Warum Gesetze oft so schlampig gemacht sind

Über die Jahrzehnte sind Gesetze immer miserabler in ihrer Qualität geworden - auch gemessen an der eigenen politischen Zielrichtung. Das hat systemische Gründe.

Steffi Loos/AFP/Getty Images

In der Krise von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Staat und Medien namens Corona werden Gesetze gemacht, als deren Ziel angegeben wird, den von der weitgehenden Stilllegung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens getroffenen und betroffenen Bürgern und Unternehmen materiell beizustehen.

Der Ankündigungseffekt solcher Maßnahmen ist kaum verhallt, wenn durchsickert, dass die Hilfen im Bürokratiedickicht hängen oder gar nicht ankommen. Dann wird „nachgebessert“. Das ist keine Ausnahme, sondern in der Berliner Republik die Dauerschleife von Gesetzgebung auch in Nicht-Krisen-Zeiten oder besser gesagt: in der nie abreißenden Folge der „normalen“ Krisen des Interventionsstaates und seiner immer weiter zunehmend von Korporatismus geprägten Wirtschaft.

In der fortlaufenden Asyleinwanderung kündigt der Innenminister diese und der Außenminister jene Grenz-, Einreise- und Kontrollrestriktionen an oder, dass nun Ernst mit Abschiebungen gemacht würde. Kaum ist der Ankündigungseffekt verklungen, stellt sich raus, nichts davon ist verwirklicht.

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Bei der Asyleinwanderung ist das schnell erklärt. Die Regierung und die sie in dieser Frage nicht nur unterstützenden, sondern antreibenden Oppositionsparteien, Medien und NGOs der organisierten „Zivilgesellschaft“ haben nicht vor, den seit 2015 ganz unübersehbar eingeschlagenen Kurs zu ändern (dass der Migrationspakt der UNO damals im Hintergrund unter maßgeblichem deutschen Einfluss längst vorbereitet wurde, ist heute allgemein bekannt). Der Merkel’sche Satz, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe, war einer von vielen, bei dem es immer nur um den Ankündigungseffekt ging, nie um eine ernste Absicht. Merkel wollte nur den Kritikern und Gegnern der Asyleinwanderung in den Unionsreihen Sand in die Augen streuen.

Die angekündigten Hilfen für die Bedrohten und Geschädigten durch die Corona-Krisen-Maßnahmen entsprechen im Unterschied zu der Sandstreuerei bei der Asyleinwanderung durchaus dem politisch Gewollten. Warum bei ihnen Sand im Getriebe knirscht und das nicht als Ausnahme, sondern Regel, hat andere Gründe.

  1. Der Ankündigungseffekt ist für die Regierung so wichtig und zeitlich drängend, dass die Sorgfalt bei der Gesetzgebung auf der Strecke bleibt.
  2. Wo nur der Ankündigungseffekt zählt, interessiert sich auch niemand dafür, ob und was daraus wird.
  3. Diese Art der Ankündigungseffekt-Gesetzgebung hat über die Jahre die Qualitätsmaßstäbe der Arbeit in Ministerien und Behörden generell gesenkt.
  4. Immer mehr Parteileute praktisch auf allen Ebenen in den öffentlichen Dienst bei Beamten wie Angestellten zu schieben, die außer den Parteidienst an Kenntnissen nichts mitbringen, verstärkt den Qualitätsverlust und demotiviert das Qualitätspersonal.
  5. Mit immer noch mehr Verregelung des Handelns der öffentlichen Hände hat sich die Staatsbürokratie in den eigenen Fallen derart verstrickt, dass effektives Handeln oft gar nicht möglich ist.

Da aber im polit-medialen Komplex Parteienstaat nicht das tatsächlich oder angeblich in der Sache Angestrebte Priorität hat, sondern der Ankündigungseffekt, dreht sich die dargestellte Spirale des Staatsversagens kontinuierlich weiter abwärts.

