„Woche der Meinungsfreiheit“ gegen die Meinungsfreiheit

Morgen beginnt die "Woche für Meinungsfreiheit". Was zeigt diese vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels angestoßene Aktion? Sie zeigt, dass dieses Land unter dem verbogenen Etikett „Meinungsfreiheit“ zu einer homogenisierten Meinungs- und Gesinnungs-„Republik“ verkommt.

picture alliance / ZB | Jens Kalaene

Das passt ja wie die Faust auf’s Auge? Oder doch nicht? Aber der Reihe nach: Gut 50 Schauspieler um Jan Josef Liefers „erlaubten“ sich Ende April, unter #allesdichtmachen, #niewiederaufmachen und #lockdownfürimmer die Corona-„Politik“ ironisierend in mehr als 50 ein- bis dreiminütigen Statements aufzuspießen.

Satirisch gemeint, bezeichneten die Initiatoren ein Leben in Angst und Misstrauen sowie in extremer Kontaktreduzierung als erstrebenswert. Zugleich forderten sie mit gleichem Unterton die Bevölkerung dazu auf, die Politik der Regierenden vorbehaltslos zu unterstützen. Das Ziel der Satireaktion war nach eigenen Angaben: „Es geht darum, dass Kritik am Lockdown ein legitimer Standpunkt ist, der sich mit Argumenten und Fakten untermauern lässt.“

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Postwendend fiel eine gespielt empathische, politisch korrekte, „kulturschaffende“, mediale und politische „Elite“ über die Fünfzig her. Ein paar zarte Pflänzchen unter den Fünfzig knickten sofort ein, bezichtigen sich selbst eines Fehlers, nämlich Beifall von der falschen Seite (Querdenker, Coronaleugner, „Rechte“, AfD) provoziert zu haben, und zogen ihre Unterstützung zurück.

Und dann meldet sich wenige Tage später für den 3. bis 10. Mai eine Aktion „Woche der Meinungsfreiheit“ zu Wort. Wunderbar, atmet man erleichtert auf, endlich merken ein paar Leute, wie es um das Meinungsklima in Deutschland bestellt ist! Passt doch?

Mitnichten! Denn: Keiner der „Woche-der-Meinungsfreiheit“-Aktivisten hat die fünfzig Schauspieler in Schutz genommen. Im Gegenteil: Scharfrichter traten auf, allen voran der vormalige nordrhein-westfälische SPD-Minister Garrelt Duin, seit 2020 Mitglied des WDR-Rundfunkrates. Er forderte „Konsequenzen“ für die beteiligten Schauspieler, da diese sich als „Vertreter der öffentlich-rechtlichen Sender“ „unmöglich“ gemacht hätten. Er forderte in einem später gelöschten Tweet „schnellstens“ eine Beendigung der Zusammenarbeit der zuständigen Gremien. Berufsverbot also!

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Auch kein ZDF-Staats-Entertainer Jan Böhmermann sprang den Fünfzig beziehungsweise den dann nur noch Fünfunddreißig bei. Einen typischen Fall von zweierlei Maß und zugleich wenig einfallsreich produzierte dieser Herr unter #allenichtganzdicht. Hatte Böhmermann doch Ende 2020 mit einem Kinderchor zur Melodie von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad” folgende Verse zum Besten gegeben: „Meine Oma weiß, es gibt gar kein Corona, Corona, Corona … Meine Oma liegt seit vorgestern im Koma, im Koma, im Koma. Mit ’nem Plastikschlauch in ihrem Tracheostoma … Pandemie vorbei und meine Oma auch.” Aber das galt ja als Satire!

Zurück zur „Woche der Meinungsfreiheit“! Wer steckt dahinter? Klar, die üblichen Bekannten. Die Aktion wurde vom Börsenverein des deutschen Buchhandels initiiert und im Spiel über Bande sofort von der ARD belobigt und unterstützt. Allein damit wird die Aktion schräg. Dazu kommen Unterstützer wie Michel Friedman, Wolfgang Niedecken und diverse „Journalist:innen/Moderator:innen/Blogger:innen, Influencer:innen“, die man zuletzt vor allem im „Kampf gegen rechts“ verortete.

