Die gelbe Verwandlung

Das Gelb der FDP signalisierte früher die Vertretung von Interessen, vor allem des Mittelstands, der Selbständigen, der Leistungsträger, der Besserverdiener. Die Verkürzung auf eine „Apothekerpartei“ schadete nicht, denn man wusste, was der Kern war. Mit der Farbe Magenta änderte sich der Inhalt.

IMAGO / HRSchulz

Für die FDP gilt: Wer zu spät kommt, ist im höchsten Maße unglaubwürdig. Wenn Leute wie der Bundestagsabgeordnete Lukas Köhler künftig das Sagen in der Partei haben werden, spielen Apotheker garantiert keine Rolle mehr. Da helfen auch situativ erstellte Grundsatzpapiere nicht.

Das Gelb der FDP signalisierte früher die Vertretung von Interessen, vor allem des Mittelstands, der Selbständigen, der Leistungsträger, der Besserverdiener. Die Verkürzung auf eine „Apothekerpartei“ schadete nicht, denn man wusste, was der Kern war. Mit der Farbe Magenta wurde aus „Raider“ dann „Twix“, aber im Gegensatz zu den Schokoriegeln änderte sich auch der Inhalt. Sanftes Gleiten auf der Klimawelle ist seitdem angesagt und der Ansatz, eine nationale Klimamarktwirtschaft zu etablieren, wird scheitern. So wie man globale Probleme nicht national lösen kann, ist es nicht möglich, den globalen Kapitalismus von Deutschland aus „klimagerecht“ zu reformieren. Falls das überhaupt nötig sein sollte, denn die saubersten Industrien stehen in den hoch entwickelten Industrieländern, und dass eine globale Erwärmung unser größtes Problem sei, erzählen uns Klima-Apokalyptiker.

Sozialliberale Koalition mit grünem Anhängsel
Die FDP steht auf, statt umzufallen
Früher war die FDP auch Partei des Sachverstandes und nachvollziehbarer Entscheidungen. Heute verirrt sich die Partei in Ampelpolitik und hat noch nicht bemerkt, dass Gelb schon immer die kürzeste Phase an einer Ampel war.

In einem aktuellen Grundsatzpapier fordert die FDP nun, die nach dem 15. April abgeschalteten drei Kernkraftwerke in „betriebsbereitem“ Zustand zu halten. Die Rede ist von Energiesouveränität und, dass Nord Stream 1 und 2 nicht wieder in Betrieb genommen werden dürften. NS 2 war zwar noch nie in Betrieb, und dass bei veränderten politischen Bedingungen in Russland der Betrieb der Leitungen sinnvoll sein könnte, spielt bei der FDP keine Rolle. Das erinnert an Annalena Baerbock, die „nie wieder“ etwas aus Russland importieren will.

Primär setze man allerdings auf erneuerbare „Freiheitsenergien“. Inwiefern die Abhängigkeit von Wetter und Tageszeit sowie von China etwas mit Freiheit zu tun hat, wird nicht erklärt.

Auch technisch-wirtschaftliche Erwägungen vermisst man im Papier. Zum einen sind die Anlagen mit den alten Brennelementen nicht mehr anfahrbar, die Bestellungen neuer hätte schon vor vielen Monaten erfolgen müssen. Aber damals war die FDP vermutlich mit dem Selbstbestimmungsgesetz voll ausgelastet, danach sonnte sie sich im vermeintlichen Sieg einer viermonatigen Laufzeitverlängerung.

Die Unternehmen wollen zudem selbst das Ende. Nach dem Atomausstiegsbeschluss 2002, der Laufzeitverlängerung 2010, dem Ausstiegsbeschluss 2011 und der Laufzeitverlängerung 2022 sind sie der Purzelbäume überdrüssig. Man müsste sie per Gesetz und mit viel Geld zu einer Bereitschaftshaltung zwingen, wofür wirklich kein politischer Wille erkennbar ist.

