Tichys Einblick
Franzosen nehmen ihre Sprache ernst

Premier Philippe macht Schluss mit der „gendersensiblen“ Sprache

Frankreich Regierung geht amtlich gegen eine gegenderte Sprache vor, die allmählich die Schulbücher und vor allem die Universitäten besetzte. Premierminister Édouard Philippe verfügt für alle Behörden, dass sie gendersensible Schreibweisen nicht mehr benutzen dürfen.

© BERTRAND GUAY/AFP/Getty Images

Es gibt manches, worum wir Deutsche unsere französischen Nachbarn nicht beneiden müssen, zum Beispiel um ihre wirtschaftlichen Probleme. Um eines aber sollten wir die Franzosen beneiden dürfen: um ihr Selbstbewusstsein als Kultur- und damit auch als Sprachnation. Hier könnten sich die notorisch selbstvergessenen Deutschen von der „Grande Nation“ eine Scheibe abschneiden. Zum Beispiel im Umgang mit der jeweiligen Muttersprache.

Gewiss macht das „academic pidgin English“ auch vor Frankreich nicht ganz halt. Aber dort stemmt man sich seit einem Vierteljahrhundert immerhin dagegen, dass dieses BSE („bad simple English“) nicht zu sehr über Hand nimmt. Der „computer“ ist dort ein „ordinateur“ (unter deutschen Informatikprofis übrigens ein Rechner), für „tuning“ steht die Neuerfindung „bolidage“, statt E-Mail heißt es „courriels“, und eine Direktübertragungen im Fernsehen ist nicht „live“, sondern „en direct“.

In Deutschland gibt es laut Anglizismenindex dagegen bereits an die siebentausend schier eingebürgerte Anglizismen, darunter Pseudo-Anglizismen wie „public viewing“ oder „shooting star“. Kein Engländer oder US-Amerikaner versteht das so, wie es anglomanische Deutsche meinen: „public viewing“ ist nämlich mitnichten ein gemeinsames Glotzen auf eine Großleinwand, sondern eine öffentliche Leichenausstellung; und ein „shooting star“ ist kein neues Schlagersternchen am Himmel, sondern ein verglühender Komet. Nun stemmt sich Frankreichs Regierung amtlich gegen eine gegenderte Sprache, die allmählich die Schulbücher und vor allem die Universitäten besetzt hatte. Premierminister Édouard Philippe hat für alle Behörden verfügt, dass sie „gendersensible” Schreibweisen nicht mehr benutzen dürfen. Angesagt war zuletzt der gendergerechte „point médian“ – also ein Punkt zwischen dem Wortstamm, der männlichen und der weiblichen Form, zum Beispiel sollte für Abgeordnete „les deputé•e•s“ geschrieben werden, aus Wählern wurden „les électeur•rice•s“. Zustimmung bekam Philippe übrigens vom Blindenverband, der Texte mit dem „point médian“ in der Blindenschrift für nicht mehr lesbar hielt.

Le Figaro hat nun ein regierungsamtliches Rundschreiben zugespielt bekommen, das am 29. November öffentlich werden soll. Mit diesem Erlass will die französische Regierung den gendersensiblen Wildwuchs an Schreibweisen wenigstens in den Amtsblättern einfangen. Selbst Marlène Schiappa, die Staatssekretärin für Gleichstellung, trägt die Regelung mit. Im Erlass heißt es unter anderem: „Die männliche Form ist eine neutrale (‚neutre‘) Form, die sowohl für Männer als auch Frauen angewendet werden kann.“ Allerdings sollen die Titel an das Geschlecht des Trägers angepasst werden; „Madame le directeur“, „Madame le président“ werden somit der Vergangenheit angehören. Das freilich dürfte nicht ganz nach dem Geschmack der Academie française sein, die noch 2016 präzisierte, dass sie von einer weiblichen Form in vielen Fällen abrät, und meinte, da die französische Sprache kein Neutrum kennt, die männliche Form sei die allgemein gültige.

Es wird sich zeigen, wie sich des Premierministers Erlass durchsetzt. Das Erziehungs- und das Gesundheitsministerium hatten bisher etwa die Schreibung „professeur•e•s“ praktiziert. Aber das könnte sich ändern, denn Bildungsminister Blanquer hatte wiederholt seine feindliche Haltung gegen die Genderschreibung bekundet. Anders die Stadt Paris: Sie will weiter gendersensibel schreiben.

Immerhin ist Leben in die Bude gekommen. Das wäre auch in einem Land wie Deutschland angebracht, das sich mehr als 200 Professuren für Genderforschung, darunter für Genderlinguistik, leistet, und das in Universitätsinstituten wahrlich gigantische Pseudo-Innovationen zustande bringt, zum Beispiel als Ersatz für das Wort „Mitarbeitergespräch“: Mitarbeitendengespräche, MitarbeiterInnengespräche, Mitarbeiter/innengespräche, Mitarbeiter_innengespräche, Mitarbeiter*innengespräche. Oder für Bäckerhandwerk und Fußgängerbrücke: Backendenhandwerk und Fußgehendenbrücke. Oder für Studentenwerk Studierendenwerk. Oder für Schüler, Lehrer, Professor: Schülix, Lehrix, Professix. Um wie viel witziger und kreativer sind da doch die Namen Asterix, Obelix, Idefix, Miraculix, Majestix und Troubadix!

Felix Germania, wenn Du keine anderen Probleme hast!


Josef Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als „Titan der Bildungspolitik“ bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werk Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt erhalten Sie in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop.

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