Nehmen wir mal an, die Deutschen ticken in Sachen Bildung tatsächlich so, wie es das IFO-Institut für Wirtschaftsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) soeben herausgefunden haben will. Dann stellen sich die bildungspolitischen Wünsche und Einschätzungen der „repräsentativ“ zehntausend befragten Deutschen im Alter zwischen 18 und 69 so dar:
- Die Mehrheit der Deutschen (60%) spricht sich dafür aus, dass die wichtigsten bildungspolitischen Entscheidungen vom Bund und nicht von den Ländern getroffen werden.
- Auch in der Finanzierung der Bildung wünschen sich die Befragten mehr Engagement des Bundes.
- Im Schulsystem wird die Zuständigkeit für Rahmenregelungen wie Lehrpläne mehrheitlich beim Bund gesehen, während die Schulen selbst für die Auswahl der Lehrkräfte und die Verwendung der Mittel zuständig sein sollten.
- 70% der Deutschen befürworten die Einrichtung eines Nationalen Bildungsrates usw.
So weit, so gut? Tiefschürfend ist die IFO-Studie nicht. Denn sie ist unvollständig. Zum Beispiel hätte man ein paar Fragen stellen sollen, die den (oft defizitären) Kenntnisstand der Befragten indirekt zu Tage gefördert hätten. Man hätte die Befragten fragen sollen,
- ob sie die für eine entsprechende Grundgesetzänderung notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat für möglich halten;
- ob in der Bildung der Wettbewerbsgedanke unter den 16 Bundesländern eine Rolle spielen sollte;
- was als Grund für auseinanderdriftende Abiturnoten, Abiturquoten und Testergebnisse gesehen wird.
Nun, wenn es denn wirklich so ist, dass die Deutschen mit großer Mehrheit ein einheitliches, von Aachen bis Görlitz sowie von Konstanz bis Flensburg gleiches Bildungswesen haben möchten, dann sagt das einiges über den Charakter der Deutschen aus. Denn dann hat sich nicht nur in der Sozialpolitik, sondern auch in der Bildungspolitik die sozialistische Gleichsetzung von Gleichheit und Gerechtigkeit durchgesetzt. Vulgo: Gleichheit und Gerechtigkeit auf unterem Niveau. Und dann haben die Deutschen vergessen oder nie verstanden, wie der Föderalismus historisch gewachsen ist, warum der Föderalismus ein entscheidendes Architekturprinzip des Grundgesetzes ist und dass Föderalismus eben auch Wettbewerb um die besten Lösungen ist.
Unsere Prognose lautet: Wenn der Bund in der Bildung restlos das Sagen bekäme, dann haben wir demnächst von NRW bis Sachsen und von Bayern bis Bremen überall gleiche Ergebnisse. Allerdings nicht auf der Ebene Bayern/Sachsen, sondern auf der Ebene Berlin/Brandenburg.
Angesagt wäre längst etwas anderes. Statt dass sich Länder wie Bayern oder Sachsen dann qua Bund am Mittelmaß oder aus vermeintlicher Gerechtigkeit sogar noch darunter orientieren müssten, sollten sich (ohne Bund) die schwächeren Länder endlich mal daran orientieren, was besser abschneidende Länder kennzeichnet. Das wäre kompetitiver Föderalismus (Wettbewerbsföderalismus)! Konkurrenz belebt auch hier das Geschäft. Aber der Wettbewerbsgedanke scheint nicht zum deutschen Nationalcharakter zu passen.
Ein Wort noch zum IFO: Verräterisch ist ein Satz auf Seite 1 des zehnseitigen Ergebnispapers: „Eltern in Ländern mit schwächeren Ergebnissen würden zumeist gerne von der höheren Qualität der anderen Länder profitieren.“ Aber geht es dem Gros der Eltern wirklich um „höhere Qualität“, oder geht es ihnen nicht schlicht und einfach um überall gleich mühelose Wege zum Abitur? Überhaupt meinten wir, dass das IFO für das Prinzip Wettbewerb steht. Dass das IFO sich jetzt in der Bildung qua Studie zentralistisch-egalitaristisch aufstellt, passt nicht dazu.