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„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Dieses unausgegorene Grundsatzpapier ist bezeichnend für die inzwischen erreichte Inkompetenz der FDP auch in Wirtschafts- und Technologiefragen. Beispielhaft dafür steht auch eine Bundestagsrede von Dr. Lukas Köhler, Philosoph und Geschäftsführer eines Zentrums für Umweltethik und Umweltbildung. Im Dezember 2021 trat er vehement gegen eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke ein. Es sei eine „nationalistische Idee“, andererseits auch eine sozialistische, und Photovoltaik sei viel günstiger. Man brauche Speicher und Wasserstoff. Das half uns 2021 schon nicht, heute umso weniger, macht aber den Gehalt seiner Rede deutlich, mit der er in den Wettbewerb mit Robin Mesarosch (SPD) um das niedrigste Niveau tritt. Dieser bezieht übrigens seine Kompetenz aus der Tätigkeit als Social-Media-Referent bei der SPD. Köhler passt ideal zum grünen wie zum roten Koalitionspartner und zeigt, wohin die FDP künftig driften wird.

Die im Grundsatzpapier geforderte Technologieoffenheit wäre ein Thema in den Koalitionsverhandlungen gewesen. Diese durchzusetzen hätte aber Rückgrat erfordert. Auch in ihren früheren Einschätzungen lag die Partei daneben. Der damalige Vorsitzende Philipp Rösler in der Ausstiegsdebatte im Bundestag 2011: Es sei die richtige Balance gefunden worden, die EEG-Umlage solle bei 3,5 Cent bleiben. Sie wurde beim Stand von 6,5 Cent im Jahr 2022 durch Steuergeld halbiert und wird heute als Dauersubvention aus dem Staatshaushalt bestritten. Praktisch fließt aber wenig Geld, weil das inzwischen erreichte irre Niveau des Strommarktpreises die Subvention meist überflüssig macht.

„J’accuse“ 

Anklage gegen die Stilllegung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke
Der im Vergleich zum Beschluss 2002 vorgezogene Atomausstieg 2022 sei „kein Risiko für die deutsche Wirtschaft“. Natürlich müssten der Netzausbau und der Bau konventioneller Kraftwerke schneller gehen. Dies ist nicht passiert, das hat die FDP in den vergangenen zehn Jahren offenbar auch nicht interessiert. Zum Zeitpunkt heute sind weder ausreichend konventionelle Kraftwerke gebaut worden noch kann der Netzausbau mit dem Zubau schwankender Stromeinspeisung mithalten. Vor allem fehlen die großen Nord-Süd-Leitungen. Dann sagte Rösler noch:

„Wir gehen fest davon aus, dass die Grünen künftig bei jeder Demonstration an unserer Seite stehen werden und jedem Gegner von neuen Kraftwerken und neuen Trassen zurufen werden: Wer Nein sagt zur Kernenergie muss Ja sagen zum Netzausbau und zum Kraftwerksneubau.“

Mehr Naivität geht kaum. Das bereits damals im Bau befindliche Kraftwerk Hamburg-Moorburg wurde von den Grünen politisch und von ihren militanten Fußtruppen gewalttätig bekämpft. In den Folgejahren reihten sich Tagebau- und Kraftwerksattacken sowie Gleisbesetzungen durch ideologisierte und mit parteigrünem Applaus versehene Anhänger aneinander. Das war die Begleitmusik für die juristischen Verfahren, die bei jeder sich bietenden Möglichkeit initiiert wurden.
Eine Medienmehrheit heizte die öffentliche Stimmung gegen Kohle- und Atomkonzerne an, während man Profite und Reichtum auf Seiten der „Erneuerbaren“ verschwieg. Trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung war Lützerath am Anfang des Jahres 2023. Hier lief die Eskalation zwar aus dem grünen Ruder, aber so geht es Zauberlehrlingen mit den Geistern, die man rief.

Das alles störte die FDP nicht, im Gegenteil, sie ging 2021 die Koalition mit den Grünen ein. Es ist müßig, die Grünen mit Vorwürfen zu überziehen. Die sagen ziemlich klar, was sie wollen: eine groß transformierte postindustrielle „klimagerechte“ Gesellschaft.

Ausschlaggebend sind aber die Kräfte, die ihnen die Steigbügel halten. Einstein formulierte seinerzeit so: „Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“ In diesem Sinne spielen die ehemaligen Volksparteien wie auch die FDP eine unrühmliche Rolle und man muss sich ihrer nicht wahrgenommenen Verantwortung erinnern. Derzeit erfordert der Gesetzentwurf zum Namensrecht die ganze Aufmerksamkeit der FDP. Ein Problem, das die Menschen aus Sicht der Partei seit Jahren vor große Probleme stellt – oder handelt es sich eher um eine merkwürdige Prioritätensetzung? Es ist Politik in Magenta.

