Der Rest von nichts kommt jetzt – Nachrichten aus dem Zauberschloss

Auf Meseberg gab's Knacker und Buletten. Sie waren nicht vom ZDF. Der metaphorische Zusammenhang ist ein anderer. Du kannst in diesem Land mühelos mit Schlachtresten Preise und Wahlen gewinnen.

Als „Zauberschloss“ hat Theodor Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg das Barockschlösschen bezeichnet, das mittlerweile der Bundesregierung hin und wieder zu Kabinettsklausuren dient. Auf seltsame Weise bekommt der Dichter nun Recht. Es ist doch noch geschehen, dass einem verspäteten, missvergnüglichem Anfang ein Zauber innewohnt. Und was für einer! Zauberschloss Meseberg sei Dank.

I.

Wenn denn Angela Merkel einstmals in die Geschichte eingegangen sein wird, dann als große Sprachzauberin. Es ist ihre Poesie, die die Leere füllt, mehr noch, die die Leere selbst in Poesie verwandelt. Wir erfahren von AM, was in Meseberg alles nicht geschehen ist. Es wurden keine Beschlüsse gefasst. Man hat nicht das Arbeitsprogramm der Regierung diskutiert. Und für das Nichtstattgefundene hat sie uns einen neuen, bezaubernden Begriff geschenkt: „Vorhabenplanung.“

II.

Wer plant, hat etwas vor. Wer etwas vorhat, plant bereits. Der weiße Schimmel beißt sich in den eigenen Schwanz. AM hat nicht einfach etwas vor, sie hat sogar vor, argwöhnen wir, zu regieren. Allerdings blieb dafür auf Meseberg keine Zeit. Wie zuversichtlich wir uns dennoch auf das Regieren der Regierung einstellen können, ist mühelos AMs auf Meseberg geäußertem Satz zu entnehmen: „Die Atmosphäre war dergestalt, dass wir sagen können, dass alle entschlossen sind, sich den Aufgaben, die sich aus dem Koalitionsvertrag ergeben, auch zu stellen.“ Nein, das ist nicht absurdes Theater, es ist höchste Regierungskunst der beliebtesten Bundeskanzlerin aller Zeiten.

III.

Wenn nichts geschehen ist auf Schloss Meseberg, was ist dann geschehen? Es hat „einen wirklich gut ausgeprägten Willen zur Zusammenarbeit“ gegeben. Darauf wären wir von allein nicht gekommen, zumal es alles andere als selbstverständlich ist, dass sich die Regierungsmitglieder tatsächlich noch „kennenlernen“ müssen, um „Arbeitsfähigkeit herzustellen“ (AM). Merkel musste nicht weg. Sie blieb sogar bis 1 Uhr 30. Noch zwei Stunden länger blieb Spahn. Man weiß, dass Ausdauer und Trinkfestigkeit Eingangsvorraussetzungen zur Staatsführung sind. Nun wird auch der von AM geäußerte Satz verständlich: „Da bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes.“

IV.

Merkels Poesie der Leere ist nicht zu verwechseln mit Scholzens minimalistischem Strukturalismus. Dessen Satz „Der Rest kommt jetzt“ ist ein viersilbiges Epos von entwaffnend verrätselter Klarheit. Wir fragen natürlich: Welcher Rest von was? Doch diese Frage ist falsch gestellt. Da noch nichts geschehen ist, ist auch der Rest von nichts nichts. Wieder falsch: Der Rest ist alles, oder auch: alles ist Rest. Damit kommt diese Regierung bei sich selbst an. Und zwar jetzt. Es ist alles nichts. Oder vielmehr: Das Nichts ist auch schon alles.

V.

