KI – und ihr unheiliger Geist

Wie Kernspaltung oder Gentechnik kann KI Segen sein oder Fluch. Menschen entscheiden, ob Erfindungskraft dem Guten oder Bösen dient. Gewiss ist nur, dass das einmal Gedachte nicht mehr zurückgenommen werden kann. Vorschläge, die KI-Entwicklung vorübergehend auszusetzen, sind naiv und nutzlos. Der Geist ist für immer aus der Flasche.

Mit der künstlichen Intelligenz beginnt eine neue Epoche der Menschheit. In der gegenwärtigen Debatte um KI ist allerdings vor lauter Bäumen der Wald nicht zu sehen.

I.

Ja, es geht auch um Arbeit, die KI dem Menschen abnehmen wird, in vielen Berufen, die bisher als ungefährdet galten, weil sie hochwertige Bildung und Gedankenarbeit verlangten. Ob Programmierer, Juristen, Journalisten, Rechtsanwälte am Ende eher entlastet oder entlassen werden, steht noch nicht fest. Ihre Tätigkeit wird sich jedenfalls stark verändern. Ob KI hilft, den Fachkräftemangel zu kompensieren – ist nicht mehr als eine vage Hoffnung. Wärmepumpen werden nicht von Robotern installiert.

II.

Ja, es geht auch um die Gefahr der Manipulierbarkeit, wenn intelligente Rechner Informationen und Bilder produzieren und am Ende niemand weiß, wer dahinter steckt und damit welchen Zweck verfolgt. Die grünen Fortschrittsverächter beißen sich fest an diesen und anderen Gefahren. Missbraucht werden kann jede Technologie. Wie auch die Kernspaltung oder Gentechnik kann KI Segen sein oder Fluch. Menschen entscheiden darüber, ob Erfindungskraft dem Guten oder Bösen dient. Gewiss ist nur, dass das einmal Gedachte nicht mehr zurückgenommen werden kann. Vorschläge, die KI-Entwicklung vorübergehend auszusetzen, sind naiv und nutzlos. Der Geist ist für immer aus der Flasche.

III.

KI wird die Menschheit dazu befähigen, den wissenschaftlich-technischen Fortschritt in neue Dimensionen zu führen. Ob es um individualisierte Arznei, um effektivere Landwirtschaft oder Energieversorgung geht: KI wird wesentlich dazu beitragen, die Versorgung und Überlebensfähigkeit von bald zehn Milliarden Menschen zu verbessern. Davor muss sich niemand fürchten.

IV.

KI ist weit mehr aber als nur eine Weiterentwicklung der Computertechnologie. Sie ist der Anfang einer zweiten Evolution. Für die erste Evolution, die Entwicklung des Lebens vom Einzeller bis zum Menschen, ist die Natur verantwortlich – wenn man so will: die Schöpfung. Doch nun geschieht etwas anderes. Kein Naturgesetz, kein Gott, sondern der Mensch hat die zweite, anorganische Evolution in Gang gesetzt. Indem Computer aus eigener Kraft und Vollkommenheit lernen, Intelligenz entwickeln, Wissen und kognitive Fähigkeiten des Menschen übertreffen, beginnt KI, sich der Macht des Menschen zu entziehen. Der Mensch kann künstliche Intelligenz nur mit Hilfe künstlicher Intelligenz weiterentwickeln. In welche Richtung und zu welchem Zweck? Bleibt wenigstens diese Entscheidung in Menschenhand? Oder entwickelt die KI am Ende selbstdenkende, selbstentscheidende Existenzen?

V.

Dabei tauchen Fragen auf wie die, ob KI fähig zu Emotionen sein wird. Oder ob sie vollkommen frei von Gefühlen und Interessen selbsttätig über Leben und Tod von Menschen entscheiden wird. Im Krieg bei der Steuerung intelligenter Waffen. In der Medizin. Und werden Menschen noch der Souverän demokratischer Länder sein, wenn zunehmend KI die Staaten managt, oder schlimmer noch, menschliche Regime dazu befähigt, die Bevölkerung porentief zu durchleuchten und zu überwachen? KI ist die größte Gefahr der Freiheit. Aber missbraucht wird sie von Menschen. Vorläufig noch.

VI.

