Wie umgehen mit Digitalisierung und KI? Die Bildungsminister der Länder haben den Handlungsbedarf erkannt, hinken aber wie üblich hinterher, wenn es darum geht, Chancen und Probleme zu evaluieren und abseits ideologischer Vorgaben konstruktive Konzepte zu entwickeln.
Die Schulpädagogik ist wie kaum ein anderes sozialwissenschaftliches Feld anfällig für Ideologien und Träumereien. Siehe Einheits- und Gesamtschule, Sprachlabor, Programmiertes Lernen, notenfreie Schule, Freiarbeit, Materialtheke, Projektarbeit, Schreiben nach Gehör, keine Hausaufgaben, kein Stundentakt, Abitur für alle und so weiter und so fort. Die Folgen solcher Reformitis sind bekannt: Die vormalige Bildungsnation befindet sich im freien Fall.
Nun soll seit geraumer Zeit, forciert durch die Schulschließungen in den Corona-Jahren, die Digitalisierung von Schule eben diese retten. Angesagt sind – oft schon ab der Grundschule: Laptop-/Smartphone-Klassen, didaktische Hyperlinks, Edutainment, Homelearning, just-in-time-knowledge, knowledge-machines, instant-learning, Multimedia-Learning, Telelearning, Teleteaching usw. Die Erfinder solchen Lernens überbieten sich laufend gegenseitig. Siehe die „Expertisen“ von Bertelsmann Stiftung, Vodafone-Stiftung, Telekom-Stiftung: klar, es geht um ein Milliardengeschäft.
Schöne neue Schulwelt?
Wird es also bald die schöne neue Schulwelt geben, in der IT-Systeme soziale Unterschiede ausgleichen und in der KI den Lehrermangel kaschiert? Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt! Die wissenschaftliche Basis für diese Visionen ist jedenfalls dünn. Ganz davon abgesehen, dass die Nutzung von KI im Bildungswesen eine neue Prüfungskultur erforderlich macht. Denn zu Hause angefertigte Arbeiten müssen dann erst auf Herz und Nieren untersucht werden, ob es sich bei diesen Arbeiten um eigenständige Produkte oder um mittels KI generierte handelt.
Möglich dürfte das nur mit großem Mehraufwand sein, zum Beispiel, indem die Prüfer dem Prüfling zu seiner abgelieferten Arbeit in einem Prüfungskolloquium auf den Zahn fühlen. So wie das bei Promotionen im Rigorosum, also einem Kolloquium zur Dissertation, üblich ist.
Andere Länder läuten bereits die Kehrtwende ein
Was den kritischen Umgang mit digitalisierter Bildung betrifft, hinkt Deutschland mal wieder hinterher. Während hier leidenschaftlich für eine Verwendung von „Handys“ im Unterricht geworben wird, haben die Holländer ein Handyverbot an den Schulen gestartet.
Wörtlich schreibt das Institut: „Die Annahme, dass die Digitalisierung die von der schwedischen Bildungsbehörde erwarteten positiven Effekte haben wird, ist nicht evidenzbasiert, d.h. nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhend.“ Und: „Die Forschung hat gezeigt, dass die Digitalisierung der Schulen große, negative Auswirkungen auf den Wissenserwerb der Schüler hat.“
Es geht um kritische und asketische Medienmündigkeit
Mündigkeit heißt spätestens seit Immanuel Kant: sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und nicht aus Bequemlichkeit anderen oder hier einer KI das Denken und Urteilen zu überlassen. Deshalb bedarf es großer Anstrengungen, den jungen Leuten zu helfen, Fakten von Fake News zu unterscheiden und vor allem gegenüber sozialen Medien skeptisch zu bleiben, weil die digitale Welt gerade auch zum Einfallstor für Polit-Propaganda geworden ist. Außerdem gehört dazu, dass die jungen Nutzer hinter die Bildschirmoberfläche schauen, und erkennen, wer zum Beispiel die Nutznießer der Computerisierung sind: die IT-Branche und die Sammler von persönlichen Daten wie Google, Amazon, Facebook usw. Junge Menschen nur im technischen, manuellen Umfang mit digitalen Medien zu instruieren, reicht absolut nicht.
Die derzeit amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Saarlands Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD, 44), wirbt in einem Interview mit der Rheinischen Post vom 20. Oktober zu Recht für eine fächerübergreifende Medienbildung an Schulen. Wörtlich sagt die Ministerin: „Das gleiche gilt für Tiktok. Jugendliche sollten reflektieren können, dass in sozialen Medien verbreitete Bilder, beispielsweise von Kriegsgeschehen, womöglich nicht echt sind.“
Ein unkritischer Einsatz neuer Informationstechniken provoziert ansonsten Kollateralschäden, die bislang unterschätzt wurden und die umso gravierender ausfallen, je früher dieser Einsatz in der Entwicklung der Kinder beginnt. Vor einem Einsatz des Computers im Kindergarten und in der Grundschule ist deshalb zu warnen. Warum? Weil neue Medien dauerhaft eine sprunghafte Wahrnehmung und die Haltung konditionieren, Lernen könne anstrengungslos ständig Spaß und Animation sein. Die Folgen sind Mängel im Konzentrationsvermögen und in der Ausdauerbereitschaft.
