Das ist nicht das Motto einer Radikalkampagne gegen die CDU, sondern ein neuer Slogan aus dem chinesischen Alltag. Seit kurzem auf großen Plakaten an fast jeder Straßenkreuzung im ganzen Lande zu lesen.
Was als Provinzkampagne schon Ende 2018 begann, ist nun nationale Aufgabe in ganz China. So sauber wie die chinesischen Städte und Straßen in den letzten Jahren wurden, soll nun auch die Gesellschaft werden. Die Parallelgesellschaften des Untergrunds, welche den chinesischen Staat im Laufe seiner langen Geschichte immer wieder unterlaufen haben, in der Vergangenheit ganze Städte wie Shanghai oder Hongkong kontrollierten, sollen endgültig selbst Vergangenheit werden. Eine weitere Facette des chinesischen Kontrollstaats, passend zum Sozialkreditsystem, zur Datendiktatur.
Wer gern falsch parkt, wird sich spätestens überlegen, sein Verhalten zu ändern, wenn er an einer der vielen Polizeikontrollstellen an den Autobahnmautstellen des Landes angehalten wird und plötzlich ohne Papiere, Schlüssel und Fahrzeug dasteht. Der Grund: Für solche „Bagatellen“ wie Falschparken gibt es bereits einen Punkt und davon hat man 12 im Jahr zu Verfügung. Sind die schneller „aufgebraucht“, als das Jahr vorbei ist, dann verliert man seinen Führerschein und muss sich erneut der theoretischen Führerscheinprüfung unterziehen. Kameras machen es möglich, dass man gar nicht merkt, wenn man einen Punkt bekommt. Eine Minute länger geparkt als erlaubt – schon ist einer weg.
Null Toleranz, Härte, Kompromisslosigkeit. Den besseren Menschen und Verkehrsteilnehmer erziehen, zum Wohle eines sicheren Staates. Datendiktatur und Kontrolle total. An der Oberfläche scheint das Wirklichkeit, was wir schon lange aus den Berichten und Büchern deutscher Journalisten wissen.
Aus der neuen Strenge des chinesischen Kontrollstaates, seinen Überwachungskameras und Computerdatenbanken hat sich eine florierende Dienstleistungsbranche entwickelt, die gegen eine gar nicht so teure Zahlung von Servicegebühren hilft, deine Probleme zu lösen. Das beginnt schon mit manch einem erstaunlich freundlichen und menschlichen Polizisten am Schalter für die Bezahlung von Strafzetteln: „Denken Sie daran, wenn Sie heute schon zahlen, dann bekommen Sie dafür drei Punkte von Ihrem Guthabenkonto abgezogen. Dann sind Sie vorzeitig ihren Führerschein los“ mahnt mich eine lächelnde Polizistin, als ich meinen jüngsten Strafzettel bezahlen möchte. Der Grund: Ich hatte übersehen, rechtzeitig zum TÜV zu fahren. Laut Vorschrift kann mein Auto damit sofort stillgelegt und eingezogen werden. Die Dame rät: „Zahlen Sie erst an dem Tag, an dem Sie wieder neue Punkte für das nächste Jahr bekommen, also kommen Sie am besten erst in ein paar Tagen wieder.“ Dieser wichtige Tipp war ganz kostenlos und auch legal. Schließlich habe ich laut Protokoll 15 Tage Zeit, meine Strafe zu bezahlen. Ich nicke, verlasse dankbar das Revier und werde schon am Ausgang von einem Mann mittleren Alters angesprochen, der mir seine Karte in die Hand drückt. „Rufen Sie mich an“ sagt er, „ich lösche Ihnen gegen Gebühr Ihre Strafpunkte, bringe Ihren Wagen durch den TÜV und checke, ob Sie eine Inspektion brauchen.“ Jeder Service hat seinen Preis – doch mit rund 150 EUR für das „Rundum wieder Sorglos-Komplettpaket“ wäre ich alle meine Probleme los, der Wagen wieder fahrbereit für das nächste Jahr.
Staatliche Restriktionen, die wir im Westen als Einschränkungen unserer persönlichen Freiheit empfinden, begreifen viele Chinesen als Chance für neue Geschäftsideen. Wichtig und wertvoll für Chinas Wirtschaft – gerade, wenn es mit den Wachstumszahlen nach unten geht. Die Kreativität der Grauzone scheint unerschöpflich, und ich werde wieder erinnert an einen Satz, den man mir als junger Student vor 25 Jahren hier mitgab: „Wir Chinesen sind schlau – vergiss das nicht.“ Schläue bedeutet hier, Wege und Lösungen im Alltag für das zu finden, was die Staatsmacht einem abverlangt. Das war schon immer so – nicht erst in Zeiten Xi Jinpings.
Marcus Hernig, Die Renaissance der Seidenstraße. Der Weg des chinesischen Drachens ins Herz Europas. Edition Tichys Einblick, 256 Seiten, 22,99 €.