Über allem also der Börsenverein des Deutsche Buchhandels! Ausgerechnet! In seinem Verbandsorgan „Börsenblatt“ (Ausgabe vom 6. August 2020) war es in einem großen Artikel um das Thema „Auslistung im Onlineshop: Zwischen Meinungsfreiheit und Zensur“ gegangen. Allein der Titel sagte schon alles: „Auslistung“! Auf die weitere Überschrift „Und tschüss …“ folgte erst der scheinheilige Satz: „Ohne Meinungsfreiheit keine vielfältige Branche.“ Was mit Meinungsfreiheit aber gemeint ist, wurde umgehend erläutert: „Trotzdem will nicht jede Buchhandlung Titel von aggressiven Verschwörungstheoretikern oder neurechten Verlagen verkaufen. Individuelle Sperroptionen sollen jetzt für mehr Gestaltungsspielraum im Onlinesortiment sorgen.“ Mehr „Gestaltungsspielraum“!

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Im Klartext: Der Börsenverein definiert, was „igittigitt“ ist. So kann man sich denn auch denken, wie die Initiatoren der „Woche“ Meinungsfreiheit verstehen. Eine 11-Punkte-Charta haben sie aufgestellt. Der Punkt 5 lautet: „Hetze und Hass werden nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern beschädigen sie.“ Die braven Gefolgsleute werden – Wetten!? – bald definieren, was „Hetze und Hass“ ist. Es ist jedenfalls nicht die Rede davon, dass man zukünftig Kritiker des Mainstreams – in Talkshows oder dergleichen – zu Wort kommen lassen wird.

Was zeigt uns das? Es zeigt, dass dieses Land unter dem verlogenen Etikett „Meinungsfreiheit“ zu einer homogenisierten Meinungs- und Gesinnungs-„Republik“ verkommt. Die zum Teil gehässigen Reaktionen auf Jan Josef Liefers und seine Kollegen belegen, so die DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, „wie weit die geistige Verwahrlosung derjenigen, die sich zu den Eliten und Meinungsmachern dieses Landes zählen, bereits gediehen ist“ und dass es zum „Sakrileg“ wurde, „diese Regierung kritisiert zu haben.“ Vera Lengsfeld schließt unter Hinweis auf den Herbst 1989: „Übrigens nahm die Friedliche Revolution erheblich Fahrt auf, als die Künstler begannen, die Resolution des Neuen Forums vor ihren Auftritten zu verlesen. Mit der DDR war es dann bald vorbei.“

Jan Josef Liefers gehörte – das sei nicht vergessen – zu denen, die (damals 25 Jahre alt (unter Inkaufnahme einer Verhaftung) auf die Bühne traten. Und Vera Lengsfeld hatte schon vorher zu den Regimekritikern gehört. Beängstigende Parallelen zwischen der Zeit vor 1989 und 2021! Oder ein Lichtstrahl der Hoffnung, wenn man an das Ergebnis von 1989 denkt? Die „Woche der Meinungsfreiheit“ ist dieser Lichtstrahl jedenfalls nicht. Im Gegenteil! Eine Erinnerung an den Walter-Ulbricht-Spruch „Es muss nur nach Demokratie aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“ drängt sich auf. Auf 2021 gemünzt: „Es muss nur nach Meinungsfreiheit aussehen, aber wir müssen vorgeben, was als Hass und Hetze gilt.“

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Kommentare ( 62 )

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Bernd W.
3 Jahre her

Wer den ganz normalen Bürgern, die sich ihren gesunden Menschenverstand noch bewahrt haben, ständig Hass und Hetze unterstellt, betreibt diese einfach nur selber.
Und wer die medialen Meinungskorridore immer weiter (links) einengt, provoziert damit doch geradezu die heftiger werdende (verbale) Gegenwehr der vernunftbegabten, im besten Sinne konservativen Bürger.
Derer, die das bewahren wollen, was jahrzehntelang in unserem Land gut, richtig und funktionell war.
Mit Besorgnis bemerke ich jedenfalls bei mir selber eine stetige Zunahme sehr, sagen wir vorsichtig, unschöner Gedankenblasen betreffend unserer verantwortlichen „Eliten“.
Gott sei Dank sind die Gedanken ja frei, und meine gute Erziehung bewältigt (noch) alles Weitere…uff!!