Obwohl wesentlich mehr in allen Teilen von Wirtschaft und Gesellschaft, Politik, Staat und Medien das alles wissen, bleibt das folgenlos, solange der Kitt des polit-medialen Komplexes aus »Regierung, den sie nicht nur unterstützenden, sondern antreibenden Oppositionsparteien, Medien und NGOs der organisierten „Zivilgesellschaft“« hält: die materielle Privilegierung.

Volkstümlich ausgedrückt: Erst wenn kein Geld mehr aus der Steckdose kommt, geht der Parteienstaat vom Bröckeln ins Zerfallen über. Dieser Qualitätssprung vollzieht sich in der Krise von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Staat und Medien namens Corona.

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Kommentare ( 19 )

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schukow
4 Jahre her

Ergänzt werden sollte noch, daß ein neues Gesetz erst einmal nichts kostet und daher eine wohlfeile Maßnahme ist, auf eine Anforderung der Lage zu reagieren. Bei der Kurzlebigkeit der öffentlichen Debatten spielt die Durchführun und Anwendung solcher Gesetze meist keine Rolle mehr.

T. Pohl
4 Jahre her

„Warum Gesetze oft so schlampig gemacht sind“ Weil wir als Wähler mehrheitlich immer und immer wieder Parteien wählen, die lebensunfähige und lebensunerfahrene Loser (gerne mit komischem Dr.-Titel wie Scheuer; Giffey, Schulze, S. Heil, Maasmännchen, die auch sich auch im realen Leben nicht ansatzweise selbst ernähren könnten) in den Bundestag schicken (oder zum NichtmeinBuPrä wählen lassen) um dort ihr inkompetentes Werk zum Schaden aller Bürger und Steuerzahler (cf. Vollbremsung der Wirtschaft die wahrscheinlich nicht notwendig war) auf Kosten der Bürger durchzuführen. Offensichtlich sind nach der Angstmach-Orgie (hier richtiger Begriff!) der ÖR mit Sondersendungen morgens und Abends sowie tausende Male Zurschaustellung der… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her

Das ist alles völlig richtig, aber diese ganze Kritik am Parteienstaat führt letztendlich ins Leere, bzw. mündet in einer unscharfen Allgemeinkritik an den politischen Akteuren. Dass Herr Goergen, der dieses Thema ja schon lange behandelt, stets nur vage Andeutungen zu dezentralen Lösungen eines Staatswesens macht, unterstreicht m.E. die Schwäche einer solchen Grundsatzkritik. Auch wenn es sicher interessant ist unser politisches System als Ganzes in Frage zu stellen, wirkt es doch eher akademisch und erinnert ein wenig an die Realitätsferne ideologischer Diskussionen. Den „Parteienstaat“ wird es immer geben, er ist gewissermaßen Ausdruck der menschlichen Gesellschaft und tritt in den verschiedensten Varianten… Mehr

Unterfranken-Pommer aus Bayern
4 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

„mir erscheint es unterhalb der Möglichkeiten, auch unter der Massgabe, Beobachter und nicht Akteur sein zu wollen.“ Das hat FG schon vor längerer Zeit mal ausgeführt, daß er/TE eher die Rolle des Beobachters ausfüllen. Können / wollen / müssen? Das kann ich nicht beantworten. Ich stimme Ihnen zu, daß es nach der notwendigen Theorie ohne eine praktische Umsetzung zu keinen Änderungen kommen wird. Ich laufe seit bald fünf Jahren mit geballter Faust durch’s Land und rede mir den Mund fusselig…mithin, was soll ich tun? A la „Road of Perdition“ den Überbringer meiner politischen Botschaft zu meucheln, auf das er selbst… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her

Ja, Unterfranken-Pommer aus Bayern, was mich bewegt ist, dass „Unsere“ Seite nicht bereit ist, die demokratischen zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen. Es wird zwar viel beklagt, aber im Wahlverhalten schlägt sich diese ganze Kritik nicht nieder. Selbst diejenigen, die tatsächlich glauben konservativ zu sein und es nicht nur vorgeben, sind bereits derart von der PC infiltriert, dass sie sich selbst in der Wahl demokratischer Mittel freiwillig eingrenzen, und linken Kräften die Deutungshoheit über demokratisches Verhalten überlassen.