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Eine abgefahren phantastische Idee. Der brutale Unrechtsstaat sorgt für unerträgliche Repression und die Bevölkerungsgruppe der aalglatten Mitäufer macht daraus ein Geschäftsmodell??!!?? **
Ich sehe das Problem nicht. China besitzt eine andere Kultur als der Westen und löst seine Probleme deshalb auch anders. Natürlich erscheint uns dieses System als fremd, aber wir sind eben auch eine hyper-individualistische Gesellschaft.
Naja, das hörts sich ja bald an, als wenn hier nicht China, sondern Nordkorea beschrieben wird. Man sollte bei allem nicht vergessen, allein die Großstädte betrachtet, ist ein enormer organisatorischer, struktureller und natürlich auch polizeilicher Aufwand notwendig, damit Sicherheit, Ordnung und ein normaler Ablauf möglich sind. Man vergleiche Peking mit dem Chaos auf allen Ebenen in Berlin, Rom oder südamerikanischen Millionenstädten, um jetzt nur einie aufzuzählen. Wer jedenfalls mal die Gelegenheit hatte China zu besuchen, der kann nur staunen, wie weit man dort schon ist und wie praktisch uneinholbar Deutschland technisch, infrastrukturell und organisatorisch zurückliegt und wie Staatswesen und die… Mehr
Als ich das letzte Mal in China lebte – 2008, in einer südchinesischen Metropole – da haben mir junge, deutsche Praktikantinnen der dort ansässigen deutschen Firmen begeistert davon erzählt, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben sich sicher fühlen, wenn sie abends und alleine in einer Großstadt unterwegs sind. Das war sieben Jahre vor 2015, wohlgemerkt. An diese jungen Frauen denke ich oft, wenn ich schon wieder von einem erstochenen, vergewaltigten deutschen Mädchen hierzulande lese.
Übrigens: Der Polizeistaat China hat nur halb so viele Polizisten pro Einwohner wie die BRD? Ist das korrekt?
„……….und ich werde wieder erinnert an einen Satz, den man mir als junger Student vor 25 Jahren hier mitgab: „Wir Chinesen sind schlau – vergiss das nicht.“ Diesen Spruch gab man Ihnen als jungem Studenten mit auf den Weg, Herr Hernig. Darüber hinaus dürfte Ihnen vielleicht der ihm innewohnende Rat eines guten alten, hierzulande einmal gängigen Sprichwortes für zukünftige Berichterstattungen weiterhelfen, nämlich zuvörderst vor der eigenen Haustür zu fegen. Die Chinesen schaffen ihren Kehricht im Gegensatz zu uns – wie Sie ja berichten – offenbar geschickt selbst fort. Helfen Sie dabei, die hiesigen Bürger zu Selbigem zu motivieren.
„Zaubern“ können Chinesen auch nicht. Es gibt Grenzen des Möglichen und schon viele Chinesen haben sich beruflich, finanzielle óder familiär ruiniert.
Besonders die junge Generation ist nicht mehr unbeschränkt dazu bereit, diese Knochenmühle kritiklos zu ertragen.
Echt schlimm was in China so abgeht.
Für uns in Deutschland gilt dann eher das leicht abgewandelte Bonmot:“Ich lehne ab was die Miris, Mongols, Nachwölfe, IS, PKK, Muslimbrüder etc alles so treiben in meinem Land, aber ich würde mein Leben dafür geben dass sie dies weiterhin völlig unbehelligt tun können“.
Staatliches Gewaltmonopol ist so Oldschool, so populistisch angehaucht, und haben wir nicht alle diese gewisse Sehnsucht nach aufregenden Zeiten mit dynamisch ausgehandeltem Zusammenleben wie zum Beispiel während des 30 jährigen Krieges, als es auf deutschem Boden schon mal voll krass abging?
Für einige dieser Dinge hätte ich durchaus Sympathie. Zum Beispiel der Umgang mit Falschparkern, ich bin begeistert. Ich denke auch, dass in China Santitäter, Feuerwehrleute und Polizisten eher wenig tätlich angegriffen und bespuckt werden. Oder nur ein Mal.
Das Einzige was Gutes aus China kommt, ist Peking-Ente…!
Der Mensch tut das, was er am besten kann, er paßt sich an. Wird er zum Untertanen gepresst, schlägt er dem Staat ein Schnippchen wo er nur kann. Nimmt man ihn als Staatsbürger ernst, übernimmt er Verantwortung für und identifiziert sich mit dem Staat.
Ein kluges Staatswesen wird immer versuchen eine Balance zu finden und Maß zu halten.
Allerdings ist letzteres dasjenige, was der Mensch am wenigsten kann.
(Abgesehen vom Bayern vielleicht, aber der hat ja auch Übung beim Halten dera Maß.)
Wer seine Staatsbürger zu Sklaven macht, der muss damit rechnen, dass eines Tages ein Spartakus das Schwert in die Hand nimmt.
Ja, ein Spartacus wohl – aber ein Michael ?