christin
3 Jahre her

SPD-Minister Garrelt Duin, Mitglied des WDR-Rundfunkrates, Ihnen sollte bewusst sein, wenn die Zwangsgebühren für den ÖRR wegfallen, verlieren viele in den Rundfunkhäusern ihre gutdotierten Jobs. Der Output entspricht in Qualität bei weitem nicht dem Input.

Klaus D
3 Jahre her

„Woche der Meinungsfreiheit“……hier sollten WIR im besonderen auf die Polizei achten…..Polizeigewerkschafts-Chef Rainer Wendt will generelles Verbot für „Querdenken“-Demos https://www.ksta.de/politik/polizeigewerkschafts-chef-rainer-wendt–will-generelles-verbot-fuer–querdenken–demos-38350324

imapact
3 Jahre her

Die Rachsucht der Gutmenschen ist grenzenlos. Heute auf ZON ein Verriß des „Tatorts“ von gestern. Angriffsziel: natürlich Liefers. Und der schreibende Antifa-Mob stimmt hundertfach in den von ZON-Einpeitscher Dell angeleiteten Chor ein. So geht „Meinungsvielfalt- und -freiheit heute…).

hp
3 Jahre her
Antworten an  imapact

Ich zitiere mal Quotenmeter: Das Erste eröffnete den Sonntagabend mit dem „Tatort: Rhythm and Love“ und lockte damit 14,22 Millionen Zuschauer, was phänomenalen 39,6 Prozent Marktanteil entsprach. 3,33 Millionen 14- bis 49-Jährige bedeuteten gleichzeitig eine traumhafte Quote von 34,0 Prozent. Gut, war meiner Ansicht nach nicht der beste Münsteraner „Tatort“ aller Zeiten, aber lustig und schräg, der Filmexperte Dell vermischt aber erkennbar die Filmkritik mit dem, was ihm politisch auf der Seele brennt. Zitat aus der Filmkritik: „Kompetent ist die Pauschalkritik des Schauspielers an den vermeintlich einhelligen Medien ohnehin nur in ihrer paradoxen performativen Evidenz: Nichts lässt sich in den… Mehr

Pauline G.
3 Jahre her

Guter Beitrag! „Meinungsfreiheit“ gilt nur, wenn die Politisch-Korrekten einer Aussage zustimmen!! Beim Lesen dieses Artikels fiel mir die kl. dickliche „Kolumnistin“ der TAZ ein, die „Polizisten auf den Müll“ wünschte, denn da wären „sie unter ihresgleichen“ – dieser Beitrag verstieß NICHT gegen die „Meinungsfreiheit“ – er war offensichtlich politisch-korrekt u. wurde im Nachhinein als „Satire“ bezeichnet!!

Klaus D
3 Jahre her
Antworten an  Pauline G.

Polizeigewerkschafts-Chef Rainer Wendt will generelles Verbot für „Querdenken“-Demos https://www.ksta.de/politik/polizeigewerkschafts-chef-rainer-wendt–will-generelles-verbot-fuer–querdenken–demos-38350324

AlNamrood
3 Jahre her

Mir fällt keine Profession ein die dermaßen in der gesellschaftlichen Stellung gesunken ist wie die des Journalisten. Völlig ohne Not, allein durch das Verhalten der Mehrzahl ihrer Mitglieder.

Der Michel
3 Jahre her

U.a. zum Thema „Freiheit“ ist heute Roger Köppel in seinem „Weltwoche daily“ Video https://www.youtube.com/watch?v=ltiVFb9grzY sehr hörenswert.