horrex
4 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Zutreffend, bedeutender noch als die Ankündigungs- und all zu oft Nicht-Vollzugs-Politik (s.o.) ist die Tatsache die dadurch sichtbar wird ist, diw Tatsache dass längst die regierenden Parteien (man beachte den Plural!), dass man sich längst den Staat zur Beute genamcht hat. Ihn und ihre Vorgehensweise nur noch als Ermächtiungsinstrument zur Durchsetzung ureigenster Interessen benutzt. – Einigermassen in Ordnung ginge es ja noch, wenn Parteien N U R die Interessen ihrer jeweiligen Klientel versuchten durchzusetzen. Selbst DAS geschieht ja – bestenfalls – vordergründig. Quasi für die Galerie und als Alibi für Dies und Jenes was man tut(oder lässt). Nicht im Ansatz… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  horrex

Mir erscheint die Handlungsoption vor dem Hintergrund der von Ihnen richtig geschilderten Sachverhalte sehr einfach. Wir haben im Grunde, wie in den großen Demokratien die klassische Situation eines Zweiparteiensystems. Auf der einen Seite der Block der Altparteien, auf der anderen die größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag.
Wir haben die Wahl.

Iso
4 Jahre her

Das hier ist eher eine Derivat vom ürsprünglichen deutschen Staat, ein Simulation von Deutschland, die einfach auf Untergang programmiert ist. Und wie man immer wieder lesen muss, werden die Hauptrollen von Politikdarstellern besetzt, die in ihrem Leben noch nie richtig gearbeitet, und oft auch keine Ausbildung haben. Das setzt sich in großen Dax Konzernen fort, die zu großen Teilen schon in ausländischer Hand sind. Das ist dann wie mit der Treuhand. Die Firmen werden patentrechtlich ausgeschlachtet, scheibchenweise ins Ausland verlegt, oder auch ganz übernommen. Alles in allem eine traurige Entwicklung, dass deutsche Traditionsunternehmen an Chinesen verschleudert werden, weil man selbst… Mehr

Parsifal
4 Jahre her

Ich teile Ihre Analyse, Herr Goergen, aber nicht ihre Schlussfolgerung: Wo, bitte schön, meinen Sie einen Zerfall des Parteienstaats zu erkennen? Die Union steht wieder bei fast 40 % und die Medien huldigen Mutti!

KoelnerJeck
4 Jahre her

„Spätrömische Dekadenz“ so würde ich es umschreiben.

Beim Fall Roms (und auch Griechenlands) herrschten ähnliche Zustände, was danach kam, war besser!

Rom (und auch Griechenland) haben uns nur Müll überlassen: Die Republik und die Demokratie. Beides ruhte auf Sklaventum. Die Freiheit kam später.

sponk07
4 Jahre her

Man könnte noch hinzufügen, daß der öffentliche Dienst der größte Arbeitgeber Deutschlands ist und der Parteienstaat damit auch noch die Gewerkschaft für seine eigenen Akteure ist …

Ratemal
4 Jahre her

Und wenn dem Migrationspakt eine Überprüfung durch das Verfassungsgericht droht, wird schnell ein Parteisoldat in das Präsidium des Bundesverfassungsgeriuchts gelotst: Stepan Harbarth (CDU)

Alf
4 Jahre her

Sehr gut beschrieben. Würden unsere politischen Gaukler die Spitze der Bewegung zäunen und Abbitte leisten, wäre dies zwar noch kein Qualitätssprung, aber ein Anfang, damit unser Land wieder zu Recht und Ordnung zurückkehren kann. Die Medien des Hofes könnten endlich berichten, daß eine neue Zeit begonnen hat, das Volk die Regierungsgeschäfte einer Regierung übergeben wird, die diesen Namen auch verdient… Ein schöner Gedanke.

norbertb783
4 Jahre her

Herr Goergen, genau das hoffe und wünsche ich mir auch. Es kommt darauf an, wieviel der schweigenden Mehrheit sich durchringt, diesem maroden Parteienstaat „Auf nicht mehr Wiedersehen“ zu sagen.