Systemtest Coronavirus: Berlin redet, Wien und andere handeln, UN und EU finden nicht statt

Wo der Abstand zwischen den Regierten und den Regierenden ein gesundes Maß nicht übersteigt, wo kultureller Zusammenhalt herrscht, ist jede Krise zu bewältigen.

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Im Aufwachen beschloss ich, einen Beitrag zur Frage zu schreiben, was der unfreiwillige globale Test von Politik und Gesellschaft in unterschiedlichen Systemen, Staaten und den übernationalen Vereinen UN und EU ans Licht des Tages bringt.

Beim morgendlichen Blick auf Facebook und Twitter stolpere ich über einen Hinweis von TE-Autor Giovanni Deriu auf ein Kurzinterview von BILD mit einem Deutschen, der heute mit dem letzten Flug aus Pisa nach Berlin zurückkam. In Italien fahren mehrere Busse die Passagiere, um den Corona-Abstand zwischen ihnen sicherzustellen. In Berlin werden alle 100 in einen einzigen Bus gepfercht, keiner Kontrolle unterzogen und über nichts aufgeklärt. Hören Sie sich diesen Offenbarungseid deutscher Wirklichkeit bitte an. Das, was Merkel und Co. öffentlich sagen, ist nicht, was sie in die Tat umsetzen.

Mit einem Tweet lässt sich das nicht ersetzen, Herr Spahn, wer weiß, ob die Leute am Flughafen so etwas lesen:

Es beginnt in China. Der totalitäre Staat zwingt den anerkannten Mediziner, der vor dem neuen Coronavirus im Dezember gewarnt hatte (er wird nicht der einzige gewesen sein), zu schweigen. Li Wenliang hatte in einer Online-Diskussion von Medizinern und Studenten auf die wachsende Zahl von mysteriösen Virusfällen in Wuhan hingewiesen, er stirbt daran Anfang Februar. Die KPCh hat die Macht, eine unangenehme Wahrheit zu unterdrücken. Damit hat sie an die zwei Monate verspielt, China und der Welt die Chance zu geben, die Ausbreitung des Virus zu beschränken. Die KPCh hat auch die Macht, Großstädte und Regionen in einer Super-Quarantäne abzuriegeln und – wie es zur Zeit aussieht – die Verbreitung des neuen Coronavirus in den Griff zu kriegen. Die anerzogene Disziplin der Chinesen hilft hier.

Es geht weiter in Italien. Die Stadt Prato ist die Billigmode-Metropole des Landes und in der größten chinesische Enklave, in Prato und Umgebung, arbeiten und leben 60.000 Chinesen. Wie viele davon im Dezember und Januar zum Neujahrsfest in China waren, ist nicht bekannt. Dass sie unwissentlich das Coronavirus mit zurück brachten, ist klar. Doch die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen China und Italien gehen weit über Prato hinaus. Warum die Regierung Conte so unglaublich lange brauchte, um das zu realisieren, wird sie eines Tages noch beantworten und verantworten müssen. Doch die Provinzregierungen Italiens handelten unverzüglich und radikal. Erst dann hat Rom nach relativ kurzer Zeit die unausweichlichen Konsequenzen gezogen und ganz Italien unter Quarantäne gestellt.

Die Italiener selbst zeigen gerade in der Krise, was in ihnen steckt. In Neapel singen sie gemeinsam auf den Balkonen torneremo liberi di amare la vita:

Nun zu Deutschland. Hat sich die Bundesregierung mit Landesregierungen zusammen darum gekümmert, wo chinesich-deutsche Verbindungen in welcher Zahl anlanden? Oder hätte das angesichts des heutigen Demonstrationsfalles in Berlin ohnedies nichts Konstruktives zur Folge gehabt? Jedenfalls unterschätzten Merkel und Co die Gefährlichkeit des Coronavirus (ein Leserbrief dokumentiert), Spahn wiegelte bis Ende Februar ab, Merkel selbst trat dazu erstmals am 11. März in Erscheinung und tat zusammen mit Spahn und am 12. März zusammen mit den Bundesländern so, als hätten sie schon immer dem Ernst der Lage nach agiert. Haben sie nicht, tun sie immer noch nicht. Die Merkelisten wiegeln immer ab, weil sie die Bürger nicht für voll nehmen, weil sie ängstlich vermeiden, was die Bevölkerung verunsichern könnte. Josef Kraus schreibt von diesem grassierenden Syndrom in den ÖRR.