Sogar die sich in Bildungsfragen so progressiv gebende OECD, die für die PISA-Testerei verantwortlich ist, gab sich mal nachdenklich: „Wo Computer im Unterricht genutzt werden, sind ihre Auswirkungen auf die Leistung von Schülern bestenfalls gemischt.“ Länder, die viel in die Computerisierung des Unterrichts gesteckt haben, schneiden bei Vergleichstests nicht besser ab. Auch John Hattie, der Papst der Unterrichts- und Instruktionsforschung, stellte ab 2008 in seinen berühmten Metastudien „Visible Learning“ fest, dass webbasiertes Lernen eine ausgesprochen geringe Effektstärke aufweist.
Wir müssen uns jedenfalls vor der Illusion hüten, Jung und Alt bräuchten kein von EDV und KI unabhängiges Vorratswissen mehr. Wir sollten auch nicht glauben, es reiche aus zu wissen, wo man etwas „herunterladen“ oder mittels KI generieren kann. Nein, Bildung kann man sich nicht häppchenweise zusammendaddeln. Natürlich ist es wichtig zu wissen, wo man etwas findet und wie man mittels KI etwas generieren kann. Es irrt aber, wer meint, der Zugang zum „Netz“ sei selbst schon Wissen. Das Kopieren eines Buches ist ja auch nicht identisch mit dessen Verstehen. Ansonsten gilt für Computer, Internet und KI, was Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) von Büchern sagte: Es macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer. Mit anderen Worten: Das Ideal von den „digital natives“ kann auch dazu führen, dass viele junge Menschen zu digitalen Naivlingen werden.
Es gibt keinen digitalen Nürnberger Trichter
Im Jahr 1647 schrieb Georg Philipp Harsdörfer sein Lehrbuch „Poetischer Trichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst, ohne Behuf der lateinischen Sprache, in VI Stunden einzugießen“. Daraus ist – auf Kupferstichen sichtbar – der Nürnberger Trichter geworden. Heute scheint ein neues pädagogisches Trichterstudium angesagt: das des digitalen Nürnberger Trichters. Die Digitalisierung soll bereits in der Grundschule, wenn nicht schon in der KiTa, beginnen.
Nein! Es geht nicht ohne Bücher! Das Buch, in dem gelesen oder aus dem vorgelesen wird, wird schon deshalb das zentrale Medium bleiben müssen, weil es Wissen ohne Verfallsdatum und ohne permanente Aufkündbarkeit per Mausklick anbietet. Das Buch wäre auch das geeignete Rettungsboot in digitalisierter Sintflut.
Zudem wird der klassische Unterricht im Lehrer-Schüler-Gespräch auch zukünftig im Zentrum schulischen Lernens stehen (müssen). Es geht um vis-à-vis-Kommunikation, und es hat schon seinen Sinn, wenn ein Schüler – grimmig, staunend, gelangweilt oder ungläubig – in das Gesicht eines Lehrers und nicht in einen Bildschirm schaut. Der Lehrer weiß darauf zu reagieren, der Computer nicht. Ein sogenanntes elektronisches Klassenzimmer wäre jedenfalls ein verarmtes, steriles Klassenzimmer. In ihm gingen Information und Unterhaltung eine pädagogisch fragwürdige Allianz ein. Es würde damit etwas gefördert, was Günther Anders (1902 – 1992) lange vor der Digitalisierungswelle mit Blick auf das Fernsehen als das Dasein eines kollektiv vereinsamten, vereinzelten Massen-Eremiten bezeichnet hatte.
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Computer, Smartphone usw. sind die ultimativen Verblödungsmaschinen. Daher dürfen sie erst eingesetzt werden, wenn ein Mindestmaß an Arbeitssicherheit gewährleistet ist. Durch ein gewisses Grundwissen und Grundfertigkeiten in Sachen Bildung und Realitätswahrnehmung. Die heute erworbene Computerkompetenz ist morgen schon wertlos weil veraltet. Wer dabei am Ball bleiben will, wird zum Sklaven von immer neuen programmierten Anweisungen, Apps, Tools, Versionen usw. die er als User zu befolgen hat. Bereits ohne KI führt der Computer den Anwender, nicht etwa umgekehrt. Kreativität, kritisches Denken und Alltagskompetenzen bleiben auf der Strecke. Einen geschäftlichen Sachverhalt telefonisch klären – Fehlanzeige. Das würde ja erfordern strukturiert zu Denken… Mehr
Fragen sie mal die Eltern, die rund ums/im Silicon Valley beschäftigt sind, wie sie das handhaben mit Smartphones für ihre Kinder. Das sind die Menschen, die Bescheid wissen darüber was die ausufernde Beschäftigung mit Smartphones mit Kindern macht. Sie wissen das weil sie diejenigen sind, die sich die ganzen Sachen ausdenken.
Soweit ich mich erinnere gab es diesbezüglich bereits eine Befragung: Das Ergebnis war, dass diese Menschen die Smartphone-Nutzung für ihre Kinder, überwiegend sehr restriktiv handhaben.