Der Mensch als Schöpfer – dessen Schöpfung ihm über den Kopf wächst. Das ist nicht nur ein Triumph, sondern zugleich auch eine Demütigung. Mit dieser neuen Erfahrung muss der Mensch lernen umzugehen. Er darf sich fast alles abnehmen lassen, nur nicht die Freiheit. Er muss die Fähigkeit behalten, der KI Grenzen zu setzen. Bildung erhält in diesem Kontext eine ganz neue Bedeutung. Wenn KI Wissen überflüssig macht, ungleich besser rechnen und kombinieren kann, kommt es umso mehr darauf an, dass der Mensch denkfähig bleibt und nicht den Weg der bequemen Verblödung folgt. Als Schöpfer trägt der Mensch noch mehr Verantwortung. Er darf sich der grenzenlosen technischen Machbarkeit nicht ausliefern. Es ist eine Frage der Macht über sich selbst. Der Mensch muss, sagen wir es so, den Geist bestimmen, der über der Welt weht. Zu Pfingsten sollte man sich dessen entsinnen.

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Kommentare ( 67 )

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Monostatos
1 Jahr her

Das Diktum der Unterhaltungen zwischen Topmanagern „Wo lassen Sie denken?“ wird nun durch „Womit lassen Sie denken?“ ersetzt. Ich habe noch keinen Beleg gefunden, dass durch KI plötzlich Erfindungsreichtum kommt und damit kreative, neuartige Lösungen in Aussicht stehen. Vielmehr besitzt die sogenannte künstliche Intelligenz die Fähigkeit, sehr große Datenmengen fehlerfrei in Modellen und Algorithmen zu verarbeiten. Diese Modelle beruhen aber stets auf historischen Daten. Wie soll daraus etwas genuin Neues entstehen?
Ich bin sicher, dass eine KI im
Zeitalter der Dinosaurier niemals einen Archäopteryx hätte ersinnen können.

Thorsten Lehr
1 Jahr her

? Ich besitze einen Roboter, der mit KI ausgerüstet meinen Rasen mäht. Es ist recht faszinierend zu beobachten, wie das Gerät lernt, aber er scheitert auch regelmäßig an eigentlich banalen Aufgabenstellungen wie z.B. dem Mähen in Bahnen oder von Kanten. ? Die Erkennung von plötzlich auftretenden Hindernissen funktioniert perfekt und diese werden auch tatsächlich von der KI ‚erkannt‘ und nicht von Radarsensoren. Wenn ich mir das System in der Gesamtheit anschaue sind Ansätze vorhanden, aber von wirklicher KI ist es noch weit entfernt. ? Aber immerhin, dieser kleine Robot ist der natürlichen Intelligenz unserer sog. ‚Regierung‘ weit überlegen. ? Schließlich… Mehr

Mausi
1 Jahr her

Der Geist ist genauso aus der Flasche, wie genverändertes Virenmaterial oder Atomkraft als Waffe.
Leider ist unser Bildungssystem so schlecht, dass viele nicht erkennen, dass der Futtermeister die Richtung der KI vorgibt. So wie die zugrundeliegenden Annahmen die Berechnung des „Klimawandels“ bestimmen.
Das Futter bestimmt die Richtung. Im Bildungssystem und bei der KI.

Last edited 1 Jahr her by Mausi
Klartexter
1 Jahr her

Der 3D Drucker druckt ganze Motorroller, Autos fahren autonom sicher, ki denkt.
Alles bullshit von Bullshittern unreflektiert verbreitet, Volksverdummung.

Last edited 1 Jahr her by Klartexter
chino15
1 Jahr her
Antworten an  Klartexter

Stimmt. Solange Ämter hierzulande auf Papier und Fax vertrauen, unsere Praxis-IT regelmäßig abstürzt und der Mobilfunk-Empfang bei uns auf dem Dorf reine Glückssache ist, sehe ich die Bedrohung der Totalüberwachung eher gelassen. Bei uns in der DDR hat die Stasi auch alle möglichen Daten gesammelt (zugegeben: mit altertümlichen Methoden), aber es hat sie nicht vor dem Zusammenbruch bewahrt. Heute gibt es zwar ein Vielfaches mehr an Daten, aber die Kontrolle darüber ist auch nicht besser als vorher.

Autochthon
1 Jahr her

Einfach den Rechner abschalten. Dann wird man sehen, wie intelligent KI ist.

