Besser nicht träumen als schlecht träumen. Das grüne Trauma.

Der Staat als Besserungsanstalt, davon träumen Grüne. Haben denn die Leute das pausenlose Wir-haben-nur-eine-Erde-Geflenne nicht endlich satt! Die Grünen wollen ihre Traumtänzerei zum allgemeinen Gesetz erheben. Damit werden sie zum Albtraum.

In meiner kleinen Vorwahlserie über die Parteien heute die Grünen. Einst waren sie angetreten, die Demokratie und die Offene Gesellschaft auf Trab zu bringen. Inzwischen tun sie das Gegenteil. Sie legen ihr die Zügel einer Ideologie an.

I.

1983 zogen die Grünen erstmals in den Bundestag. Mit Strickzeug und Grünzeug, das lange Männerblond noch nicht hofreitermäßig über die Krägen dunkler Dreiteiler geföhnt. Ein wilder Haufen von Querdenkern, strotzend vor Selbstverwirklichung. Glühend vor Friedensliebe wie Petra Kelly, ehe ihr Lieblingsgeneral sie erschoss. Die grüne Folklore gründete im Anti. Anti-Atomkraft, Anti-Nachrüstung, Anti-Establishment. Selbstverständlich war man „alternativ“. Heute hält man sich für alternativlos. Die Grünen mischten auf und provozierten auf Joschka komm raus. „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“ Wahre Sätze, wie man sie sich heute gelegentlich wünscht. Dafür habe ich die Grünen gemocht – als sie sich noch im Kampfmodus befanden gegen eine satte und selbstzufriedene Honoratiorengesellschaft. Inzwischen sind sie zu einer Partei privilegierter Besserwisser degeneriert.

II.

Die anderen Parteien sprangen mit den Grünen anfangs so um, wie sie heute mit der AfD umspringen. Es waren Unberührbare, schon aus ästhetischen Gründen. Die Grünen Systemveränderer waren damals allerdings noch nicht so systemverändernd wie heute, weil das System noch stabiler war. 1990, nach der Wiedervereinigung flogen die echten Grünen, die aus dem Westen, aus dem Bundestag. Als sie 1994 ergänzt um das Bündnis 90 wiederkamen, waren die Grünen nicht mehr dieselben. Unter Gerhard Schröder regierten sie noch mit, ohne die Republik nachhaltig zu beschädigen. Unter Merkel regieren sie sogar mit, ohne in Regierungsverantwortung zu sein, doch nun nagt Grün nachhaltig an der Substanz des Landes. Die ganze Republik ist ergrünt – Medien, Schulen, Universitäten, selbst Wirtschaftsverbände, Parteien. Es ist ein Paradox: Eigentlich braucht die Grünen niemand mehr, aber erst dadurch ist Grün eine echte Gefahr. Linksprotestantische kollektivistische Verzichtsmoral sitzt in den Grundmauern der Gesellschaft wie ein Schwamm. Unter dem Schlachtruf „Rettet das Klima“ wurde die Deindustrialisierung eingeleitet. Der bescheidene Wohlstand der Normalverdiener wird als Weltuntergangsgefahr gebrandmarkt. Sprachverhunzung wird zum allgemeinen Trend. Haltung statt Ahnung ist Programm. In Baden-Württemberg kann man sehen, wie eine von jeder Selbstachtung befreite CDU, den Grünen aus der Hand frisst, sich der Spitzel- und Spießermentalität der grünen Obrigkeit schamlos anpasst. Wie wird das erst sein, wenn die Grünen auch im Bund regulär koalieren?

III.

Stark wurden die Grünen nicht aus eigener Kraft zu einer Machtmaschine. Die innerparteilichen Kämpfe zwischen Realos und Fundis sind Vergangenheit. Eine zickige Aufschneiderin fungiert als Kanzlerkandidatin, weil der bessere Kandidat das falsche Geschlecht besitzt. Die einstigen Querdenker verfolgen „Querdenker“ und überhaupt Andersdenkende mit der Inbrunst spanischer Inquisitoren. Lange verbreiteten die Grünen die Illusion, eine zweite, bessere, modernere bürgerlich-liberale Partei zu sein. Es ist schiere Propaganda. Richtig ist: Ein verkommenes, ungebildetes städtisches Bürgertum, das nicht weiß, was liberal ist, ist der grünen Ideologie aufgesessen und lässt sich fortwährend belehren und pädagogisieren. Der Staat als Besserungsanstalt, davon träumen Grüne. Haben denn die Leute das pausenlose Wir-haben-nur-eine-Erde-Geflenne nicht endlich satt! Die Grünen wollen ihre Traumtänzerei zum allgemeinen Gesetz erheben. Damit werden sie zum Albtraum. Sie repräsentieren eine dekadente Gesellschaft, die die eigene Dekadenz nicht erkennt. In Wahrheit verraten die Grünen ihre früheren freiheitlichen Ideale.