Jedenfalls sind die Herrschenden in Deutschland ganz offensichtlich von einem konsequenten Umgang mit der Krise Coronavirus noch weit entfernt.

Jetzt scheint jemand die Bundeswehr geweckt zu haben, ein Indiz, dass es anderswo auch nicht besser steht?

Warum blieb die Risikoanalyse der Bundesregierung folgenlos, die 2012 dem Bundestag präsentiert wurde? Ich verrate es ihnen: Weil die Bürger Merkel und den ihren im Parteienstaat egaler sind als egal. Das ist die Logik im Parteienstaat, in dem über die Karrieren der Berufspolitiker diese und jene Berufspolitiker entscheiden, aber niemals die Wähler.

EU und UN. In Brüssel sagt wie immer die eine etwas und der andere, wie immer ohne jede Relevanz. Der Coronavirus legt es gnadenlos offen: Es handeln nationale Regierungen oder niemand. Die WHO führt seit Anfang der Krise Coronavirus ebenso gnadenlos vor, weshalb die UN nicht nutzen, sondern schaden. Jetzt gibt sich die WHO als Welterklärer und Weltbelehrer. Seit Beginn der Krise in China unterstützte sie die KPCh beim Abwiegeln.

Und nun zum Lichtblick Österreich. Kanzler Kurz, Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer wenden sich seit Wochen alle zwei, drei Tage im ORF an ihre Landsleute, erklären ihnen die neueste Entwicklung und die neu notwendigen Maßnahmen. Die Landeshauptleute agieren Hand in Hand mit der Bundesregierung. Am morgigen Sonntag wird der Nationalrat Gesetze verabschieden, die dafür notwendig sind. Ein breiter Schulterschluss aller Parteien zeichnet sich ab. Experten in Wien berechnen, welche Erfolge die Maßnahmen versprechen. Der Bundespräsident unterstützt die zentrale Botschaft der Regierung Kurz: Wir tun alles, was wir können, ob die Maßnahmen greifen, hängt von jedem Einzelnen ab. Rückt für eine Zeit auseinander, damit wir bald wieder zusammenrücken können. In Tirol, wo die Maßnahmen noch einschneidender sind als in ganz Österreich, berichten mir Freunde, kann der Landeshauptmann auf die Mitwirkung Aller zählen. Der alte Geist lebt: Mander, s’ischt Zeit. Übersetzt: Leute, jetzt kommt’s drauf an.

Und nun das politische Fazit. Wo der Abstand zwischen den Regierten und den Regierenden ein gesundes Maß nicht übersteigt, wo kultureller Zusammenhalt herrscht, ist jede Krise zu bewältigen. Ein Staat muss nicht so klein sein wie Österreich, wenn handelnde substaatliche Einheiten wie die Provinzen in Italien die Distanz zum Bürger demokratiefähig halten. Davon sind die deutschen Bundesländer so weit entferntnwie noch nie. Die übernationalen Vereine UN und EU sind im besten Fall wirkungslos, in der Wirklichkeit aber oft schädlich, weil sie anfällig für die Interessen von mächtigen Lobbies sind – vor allem jener der unheiligen Allianz von globalen Konzernen und NGO.

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Kommentare ( 161 )

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Tomtom63
4 Jahre her

Wenn man dem Bericht auf Welt online zur Vorgehensweise in Ischgl glauben darf, dann bekommt das Image der Tiroler und der Wiener Regierung doch arge Kratzer.

Karl Napf
4 Jahre her

Wo ist eigentlich Friedrich Merz?
Bin gespannt wann der aus seinem Loch gekrochen kommt und allen zu sagen was er besser gemacht hätte, der ?

Tomtom63
4 Jahre her
Antworten an  Karl Napf

Er hat sich mit dem Virus infiziert und wir können drauf warten, was alles an Gehässigkeit und Niedertracht auf ihn einprasseln wird. Sie haben ja schon den Grundstein gelegt.

