

Stabilität wäre nicht nur etwas, sie ist essentiell.
Und natürlich bringt ein geringerer Strompreis dem normalen Stromkunden eine Ersparnis, vielleicht nicht direkt bei den Stromkosten, aber indirekt bei den Allgemeinkosten, die Energiekosten des produzierenden Gewerbes wirken sich unmittelbar auf die Einzelhandelspreise für die Warenbeschaffung der Endkunden aus.

Don Didi
1 Jahr her

Da gibt’s noch zig weitere Möglichkeiten. Z.B. zur Tempolimitdiskussion, ein ICE benötigt bei hohen Geschwindigkeiten 80% der Energie zur Überwindung des Luftwiderstandes, diese 80% ließen sich mit einem Tempolimit locker einsparen. Damit wären auch die sogenannten Hochgeschwindigkeitstrassen hinfällig, spart Bau- und Wartungskosten, sowie Landschaftsverbrauch. Außerdem müßten normale Personen- sowie Güterzüge nicht mehr auf Ausweichgleise, um den ICE Platz zumachen, der Güterverkehr würde also schneller, der Personenverkehr zuverlässiger. Die ICE hätten bei Tempo 80 auch weniger verschleiß und wären in der Lage, die Fahrpläne einzuhalten, eigentlich wären sie sogar obsolet. Die Zeitersparnis bei höheren Geschwindigkeiten kann kein Argument sein, ist es… Mehr

Peter Pascht
1 Jahr her

Derzeit sind es Kernkraft, aber insbesonder Kohle, die nicht nur die Preise am explodieren hindern, sondern einen Totalblackout Deutschlands verhindern,
das Zusammenbrechen der Wirtschaft verhindern.
Wind- und Solarenergie sind und bleiben das was sie waren, eine wirre Phantasie, unwissender und ungebildeter gewalttätiger Fanatiker,
Güner und linksextremistischer Stömungen,
die sich zudem nun, Regierungsmacht, Gesetzgebung, den gesamten Staat zur Beute ihrer wirren Ideologie, gemacht haben.

November Man
1 Jahr her

„Kernkraft senkt die Strompreise in Deutschland“ – deshalb wollen die Grünen die Kernkraft auch abschaffen. Wir Deutsche sollen zahlen. Zahlen für etwas das wir nicht beeinflussen können und nicht zu verantworten haben. Die Grünen wollen dieses Deutschland vernichten.
Die Grünen an der Macht ist das Schlimmste was diesem Land passieren konnte.

D. Ilbert
1 Jahr her

Wie Recht Sie haben. Aber halt auch leider nicht den Gedanken sozialistischer Solidarität verstanden. 🙂 Immer wenn der Sozialist (linksgrünrotschwarzmwd) „wir“ sagt, meint er „ihr“.

Nur ein Beispiel: Lt. „Auto-Motor-Sport“ verfügt der „Bundesfuhrpark“ (Stand 03/21) über 24.716 Fahrzeuge. Ganze 582 davon sind batterie-elektrisch angetriebener Edelschrott. Alle anderen sind Verbrenner.

Der Soze sagt „wir“ und meint „ihr“. Nicht „wir“ müssen elektrisch fahren. „Ihr“ müßt elektrisch fahren. Nicht „wir“ müssen sparen – „ihr“ müßt sparen. Leute wie Palmer sind DIE Ausnahme, die die Regel nur bestätigen.

RMPetersen
1 Jahr her

Stabilität ist für Utopisten negativ konnotiert. Fast schon reaktionär.

StefanZ
1 Jahr her

Ein in Grünland leider sinnloser Artikel. Selbst wenn in diesem Winter 10 Millionen Menschen in Deutschland erfrieren würden, wäre die Angst vor der bösen „Hochrisikotechnologie“ größer. Eher verbrennt man die „Ketzer“ wieder auf dem Scheiterhaufen und erhöht den CO2-Ausstoss um das 1000fache als das man auch nur ein Kernkraftwerk am Netz lassen würde. In einigen Jahren wird man sich dann wieder fragen und darüber diskutieren, wie es in Deutschland soweit kommen konnte und warum soviele Menschen mitgemacht haben. Das die „Krauts“ und „Nazis“ sich diesmal selbst den totalen Krieg erklärt haben, wird im Ausland zwar mit Kopfschütteln aber auch beruhigt… Mehr

Eberhard
1 Jahr her

Ich teile voll die Ausführungen des Autors. Aber sie werden nicht diejenigen erreichen, die begonnen haben, unser Land möglichst schnell zu zerstören. So sind Sie eben, unsere lieben Grünen. Meistens Menschen, denen es noch relativ gut geht und die trotzdem nicht unbedingt als Rechenkünstler und Technologieexperten gelten. Sie werfen ihren ideologischen Gegnern vor, durch das Schüren von Ängsten politischen Profit zu machen und setzen aber ihre eigenen Ziele vorwiegend durch gezielt erzeugte Ängste und manipulierte, dazu oft auch nur hypothetische Darstellung von Umweltkatastrophen um. Darüber hinaus scheinen sie kaum in der Lage, die Folgen ihres Tuns auch nur annähernd real… Mehr

Ruhrler
1 Jahr her

Die hohen Preise sind gewollt, denn nur so besteht nach grüner Logik ein „Anreiz“ den Verbrauch zu senken, und nur durch massiv reduzierten Verbrauch kann nach grüner Logik die Energiewende erfolgreich sein. Das es dabei „Kollateralschäden“ gibt ist eingeplant, die Industrie ist sowieso böse. Und on Top will Habeck bis 2030 „intelligente Stromzähler“ verpflichtend machen, dann kann man endlich gezielt private Verbraucher ferngesteuert abschalten. Sozialistische Mangelwirtschaft eben. Man kann einen Kommunisten/Sozialisten/Maoisten grün anmalen, aber innendrin bleibt die Farbe erhalten.

Klaus D
1 Jahr her

Ich wundere mich das sich jetzt so viele wundern – über den hohen strompreis. Die DieGrünen haben nie einen hehl draus gemacht das der strom viel zu billig ist zb Ganz Deutschland stöhnt unter den ständig steigenden Strompreisen. Die Dorfener Umweltreferentin Hanna Ermann (GAL) sieht das ganz anders. „Der Strompreis ist zu niedrig“, konstatierte die Grünen-Rätin Im Stadtrat. https://www.merkur.de/lokales/erding/gruene-strom-noch-billig-306905.html