Sowohl die Poesie Merkels wie auch Scholzens Minimalismus zählen zur Gattung der Nonsensliteratur. Sagen Sie jetzt bitte nicht, sie sei Unsinn. Nonsensliteratur zeichnet sich durch eine regelhaft betriebene Sinnverweigerung aus; sie installiert oder simuliert einen tieferen Sinn. Auch Nonsenspolitik weicht von den Grundsätzen der gewohnten Wirklichkeit ab. Sie konfrontiert die Sinnerwartung des Wählers jedoch mit Sachverhalten, die im Rahmen der Nonsenenspolitik (siehe auch: Merkelismus) durchaus stimmig sind.

VI.

Just an diesem Tag von Meseberg landete das ZDF-Magazin Frontal einen außerordentlichen Scoop. Den Kollegen war es gelungen, für eine aus Schlachtresten und Wasser produzierte Wurst den silbernen Preis der DLG zu erringen. Auf Meseberg gab es Knacker und Buletten. Um Missverständnisse zu vermeiden: Sie waren nicht vom ZDF. Der metaphorische Zusammenhang ist ein anderer. Du kannst in diesem Land mühelos mit Schlachtresten Preise und Wahlen gewinnen.

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Kommentare ( 82 )

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82 Comments
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Alf
6 Jahre her

ja, man soll nicht hudeln .
..soziologischen Philosophie der Löcher: …heißt richtig soziologische Psychologie der Löcher….
http://gutenberg.spiegel.de/buch/16-satiren-7810/6
ich gelobe Besserung

Alf
6 Jahre her

Wie schrieb schon Kurt Tucholsky in seiner soziologischen Philosophie der Löcher: Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist. Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nichtlochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut. Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch, aber auch keine Philosophie, und erst recht keine Religion, als welche aus dem Loch kommt. Die Maus könnte nicht leben ohne es, der Mensch auch nicht: Es ist beider letzte Rettung, wenn sie von der Materie bedrängt werden. Loch ist immer gut….. Tichy schafft den nahtlosen Anschluß: Wir fragen natürlich: Welcher Rest von was? Doch… Mehr

Jürgen M. Backhaus
6 Jahre her

Vermutlich wandelt AM doch nur auf den Pfaden von Günther Beckstein, einst Kurzzeit-Ministerpräsident von Bayern. Bekannt wurde dieser durch seine tiefgründige Intellektualität, die sich etwa sinngemäß so verlautbarte: Wem Gott ein Amt verleiht, dem verleiht er auch die notwendige Weisheit um in diesem Amt zu bestehen. AMs Poesie sollte in diesem Sinn eine klare Interpretation erfahren. Die Kunst des Nichtssagens ist nun einmal Gnade an Weisheit für ihr Amt, sonst könnte sie nicht so eine Laufzeit vorweisen. Die unterschiedlichen Regierungslaufzeiten zwischen Beckstein und AM indizieren eine Antwort auf die Frage, wer bekam hier ein Amt verliehen und wem wurde es… Mehr

BINE
6 Jahre her

Angela Merkel ist ein Symptom aber nicht das Problem.
Ihre Aufgabe ist es, die Nebelmaschine zu bedienen und das Volk einzuschläfern, derweil ihre Auftraggeber ungestört bleiben.
Frau Merkel macht ihre Arbeit gut.
Also heisst die selektive Parole: Sie ist eine guute Kanzlerin. Und das Volk ist`s zufrieden.

Rabenstein
6 Jahre her

Wie erwartet, geht es bei der neuen GroKo so planlos weiter, wie es aufgehört hat. Keine Überraschung, die abgewählten Versager dürfen ungestraft weiter wurschteln bzw. wurden höchstens quer versetzt. Die Sprechblasen dieser Blender, wie “ wir müssten, wir sollten, wir werden demnächst, etc. etc. kennen wir zur genüge. Mal sehen, wie lange sich der Wähler diese Verarschung noch gefallen lässt. Seehofer dürfte bei der LT-Wahl in Bayern als erster die Quittung bekommen.

Dr. Friedrich Walter
6 Jahre her

Chapeau, Herr Herles, vermutlich war Ihre Absicht primär, die komplexe Totalität gesamtgesellschaftlicher Systembezüge in heterogener Partizipierung maximal evident zu machen. Das ist Ihnen voll und ganz gelungen. (Sie be-merkeln sicher, wo ich gelernt habe, mich auszudrücken).

