Zu einer Begegnung der Kanzlerin Merkel mit Präsident Trump wird es wohl nicht kommen. Vielleicht sind beide im Herbst schon Vergangenheit.
Lieber Roland Tichy,
eine bemerkenswerte Woche liegt hinter uns. Die beiden derzeit faszinierendsten Politiker hatten jeweils einen großen Auftritt. Beide lieferten tiefe Einblicke in ihre Persönlichkeit. Es fällt auf, dass sich nach dem letzten Auftritt Merkels bei Anne Will die Berichterstattung der Medien von den politischen Fakten löste. Die Kommentare waren überwiegend psychologische Studien. So ist es auch bei Trump.
Wer Merkel liebt, lehnt Donald Trump meist ab. Und umgekehrt. Die Republikaner in Amerika werden von Trampel Trump aufgeschreckt und die Demokraten in Deutschland von Angela Hier-stehe-ich-und-kann-nicht-anders. Die Gründe sind verblüffender Weise gar nicht so verschieden. Das glauben Sie nicht? Sind die beiden nicht wie Höllenfeuer und Weihwasser?
I.
Ich weiß schon, dass nicht alles, was hinkt, ein Vergleich ist. Beide sind unvergleichlich. Sie hat die Moral gepachtet – ihm ist sie schnurz. Er fordert ein Einreiseverbot für Muslime, sie findet, der Islam gehöre zu Deutschland. Er prophezeit Deutschland ein Desaster, sie sagt, alles wird gut. Er hält sie für die Frau, die Deutschland ruiniert. Sie ihn vermutlich für den Mann, der die USA ruinieren würde. Er hat keine Zeit für political correctness. Sie hat sich noch nie bei einer Unkorrektheit erwischen lassen. Vielleicht der größte Unterschied: Er bedient die Ängste seiner Wähler. Sie geht über die Ängste vieler Wähler hinweg. Sie hat zehn Jahre lang Kanzler gelernt, er ist gänzlich unerfahren, und darauf auch noch stolz. Und so weiter. Aber da ist auch eine Menge, die beide verbindet. Die Pole sind ein seltsames Paar. Ob Sie es glauben oder nicht.
II.
Beide scheren sich nicht darum, was ihre Parteien sagen. Ihre jeweiligen Parteien verblassen hinter Merkel und Trump. Merkel hat die vergangenen Wahlen mit nichts als der Aussage gewonnen: Wählt mich, da wisst ihr, was ihr habt. Hat es jemals eine größere Wählertäuschung gegeben? Wir kennen sie nicht mehr wieder. Trumps Programm ist Trump. Er will Präsidentschaftskandidat werden mit nichts als seinem Image. Er wettert gegen das Establishment in Washington. Angela Merkel gehört zwar zum Establishment, agiert aber im Grunde nicht viel anders. Sie lässt ihr Herz schlagen und handelt wider die politische Rationalität aller anderen europäischen Regierungen. Sie ignoriert bisher gültige Maßstäbe von Recht und demokratischer Ordnung. Sie entscheidet erst, ehe sie parlamentarische Debatten führt. Merkel und Trump verletzten auf jeweils eigene Art die bestehenden Regeln.
III.
Habe ich mich verhört, oder ist tatsächlich das Personalpronomen ICH zum zentralen Wort der beiden avanciert? Beide setzen ganz auf Emotionen. Vorausgesetzt, Trump glaubt, was er sagt, lebt er in einer eigenen Wirklichkeit. Genau wie die Kanzlerin. Sie blendet Teile der Realität aus. Beide lassen sich von Fakten nicht belehren. Sie tragen ein geradezu wahnhaftes Bild von der Welt mit sich herum. Sie halten an Überzeugungen trotz deren Unvereinbarkeit mit der Realität fest. Vielmehr gehen sie davon aus, dass sich die Realität ihrer eigenen Wahrnehmung anpassen wird. Sie folgen allein ihrer subjektiven Gewissheit. Selbst Erfahrung kann sie nicht korrigieren. Dies ist (nach Karl Jaspers) die klassische Definitionen von Wahn. Sie irren nicht. Also brauchen sie auch keinen Plan B (sie) oder überhaupt einen Plan (er).
Und noch etwas. Beide unterscheidet von den meisten anderen Politikern, dass sie so sind, wie sie sind. Sie wirken vollkommen authentisch. Sie behauptet, die Lage sei so komplex, dass eben kein anderer den Durchblick behält. Sie habe alles durchdacht. Er behauptet, im Grunde sei alles ganz einfach. Das Ergebnis ist das gleiche. Beide halten sich für überlegene Besserwisser und für alternativlos. Die Großspurigkeit Trumps und die Unbeirrbarkeit Merkels sind nicht so weit auseinander, wie man glauben mag. Beide haben einen festen Glauben. Ihre Religion ist das, was sie für Vernunft hält. Seine Religion ist ein Amerika, wie es nie war und nie sein wird. Beide haben ihr „pursuit of happiness“ erfüllt. Genau das macht sie so selbstsicher. Sie haben in der Tat Unglaubliches geschafft. Mehr können sie nicht schaffen. Es ist für die Wähler allerdings egal, ob man/sie glaubt, im Auftrag der Geschichte oder nur im Auftrag des eigenen Egos unterwegs zu sein.
IV.
Beide polarisieren. Beide haben die Gesellschaft zwar nicht gespalten, tun aber auch nichts, sie wieder zusammenzuführen. Beide lehnen Kompromisse ab. Beide werfen ein Schlaglicht auf den Zustand der Demokratie in ihren Ländern. In diesen Ländern herrscht offenbar eine Sehnsucht nach Autorität, nach Führung, nach einer starken Hand. Merkel erfüllt diese Sehnsucht um so mehr, als sie rhetorisch nicht bis zu den Zähnen bewaffnet erscheint. Ihr Machtbewußtsein kommt harmlos daher. Beide bereiten einer wachsenden Zahl von Wählern Sorgen. Beide sind ernst zu nehmende politische Risiken.
V.
Man stelle sich vor: Merkel würde in Amerika gegen Trump kandidieren oder Trump in Germany gegen Merkel? Er müsste erst einmal eine Partei gründen, aber auch bei uns kaum Geld ausgeben. Für seine Popularität würden allein die Medien sorgen. Trump hebt die Einschaltquoten. Die Merkelsche Mischung aus Mütterlichkeit und Unerbittlichkeit käme auch in Amerika zunächst gut an – als Kontrastprogramm. Hätte sie gegen Trump bessere Chancen als Hillary Clinton? Eher nicht.
Weil Merkels Politik auf wachsenden Widerstand stößt, schwenken allmählich auch die Medien um. Sie wollen schließlich Zuschauern und Lesern gefallen. Frau Merkel will auch gefallen, aber offenbar nur noch den Anhängern der Grünen, der SPD und der Linken. So hat sie es immer gemacht. Am Ende schadet sie damit der eigenen Partei am meisten.
Zu einer Begegnung der Kanzlerin Merkel mit Präsident Trump wird es wohl nicht kommen. Vielleicht sind beide im Herbst schon Vergangenheit.
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