Dozoern
4 Jahre her

Deutschland ist auch am 17. März noch weit von einer angemessenen Krisenbewältigung entfernt. Obwohl klar war, dass zum Ende der Frühjahrsferien, realistischerweise ab 12. 3., 300 000 Hamburger aus den österreichischen Skigebieten zurückkehren werden, gab es keine Sofortmaßnahmen. Auch heute Morgen dürfen Flugzeuge aus dem Iran noch in Hamburg landen! Dagegen wurde unsere Südamerikareise bereits am Donnerstag, den 12. März abgesagt, weil Argentinien ab diesem Datum Einreisende aus europäische Risikogebieten sofort in Quarantäne nahm. Ab dem 13. März durften keine Flugzeuge aus Europa mehr in Buenos Aires landen. Obwohl man dort erst einen Todesfall hatte. Am selben Tag weigerte sich… Mehr

alf1
4 Jahre her

Um adäquat handeln zu können, braucht die Elite in Berlin Entscheidungswille. Um adäquat entscheiden zu können bedarf es bestimmter persönlicher Fähigkeiten. Dies sind u. a. die Fähigkeit einer den Bürgern nutzbringenden Risikobewertung, ein gutes Bewusstsein für strategisches Denken und strategisch sinnvolles Handeln. Das alles ist in Berlin nicht pandemieartig verbreitet.
Aber aufpassen! Es ist in diesem Chaos sehr leicht die Freiheit der Deutschen Bürger maßgeblich zu beschneiden und bis wir es merke(l)n, ist es zu spät. Einen Abschaffung des Bargeldes würde sich schlüssig darstellen lassen.

joseph
4 Jahre her

Österreich als Vorbild dazustellen (was ihr gleich mehrfach gemarkt habt), hält wohl auch keinen Faktencheck stand: https://www.welt.de/wissenschaft/article206592389/Coronavirus-Wie-Skiort-Ischgl-zur-europaeischen-Brutstaette-wurde.html#Comments

Roland G.
4 Jahre her

Zu der erwähnten Bundesdrucksache 1712051 meinte der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens: Wenn er ein Dokument dieser Tragweite, seine Geschäfte betreffend, auf dem Tisch hätte und würde so verantwortungslos handeln wie die Bundesregierung würde er aus dem Knast nicht mehr so schnell herauskommen. Die in der Bundesdrucksache dargestellte Simmulation ist pessimistischer aber passt dennoch erschreckend gut zum bisherigen Verlauf und geht in der Spitze der ersten Welle von 1,1 Millionen Intensivpflichtigen aus mit ca. 13 Tagen Dauer der Intensivpflege. Wie kann Herr Spahn behaupten wir wären gut aufgestellt mit 25000 Intensivplätzen die onehin schon zu 85% belegt sind und 15000 Beatmungsgeräten.… Mehr

Regina Lange
4 Jahre her

Die EU ist und bleibt Mist! Nur wenn die unser Geld abgreifen wollen, sind sie flink! Und Merkel und Co haben soviel Interesse an „biodeutschen“ Bürgern, wie ein Löwe an einer Butterblume! Wenn es nicht darum geht die Welt zu retten, Migranten ins Land zu holen oder dem Gretel und den NGO’s in den Allerwertesten zu kriechen, ist Merkel nicht zu hören und nicht zu sehen!
Es sah so aus, als ob man Merkel zu den paar dürren Worten, in Sachen Corona, geradezu nötigen mußte!

Dedaidn
4 Jahre her

Hoffentlich merken es noch ein paar Schlafmichl mehr…..
Unsere Regierung eine er unfähigsten seit …ja, seit wann eigentlich? Seit ich mich überhaupt mit Politik befasse, eigentlich, und das ist ca. 25 Jahre her
Manchmal denke ich, schön, dann bringt es jetzt ein Virus an den Tag, dass die One-World-Fantasie der Globalisten total in die Hose geht.
Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man fast darüber froh sein!

Sonia.B.
4 Jahre her

Tja es bestätigt sich immer wieder: je größer die Gruppe desto geringer die Kontrolle. Das einzige, was mit der Vergrößerung des Machtraums auch großer wird sind Unfähigkeit, Distanz zum Wähler und Korruption.

Besserwisser
4 Jahre her

Zum Seehofer, Horst fällt mir noch ein Seehofer-Paradox aus den Zeiten als Bundesgesundheitsminster ein: Er hatte dereinst der deutschen Ärzteschaft vorgeworfen, daß das deutsche Gesundheitswesen immer teurer, die Menschen aber immer kränker werden. In den Entwicklungsländern gibt es weniger (chronisch) Kranke bei niedrigerer durchschnittlicher Lebenserwartung, wobei das Gesundheitswesen jedoch eher schlechter – und billiger – als unseres ist. Ganz böse hatte es Woody Allen formuliert: „Der billigste Patient ist der tote Patient.“