Emma Mathieu
6 Jahre her

Herr Herles, beim Lesen Ihres Artikels war mein erster Gedanke: Klasse wie Sie die inhaltslosen „Ergebnisse“ von Meseberg analysieren. Von der treffsicheren Überschrift „Der Rest von nichts kommt jetzt ..“ zieht sich das von I. bis VI. durch. „Die Atmosphäre war dergestalt, dass wir sagen können, dass alle entschlossen sind, sich den Aufgaben, die sich aus dem Koalitionsvertrag ergeben, auch zu stellen.“ – dieser Satz von AM sagt nichts, er steht für Verachtung unseres Landes und Desinteresse am Regieren. Es reicht ihr in der Sänfte zu sitzen und getragen zu werden, vorbei am Meilenstein Finis Germania bis zum Ziel ein… Mehr

Rainer Franzolet
6 Jahre her

Ich verweise hier schlicht auf das Gespräch zwischen Herrn Herles mit Monika Maron. Einer sehr klugen Frau, die alles sachlich und ehrlich beschrieben hat, was hier in Deutschland gerade abgeht.

Arthur Dent
6 Jahre her

Widerspruch: man kann etwas vorhaben, aber keinen Plan, wie das funktionieren soll.
Ich glaube das beschreibt auch ziemlich genau das Handeln der Regierungen unter Merkel.

Rolf
6 Jahre her
Antworten an  Arthur Dent

..das gibt es schon länger.

Zum Beispiel, wenn Frauen „shoppen gehen“….
Ich glaube, dass dieses Bild sehr gut beschreibt, was uns in den nächsten 3,5 Jahren erwartet!
Wenn ich es recht bedenke, haben auch die Männer in diesem Chor eine recht helle Stimme!
Achtung:
Bei dieser Metapher sind natürlich alle Frauen in diesem Forum ausgenommen!

einen schönen Sonntag für alle hier bei TE!

Kassandra
6 Jahre her
Antworten an  Rolf

Danke für dieses stimmige Bild, das mich laut lachen lässt!
Angela beim „shoppen“ – Loriots „Pappa ante portas“ lässt grüßen!
In der Lingerie – zwischen lauter weißen Unterhemdchen!
Genial! Und vollkommen planlos!
Und alle Meseburg-Beteiligten laufen vollkommen kopflos mit!

Eberhard
6 Jahre her

Zu jedem Zauberschloss gehört auch ein großer Zauberschlossgarten. Der vom Schloss Meseberg ist sehr groß. Er reicht vom Rhein bis an die Oder. Und in diesem geschah und geschieht auch heute wieder, eine große Zauberei. Eine Zauberhexe hat in ihm ein großes Lügengebäude errichtet, um Menschen anzulocken. Dazu hat sie es von außen mit vielen süßen Leckerein und Versprechungen verziert. Eines Tages hat nun die Zauberhexe auch dem Hänsel und der Gretel ihre alte gute Heimat genommen. Sie konnten sie vor lauter Bäumen, einfach, nicht mehr finden. Die Kinder kamen aber zum Lügengebäude. Und dem lustigen Hänsel gefielen die süßen… Mehr

Hannibal ante portas
6 Jahre her
Antworten an  Eberhard

Dieses Land ist (LEIDER) wohl nicht für die Demokratie westlicher Prägung geschaffen. Politischer Streit um die -in dieser Situation- beste Lösung ist den meisten ein Graus. Die Illusion der „begleiteten“ Bonner Republik ist vorbei. Der Käseglocken-Vorzeigestaat trocknet an der frischen Luft sehr schnell aus. Die BRD ist spätestens im Herbst 2015 gescheitert. Der Michel will davon nichts wissen und will noch an Merkels V3 glauben: „Wir schaffen das!“