IV.

Die meisten Journalisten wählen grün. In den öffentlich-rechtlichen Anstalten käme Grün auf eine satte Mehrheit. Es gibt sogar liberale Journalisten, die diesmal grün wählen, weil sie hoffen, dann gehe es umso schneller bergab (und erst danach vielleicht wieder bergauf). Aber TE vermeidet jede Wahlempfehlung. Ich jedenfalls will es nicht gewesen sein.

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Kommentare ( 132 )

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WandererX
3 Jahre her

Die Grünen waren immerhin bürger- und kulturkritisch, die AFD nur kulturkritisch, und schob alles auf ein paar Politiker und andere Mächtige, nicht auf ein schief gewordnes Bürgertum! Die AFD wollte also bürgerlicher Kern der von ihnen akzeptierten (Spieß-) Bürger sein und zugleich die Elite des Bürgertums zentral kritisieren: wie soll das gehen? Übrigens: Auch die Grünen entstammen einer Bewegung, und die macht nach 10-20 Jahren meist keinen Sinn mehr! Denn Bewegungen tragen eine auf Besserwisserei oder gar Moral fussende Gesinnung vor sich hin, und das wird dann leider oft Parteidogma!

WandererX
3 Jahre her

Da, wo die 80er Grünen offen für eine Sache gekämpft haben, wie gegen AKWs, waren sie in Ordnung, weil klar und deutlich im Ziel, aber von vornherein war auch dabei der hinterhältige biedere Flügel der bigotten Moral- Frauen – die weiblichen Kinder der Pietisten im ganzen Lande – sehr groß. Für mich waren die grünen Frauen bereits in 1980 oft die Enkelkinder der alten Nazis. Schon seinerzeit wurde – für die 70er Linke ganz unpassend- plötzlich das Verbotsthema auf eine moralische Art und Weise rausgeholt: Alkohol- und Rauchverbot da, keine schlechte Luft dort… Von vornherein waren sie im Weiblichen und… Mehr

giesemann
3 Jahre her

Die Erde wächst tatsächlich nicht mit, https://www.spiegel.de/politik/die-reichen-werden-todeszaeune-ziehen-a-628d4249-0002-0001-0000-000014344559?context=issue
Insofern ist das „Geflenne“ schon berechtigt. Und Menschen sind menschengemacht, garantiert.

Kappes
3 Jahre her

Joschka Fischer war in jüngeren Jahren ein Deutschlandhasser. In seinen Kampfschriften vertrat er die Meinung, dass Deutschland nie wieder zu einer soliden Gesellschaft mit Wohlstand werden dürfe. In seiner Zeit als Abgeordneter und Minister hat er sich sicherlich einen gewissen Wohlstand angehäuft… Heute verdient er, auch in der Industrie, wohl richtig gutes Geld… Der Grüne Ministerpräsident Kretschmann aus Ba-Wü war in jüngeren Jahren Mitglied des „Kommunistischen Bundes Westdeutschland“. Auch Habeck konnte mit Deutschland noch nie etwas anfangen und fand Patriotismus stets zum kotzen. usw … usw … Vielleicht schafft es die „Völkerrechtlerin“ Baerbock die „Grünen“ wieder einstellig zu machen? Mit… Mehr

WandererX
3 Jahre her
Antworten an  Kappes

Schon mal was vom negativen Nationalismus gehört?
Der ist leicht und bequem zu erzeugen und spiegelt ledliglich den überbordnden peinlichen Nationalismus der braunen Großeltern vieler Grünen.

Agrophysiker
3 Jahre her

Vor allem, wenn die Grünen Pläne zur „Klimarettung“ und zur Agrarwende weltweit umgesetzt würden, dann würde das Milliarden kosten! Und zwar Milliarden Menschenleben! Denn des würde ihnen sowohl die Nahrungsgrundlage entziehen als auch um eine ausreichende Energieversorgung bringen. In gewisser Weise kann man sagen, sie sind wie wie Axxolf nur ohne Autobahn. Der Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug hat durch die grüne Revolution Millarden von Menschen vor dem Hungertod gerettet. Aber die die Grünen (auch in anderen Partien) arbeiten systematisch daran diesen Fortschritt wieder rückgängig zu machen. Letztendlich würde dies extrem viel Elend schaffen ohne dass dadurch die Umwelt besser würde.