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Kommentare ( 52 )

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52 Comments
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Peter der Kleine
1 Jahr her

Die FDP ist die wohl größte Enttäuschung in der derzeitigen Regierung. Während Grüne und SPD das abliefern, was man sowieso von ihnen erwartet hatte, hat die FDP einfach nur jämmerlich versagt. Nchts, aber auch gar nichts, ist vom liberalen, marktwirtschaftlichen Kern dieser Partei übrig geblieben. Ich schätze sie fliegt bei den nächsten Wahlen aus sämtlichen Länder -Parlamenten und bei der nächsten Bundestagswahl ist Schluss, Schade nur, dass sich die CDU in der Opposition genauso gebärdet. Anstatt die Regierung vor sich herzutreiben, entschudigt man sich noch permanent für Kritik und „harte“ Wortwahl. Merz kommt mit manchmal wie ein Agent Provocateur der… Mehr

Flaneur
1 Jahr her
Antworten an  Peter der Kleine

Enttäuscht sein kann nur, wer sich hat täuschen lassen!
Wer allerdings ernsthaft geglaubt hat, die FDP wäre dieses Mal aber wirklich standhaft und würde der Regierung ihren Stempel aufdrücken, nach dem sie in den letzten 10 Regierungsbeteiligungen so standhaft war wie eine verkochte Spaghetti, dem ist nicht zu helfen.

DerVoluntaer
1 Jahr her

Am 31.März 2023 haben die 78 FDP Bundestagsabgeordneten gegen die Laufzeitverlängerung gestimmt !
Incl. Herrn Kubicki, der den Ausstieg aus der Atomenergie für einen dramatischen Fehler hielt, der uns ökologisch und ökonomisch noch teuer zu stehen kommen würde.
Tja so isset mit Umfallern und populistischen Wendehälsen.

Kritische Stimme
1 Jahr her

Wer sich mal in die Biografie von Herrn Lindner eingearbeitet hat, merkt schnell, dass dieser Herr sein ganzes Ausbildungs- Zivildienst- Selbständigen- und Politikerleben nur an seiner „Ich“- bezogenen Selbstdarstellung gearbeitet hat. Jetzt ganz oben, nach Abnicken der sichtbar teuren Koalitionsvereinbarung – Hauptsache Finanzminister – im Selbstbedienungsladen angekommen, spielt er öffentlichkeitswirksam den Ausgaben / Einnahmen- Buchhalter. Und warum? Weil er dem Sinkflug seiner FDP- Partei entgegenwirken will!

Peter der Kleine
1 Jahr her
Antworten an  Kritische Stimme

Dieser Sinkflug ist wohl nicht mehr aufzuhalten. Wenn er ( und die gesamte FDP ) überhaupt überlebt, haben sie das nur dem Umstand zu verdanken, dass die Merz CDU ein genauso erbärmliches Bild abgibt und dem FDP Wähler einfach die Alternative fehlt.

Altchemnitzer
1 Jahr her

Ich möchte darauf hinweisen, daß wir hier in Sachsen der FDP noch nie irgendetwas zugetraut haben. Meistens war diese „Partei“ nicht im Landtag vertreten. Völlig zu Recht wie wir heute wissen.

bfwied
1 Jahr her
Antworten an  Altchemnitzer

Es ist immer das Prinzip Hoffnung! Man hofft, dass die die Grünen im Zaum halten, obwohl man aus Erfahrung davon ausgeht, dass sie das nicht tun – ein menschliches Problem!

