Tichys Einblick
IFO-„Bildungsbarometer“ 2020

Die fatale Sehnsucht nach der einheitlichen Bildungspolitik

Laut ifo-Bildungsbarometer wünschen sich die Deutschen ein einheitliches Bildungswesen. Offenbar hat sich auch in der Bildungspolitik die sozialistische Gleichsetzung von Gleichheit und Gerechtigkeit durchgesetzt. Und der Föderalismus als Wettbewerb wird nicht mehr verstanden.

imago/photothek

Nehmen wir mal an, die Deutschen ticken in Sachen Bildung tatsächlich so, wie es das IFO-Institut für Wirtschaftsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) soeben herausgefunden haben will. Dann stellen sich die bildungspolitischen Wünsche und Einschätzungen der „repräsentativ“ zehntausend befragten Deutschen im Alter zwischen 18 und 69 so dar:

So weit, so gut? Tiefschürfend ist die IFO-Studie nicht. Denn sie ist unvollständig. Zum Beispiel hätte man ein paar Fragen stellen sollen, die den (oft defizitären) Kenntnisstand der Befragten indirekt zu Tage gefördert hätten. Man hätte die Befragten fragen sollen,

Nun, wenn es denn wirklich so ist, dass die Deutschen mit großer Mehrheit ein einheitliches, von Aachen bis Görlitz sowie von Konstanz bis Flensburg gleiches Bildungswesen haben möchten, dann sagt das einiges über den Charakter der Deutschen aus. Denn dann hat sich nicht nur in der Sozialpolitik, sondern auch in der Bildungspolitik die sozialistische Gleichsetzung von Gleichheit und Gerechtigkeit durchgesetzt. Vulgo: Gleichheit und Gerechtigkeit auf unterem Niveau. Und dann haben die Deutschen vergessen oder nie verstanden, wie der Föderalismus historisch gewachsen ist, warum der Föderalismus ein entscheidendes Architekturprinzip des Grundgesetzes ist und dass Föderalismus eben auch Wettbewerb um die besten Lösungen ist.

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 Dass das IFO jetzt qua Befragung einen „Bildungsrat“ aus der Mottenkiste holt, ist ebenfalls bezeichnend. Einen solchen gab es schon einmal, nämlich von 1965 bis 1975. 1970 brachte er den „Strukturplan für das Bildungswesen“ heraus. Ziel war eine Vereinheitlichung des Schulwesens – sprich: Einheits- und Gesamtschule. Gottlob ist der Bildungsrat damit gescheitert. Ganz zu schwiegen davon, dass wir nicht noch mehr „Räte“, gar eine „Räterepublik“ brauchen. Mit parlamentarischer Demokratie hat das wenig zu tun.

Unsere Prognose lautet: Wenn der Bund in der Bildung restlos das Sagen bekäme, dann haben wir demnächst von NRW bis Sachsen und von Bayern bis Bremen überall gleiche Ergebnisse. Allerdings nicht auf der Ebene Bayern/Sachsen, sondern auf der Ebene Berlin/Brandenburg.

Angesagt wäre längst etwas anderes. Statt dass sich Länder wie Bayern oder Sachsen dann qua Bund am Mittelmaß oder aus vermeintlicher Gerechtigkeit sogar noch darunter orientieren müssten, sollten sich (ohne Bund) die schwächeren Länder endlich mal daran orientieren, was besser abschneidende Länder kennzeichnet. Das wäre kompetitiver Föderalismus (Wettbewerbsföderalismus)! Konkurrenz belebt auch hier das Geschäft. Aber der Wettbewerbsgedanke scheint nicht zum deutschen Nationalcharakter zu passen.

Ein Wort noch zum IFO: Verräterisch ist ein Satz auf Seite 1 des zehnseitigen Ergebnispapers: „Eltern in Ländern mit schwächeren Ergebnissen würden zumeist gerne von der höheren Qualität der anderen Länder profitieren.“  Aber geht es dem Gros der Eltern wirklich um „höhere Qualität“, oder geht es ihnen nicht schlicht und einfach um überall gleich mühelose Wege zum Abitur? Überhaupt meinten wir, dass das IFO für das Prinzip Wettbewerb steht. Dass das IFO sich jetzt in der Bildung qua Studie zentralistisch-egalitaristisch aufstellt, passt nicht dazu.

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