Fragen hilft
1 Jahr her

Deutschlandfunk. „Lügen wird gesellschaftsfähig“ Von Martin Hubert | 02.12.2010Als ich das hörte, bekam meine Rest-Naivität einen weiteren erheblichen Knacks. Wegen der unumwundenen öffentlichen Diskussion.
Aktuell, Herr Herles überlege ich, wie Ihr Text entstanden ist. Nicht, dass ich zynisch oder beleidigend sein will. Mir fehlen langsam die Werkzeuge um Ehrbarkeit zu erkennen.
Klar, bei Relotius und Co brauche ich sowas nicht mehr. Aber, wie ist das mit denen, denen ich bisher vertraute.

verblichene Rose
1 Jahr her

Das Problem mit der KI ist, dass Menschen glauben, ihr etwas überlassen zu dürfen. Nun, mein Auto macht sehr viele Dinge, wofür ich sehr dankbar bin. Aber ich verlasse mich nicht darauf! Mein Auto piept und bremst, es „sagt“ mir also Dinge, die ich im Moment nicht wahr nehme und es kann sogar (leidlich) autark einparken. Aber NOCH bin ich der Kapitän in meinem Wagen. Und OBWOHL mein Wagen mir manchmal mit Piepsen, Bremsen und sämtlichen anderem Geheul weis machen möchte, dass er mehr als der erste Steuermann ist weiss ich, dass er VON MIR GEFAHREN WIRD! Eines noch: Ich… Mehr

H. Priess
1 Jahr her

Ich persönlich scheitere schon an dem Wort Intelligenz und was das sein soll. Ja ich weiß, der Mensch hat ein Ego, er kann selbstbestimmt handeln, so wird gesagt, was ich selber bezweifle. Er kann seine Umwelt aktiv und bewußt verändern, was allerdings oft nicht zu seinem Vorteil geschieht usw.usf. Jetzt also eine KI? Durch elektrische Energie werden Stromkreise eingeschaltet oder nicht, das Prinzip wird höchstens bei Quantencomputern anders sein aber auch da ist das eine Frage der Energiezufuhr. Intelligenz ist das nicht nur eine abfolge von Logarithmen die den Zusammenhang mit Wörten, Texten oder Abhandlungen neu verknüpft. Intelligenz hat die… Mehr

verblichene Rose
1 Jahr her
Antworten an  H. Priess

Habe heute einen Beitrag bei Servus TV in der Mediathek gesehen, welcher sich „Klartext“ nennt. Es ging um Ernährung. Ich muss zugeben, dass mich die „Kontrahentin“ ziemlich beeindruckt hat, welche eine vegane Ernährung befürwortet. Meine Intelligenz lies ich mir dennoch nicht beleidigen, denn schon der Moderator vergass zu fragen, was ob der Antworten eigentlich durch ihren Kopf gehen würde, wenn sie sieht, dass z.B. ein Löwe in der Savanne einen jungen Springbock zerfleischt, um sich zu sättigen. Noch etwas: Es ging um die Frage, ob Pflanzen eine Seele haben und ob man dann eigentlich Pflanzen „essen“ dürfte? Die Antwort: Das… Mehr

Janosik
1 Jahr her
Antworten an  H. Priess

Intelligenz ist hier nicht so relevant wie das Bewusstsein. Das zu verstehen sind wir wohl noch weiter entfernt als das im Fall der Intelligenz ist. Es gibt Vernutungen dass es tatsächlich etwas mit den Quanten zu tun hat, das macht die Sache gar nicht einfacher, in Gegenteil, man diskutiert ja wie man Quantentheorie interpretieren soll und eine klare, für alle akzeptable Antwort ist nicht bekannt. Das ändert nichts daran, dass man eine KI bauen will. Man baut dabei eher eine Simulation oder eine Stütze – irgendwann kann diese Simulation wundervolle Dinge tun. Kriegen unsere heutige Herrscher die in die Hände,… Mehr

Nibelung
1 Jahr her

Der Top KI-Entwickler bei Google namens Hinton hat das Unternehmen verlassen und laut und deutlich vor der Gefahr der künstlichen Intelligenz gewarnt, wenn sie in unsachgemäße Hände fällt. Nun sollte man diese Aussage sehr ernst nehmen, wie damals bei der Wasserstoffbombe, die von einigen auch als Katastrophe vorhergesehen wurde, was nun eingetreten ist und wie ein Damoklesschwert über uns hängt, dem sich im Prinzip niemand entziehen kann. Jeder Forschungsdrang ist an sich nicht grundsätzlich verdammenswürdig, wenn es aber zur Gefahr für die Allgemeinheit werden kan und der Schaden den Nutzen aufheben kann, dann müßten vorher entsprechende Gesetze greifen, die von… Mehr

Johann Thiel
1 Jahr her

Gäbe es künstliche Intelligenz, würde diese sich wohl kaum dem Menschen zu Verfügung stellen.