Astrid
1 Jahr her

Nachdem die CDU/CSU und die SPD durch die Corona-Krise die Macht an sich gerissen haben und dem dummen Wahlvolk mal so richtig die Kante gegeben haben, ist die FDP auch auf den Geschmack gekommen die Leiter der Macht zu erklimmen. Einfluss auf irgendeine Entscheidung, ob Migration, Klima, EU, Ukraine-Krieg, Energie usw. haben sie nicht und wollen sie auch nicht. Es geht darum die üppigen Gelder durch die jeweiligen Posten abzugreifen und die Macht gegenüber dem Volk darzustellen. Wenn die morgen weg wären, würde kein Mensch das merken, weil sie nichts machen und so ist es mit fast allen, die da… Mehr

fatherted
1 Jahr her

Das war doch absehbar. Die FDP ist schon lange keine „Wirtschaftspartei“ mehr….man denke an den bis heute gültigen Quatsch mit der Mövenpicksteuer, die den Hotels helfen sollte. Wer sich sowas ausdenkt verdient es (wie damals) aus dem BT zu fliegen. Und bei der nächsten Wahl wird es nicht anders werden. Lindner und Co. kleben aber an ihren Stühlen….viel wichtiger….viele „verdiente“ Parteikollegen sind als Staatssekretäre auf lukrativen Pöstchen installiert worden….die wollen alle weiter verdienen….da gibt es kein zurück. Arbeiten will von denen allen keiner mehr….und wird auch keiner mehr….die Versorgung ist gesichert, wenn bis zum Ende durchgehalten wird.

Deutscher
1 Jahr her
Antworten an  fatherted

Mit der FDP ging es abwärts, als sie sich von liberal zu neoliberal wandelte.

ludwig67
1 Jahr her

Die Grünen sind gefährlich aber man muss konstatieren, dass sie nur das umsetzen, was sie immer gesagt haben (Öko-Marxismus). Die FDP ist verachtungswürdig, denn sie ist ein politischer Heiratsschwindler. Ihre (Wahl-) Versprechen sind nichts wert, sie sät Wind, erntet aber nichts. Mir fällt nicht eine Sache ein, die die FDP für mich -als Teil ihrer Kernzielgruppe- je durchgesetzt hätte.

Interessant ist sie nur für wendige Politkarrieristen, die nicht so schei**e aussehen wollen wie die Grünen, um danach einen schönen Job zu bekommen (Davos etc.). Jeder, der ihr immer noch auf den Leim geht, hat es nicht besser verdient.

Exilant99
1 Jahr her

Die FDP ist für mich gestorben. Sie verbreiten LGBTQ Propaganda, wollen Cannabis legalisieren, das Staatsbürgerschaftsrecht deregulieren und allen Ausländern einen deutschen Pass schenken.
Eine durch und durch links-grüne Partei.

Astrid
1 Jahr her
Antworten an  Exilant99

Nicht zu vergessen, vor der Wahl hat Lindner groß angekündigt mit der FDP wird es keine Corona-Impfpflicht geben, danach hat er für die Impfpflicht gestimmt. Verlogen bis zum geht nicht mehr!

Deutscher
1 Jahr her
Antworten an  Exilant99

Haben Sie von bekennenden Opportunisten etwas anderes erwartet?

Maja Schneider
1 Jahr her

Und wieder ein überzeugender Beitrag über die FDP, aber es hilft alles nicht, diese Partei „hat fertig“, sie wird bei der nächsten Wahl, wenn sie denn überhaupt stattfindet, keine ernsthafte Rolle mehr spielen, sie hat um der Pfründe willen ihre Inhalte ebenso verraten wie ihre Wähler, sich bis zur Unkenntlichkeit an den links-grünen Geist verkauft, und sie hat einen Justizminister ,der alles mit Füßen tritt, was mit Freiheit und Eigenverantwortung der Bürger zu tun hat. Ihre einstmalige Wirtschaftskopmpezenz ist Geschichte, für viele Menschen existiert sie nicht mehr, Wut und Enttäuschung sind zu groß.

Nibelung
1 Jahr her

Was haben denn die Grünen davon, wenn das Klima gerettet ist und sie am Ende am Boden liegen, denn deren marxistische Gedanken sind nur auf die Herrschaft ausgerichtet und das Klima ist das Vehikel, was sie dazu benützen. Die Gelben sind nur aus Eigennutz die Steigbügelhalter wie immer, wenn es was abzusahnen gibt und über kurz oder lang machen sie sich entgültig selbst überflüssig und im Mittel liegen sie derzeit bei den meisten Instituten bei 6,8% und von dort aus ist es nicht mehr weit bis zur 5%-Schwelle und wie immer betätigen sie sich noch davor als ausgewiesene Unterstützer des… Mehr