Seit sich Manfred Spitzer als knallharter Impfapologet entpuppte hadere ich zwar sehr mit diesen Mann, aber sein 2012’er Buch „Digitale Demenz (Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen)“ ist zu diesen Thema wirklich sehr empfehlenswert.
Ich würde lieber zu Hause von einer KI unterrichtet werden als mich dem öffentlichen Schulbetrieb auszusetzen. Abgesehen von Öko-Sozialisten die mir die Welt auf links erklären wollen….auf dem Schulhof und in der Klasse der ständigen Gefahr durch „Kultur-Neulingen“ ausgesetzt zu sein…dann lieber zu Hause mit KI lernen….mir immer wieder ruhig erklären lassen wie was funktioniert….das wäre meiner Meinung für viele eine gute Alternative. Klar ist….so geht das soziale Miteinander flöten…..aber das ist in den meisten Schulen sowieso auf dem Nullpunkt. Insofern…..4 Tage Heimunterricht durch die KI….einen Tag Prüfungen und Kontrolle in der Schule…..Traumhaft….jedenfalls für Schüler die was lernen möchten und… Mehr
Ich würde den Schulen nicht die Anschaffung von teuren Tabletts empfehlen, sondern von richtig guten (Lehr)büchern für die Schulbibliothek. Dann sollen sich die Schüler ihre Antworten auf Fragen da heraus erarbeiten, und nicht einfach abschreiben, was Chatgpt fabuliert.
Leider kann ich dafür nur einmal ein „Daumen hoch“ vergeben!
Je weniger natürliche Intelligenz vorhanden ist, um so mehr wird von Künstlicher Intelligenz gefaselt. Mal abgesehen davon, das „KI“ das Ergebnis von recht viel Forschung und Programmierarbeit ist. Plus Fortschritte beim Bau der zugrunde liegenden Technik.
Es geht nicht nur um Digital Natives sondern auch um Schachclubs, Modellbau- und – eisenbahnclubs usw., verümmert alles…
Schon seit Jahren erleben wir im Bildungsbereich (bzw. bei der Beschulung) einen Trend hin zur Mechanisierung und Ökonomisierung. Durch die völlig naiv eingesetzten Medien wird dieser noch verstärkt und im Zeichen des Lehrermangels eine Blüte erleben. Die im Artikel erwähnte Erziehung zur „Mündigkeit“ ist längst aus dem Blick geraten, denn eine anspruchsvolle pädagogische Reflexion findet überhaupt nicht mehr statt, Hauptsache „irgendwie digital“.
Die Digitalisierung in den Schulen wird leider seit rund zwanzig Jahren viel zu oft vor allem als Technisierung betrieben, bei der die Klassenräume und Schultaschen mit Geräten vollgestopft und die kreativen Lernpotenziale (Recherche, Gestaltung) zu wenig ausgeschöpft werden. Die KI hat die Schulen und Verwaltungen allerdings eher “kalt erwischt”, wird also nach meiner Wahrnehmung eher geduldet und nur zögerlich eingesetzt. Die KI pflügt das Schulsystem und seine Aufgabenformate (Schreiben, Präsentieren, häusliches Üben) nämlich so stark um, dass schon eine schlichte Hausaufgabe im Stile von “Fasse den Text und seine Kernaussagen strukturiert zusammen” gar nicht mehr gestellt werden kann, weil ChatGPT… Mehr
Als Lehrer muss ich selbst didaktisch-methodische Entscheidungen treffen, wie meine Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern sind. Wer sich nurmehr auf Kopiervorlagen oder digital aufbereitete Angebote der Verlage stützt, outsourct seine originäre Lehrerkontrolle über die individuellen Lernprozesse und stellt sich damit didaktisch in Frage. Hinzu kommt, dass die klassische Schulaufsicht heute von der Politik abgelehnt wird und somit weder kenntnisfördernd noch prozessoptimierend in den Bildungsbereich hineinzuwirken vermag. Die Schulverwaltung operiert deshalb nur noch auf der Verwaltungsebene aber eben nicht mehr pädagogisch und bildungswirksam. Deshalb darf es einen nicht verwundern, wenn Bundesländer, die einmal hoch angesehene Bildungsleistungen vorweisen konnten, immer weiter… Mehr
Sollten Sie Lehrer sein, können Sie mir vielleicht die Frage beantworten, warum es die Mehrzahl von Schüler, also die Schüler (womit ALLE, egal welchen Geschlechts gemeint sind!) nicht mehr gibt!? Ich habs bis jetzt noch nicht verstanden!
Ich möchte Sie einladen, an der nächsten Schulleiterdienstbesprechung (ich bin Schulleiter) teilzunehmen, wenn es mal wieder um „Geschlechtergerechtigkeit“ geht. Das ist unerträglich.
Ich habe in meinem Hause das Gendern schlicht verboten, keine Sternchen, keine Sprechpausen und das generische Maskulinum gibt es auch noch.
Die jungen Lehrer werden heute an den Unis und in den Seminaren leider viel zu sehr „auf Linie“ gebracht, am Ende geht es um Bestehen oder nicht. Ganz schlimm…