Maja Schneider
3 Jahre her

Kurz, präzise, fundiert auf den Punkt gebracht, lieber Herr Herles, so kennen wir das bei Ihnen. „Sie repräsentieren eine dekadente Gesellschaft, die die eigene Dekadenz nicht erkennt“, wahrlich ein Kernsatz Ihres Beitrags über die Grünen, nicht nur sie verraten ihre einstigen freiheitlichen Ideale, auch ihre glühenden Anhänger aus der „wohlstandsverwahrlosten“ bürgerlichen Mitte wissen mit dem Begriff vor lauter Welten – und Klimarettungs – und Gutmenschengefühl offensichtlich nichts mehr mit dem Begriff „Freiheit“ anzufangen und erleichtern den Grünen dadurch ihr ideologisches Bürger- Erziehungsprogramm.

Teiresias
3 Jahre her

Die Grünen sind vor allem bezüglich ihrer intrinsischen Motivation, die sie Antreibt, immer die Selben geblieben: Der unbedingte Drang, bessere Menschen zu sein – als die Anderen (nichtgrünen). Der Drang, auf Andere herabzusehen. Heuchelei war noch nie ein Problem, Parteienfinanzierung sei Dank haben wir mit den Grünen eine institutionalisierte Kaste von Öko-Pharisäern, die sich Refugien jenseits der Leistungsgesellschaft geschaffen haben. Die Grüne Idiologie erlaubt es ihren Anhängern, sich gegenüber real arbeitenden Menschen regelrecht erhaben und überlegen zu fühlen, ohne jemals eine echte Leistung erbringen zu müssen. Z.B. der Sozialarbeiter kann als Grüner auf den höchstqualifizierten Automobilingenieur als „Umweltsau“ herabblicken. Dieses… Mehr

bkkopp
3 Jahre her

Wenn man in den 1980ern so sehr der Honoratiorengesellschaft verbunden war wie der Autor, dann war es möglicherweise modern die damaligen Grünen zu mögen. Wahrscheinlich gab es schon damals, in der politischen Klasse, zu viele “ Sucher der progressiven Moderne „. Deshalb wurden die Grünen nicht schon damals als das vernichtend niedergeschrieben was sie tatsächlich immer waren – unnütze, selbstgefällige, linke Querköpfe im Bestreben nach staatlichen und staatsnahen Versorgungsposten, mehrere davon mit Training in kommunistischer Agitprop. Frankfurter Putztruppe, und ein wegen zu viel Nähe zu linksextremen Terroristen verurteilter Anwalt inklusive. Alle ihre Themen zielten auf Stimmengewinn durch Emotionalisierung, gerne in… Mehr

Jo_01
3 Jahre her

Zitat: „Richtig ist: Ein verkommenes, ungebildetes städtisches Bürgertum, das nicht weiß, was liberal ist, ist der grünen Ideologie aufgesessen und lässt sich fortwährend belehren und pädagogisieren.“ Endlich spricht es hier mal jemand aus: verkommenes, ungebildetes städtisches Bürgertum! Bisher wurde immer davon gesprochen, dass es sich um das sog. „Bildungsbürgertum“ in den besseren Vierteln der Großstädte handele, die vorzugsweise Grün wählen. Das Gegenteil ist richtig – die strotzen vor Dummheit, haben keinerlei Geschichtskenntnisse und auch sonst sieht es ziemlich dünn aus. Stattdessen sind sie ignorant und denken nicht von der Wand bis zur Tapete über die Folgen ihrer Wokeness nach… Danke… Mehr

Dirk Bender
3 Jahre her

Das neue Gewand, das der Sozialismus angenommen hat, nachdem die sozialistische Verelendungshypothese durch die freie Marktwirtschaft ja komplett gescheitert ist, und jetzt nicht mehr richtig so recht taugen will als Vehikel, um die Menschen zu verführen ist der Ökologismus. Dieses neue Gewand hat die Verelendungshypothese durch den Weltuntergang durch den Klimawandel ersetzt. Vor 30 Jahren war es noch das Ozonloch; von dem spricht heute keiner mehr, zu der Zeit war es noch das Waldsterben, davon spricht auch heute keinen mehr und jetzt haben wir also den angeblichen menschengemachten Klimawandel, der als Popanz erhalten muss, um uns unsere Freiheitsrechte zu berauben.… Mehr