Johann Thiel
3 Jahre her

Auszug eines Artikels von Dirk Maxeiner auf achgut.com „Und nun soll die „russische Sichtweise“ die Deutschen auch mit einem Vollprogramm erbauen. Das kann sehr lustig werden, wenn der deutsche Michel zwischen Putins und Merkels Sichtweise hin und her zappt, ich freue mich schon drauf. Bis Ende dieses Jahres soll das deutschsprachige Internetangebot zu einem „modernen und dynamischen TV-Sender“ (RT Eigenwerbung) mit einem deutschsprachigen Vollzeitprogramm ausgebaut und 200 neue Mitarbeiter eingestellt werden: Redaktionsleiter, Redakteure, IT-Administratoren, Moderatoren, Korrespondenten, Kameraleute und auch PR-Fachkräfte. RT DE ist auf dem Studiogelände in Berlin Adlershof angesiedelt, wo auch die Talkshow von Anne Will produziert wird. Das trifft sich gut, schließlich… Mehr

Skeptischer Zukunftsoptimist
3 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Da werden aber jetzt Tag und Nacht die Drähte heißlaufen in Berlin, um unbedingt noch vor dem September die gesetzlichen Grundlagen dafür so hinzubiegen, damit das unter allen Umständen verhindert werden kann.

Johann Thiel
3 Jahre her

Bin ja mal gespannt was daraus wird, aber sehr interessant wäre es in jedem Fall. Spätestens wenn die dann zur gleichen Sendezeit einen „Gegen-Tatort“ senden, ist die kritische Phase erreicht.?

Last edited 3 Jahre her by Johann Thiel
Skeptischer Zukunftsoptimist
3 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Und auch noch auf demselben Gelände. Vielleicht muss man sogar denselben Fahrstuhl nehmen, um ins jeweilige Studio zu gelangen. Könnte lustig werden, Herr Tichy, Herr Brother… zusammen mit Anne Will & Co. in ein einer Kabine dann.

Johann Thiel
3 Jahre her

????

89-erlebt
3 Jahre her

Der Verweis auf 1989 passt leider nicht denn es sind 4 Dinge grundlegend anders: 1. In der jetzt größeren DDR gibt es eine Mehrheit, die die DDR unbedingt will, so wählt. 2. Olaf Scholz und seine EU Freunde haben noch die Presse, die Nichts zu Euro macht. 3. Die Stasi 2.0 (amtierende Regierung mit ihren Machtorganen) hat den wirkungsvollen Hebel – wirtschaftliche Abhängigkeit – fest im Griff. 4. Es gibt keinen „Onkel“ Kohl im Westen, der unterstützt, Hoffnung verbreitet, Westfernsehen ist abgeschafft und Kritik ist abgestellt. Somit ist alles bereitet, für eine grüne DDR. Die Ruinen der DDR werden bald… Mehr

Lee Bert Aire
3 Jahre her
Antworten an  89-erlebt

Das Problem mit der fehlenden Mauer wurde auch schon gelöst. Laut Parteiprogramm der Grünen müssen Auswanderer weiterhin in Buntland Steuern zahlen.

Ulrich
3 Jahre her
Antworten an  Lee Bert Aire

Gut, aus der eher beschränkten Sicht der Grünen (aktuelle Parteispitze: Trampolinspringerin=Elektroenergiefachfrau, Philosoph=Pendlerpauschalenexperte) reicht das wohl. Wenn der Letzte im OP das Licht ausknipst, weil kein Arzt/Pfleger (m,w,d) mehr da ist, wird man feststellen, das die Dachdecker, Tischler, … in der DDR-Führung doch weitsichtiger waren.

Guter Heinrich
3 Jahre her

Jakobinertum schützte Jakobiner nicht vor einschneidenden Kürzungen, Stalinistsein Stalinisten nicht vor Säuberungen. Immer wieder frisst die Revolution ihre Kinder. Wenn es wieder geschieht, gibt das Grund zum Lachen. Auch wenn es ein sehr bitteres Lachen sein wird.

Warum nur lernen so wenige aus der Geschichte?