EU: Rom und Wien als Spielmacher auf dem Weg zur Festung Europa

Die EU hat begonnen, auf neue Füße gestellt zu werden. Was dagegen alles noch mehr gesagt als getan werden wird, sollte Weitsichtigen den Blick nicht trüben.

MAHMUD TURKIA/AFP/Getty Images
Italy's Interior Minister Matteo Salvini (L) meets with his Libyan counterpart, Interior Minister Abdelsalam Ashour to discuss the migrants' crisis in Tripoli on June 25, 2018

Matteo Salvini und Abdulsalam Ashour, Innenminister von Italien und Libyen, waren sich schnell einig. Migranten-Hotspots soll es in beiden Ländern nicht geben, schon damit dem Schleusergewerbe samt dessen freiwilligen und unfreiwilligen Helfern von NGO-Schiffen ein Ende bereitet werden kann, wie weiland das Imperium Romanum dem Piratengewerbe im Mittelmeer ein Ende setzte.

Um das zu ermöglichen, will Italien die Zuwanderung schon vor der Grenze Libyens im Süden stoppen. Wie das, etwa in Niger und Tschad, im Detail gelingen soll, steht auf einem anderen Blatt. Salvini, nie um eine Idee verlegen, die noch niemand vorher äußerte, sagt: Wir brauchen die NATO nicht gegen Russland, das bedroht uns nicht. Aber in Afrika brauchen wir sie. Dass sich neuerdings ein Gipfel von Trump und Putin anbahnt, der möglicherweise noch vor der NATO-Tagung im Juli stattfindet, wird Salvini gut gefallen.

Die bisher üblichen Reaktionen der Mandarine in Brüssel und den Hauptstädten der EU haben begonnen, nicht mehr zu zählen. Während Salvini das scheinbar Undenkbare den konventionellen Regierungschefs frontal und undiplomatisch wie Trump vor den Latz knallt, tritt Sebastian Kurz als Ratsvorsitzender hart in der Sache, aber verbindlich im Ton für ein halbes Jahr mit dem Ehrgeiz auf den Plan, die EU auf neue Wege weg vom detaillistischen Interventionsapparat zu führen und weg vom Einwanderungs-Laissez-Faire.

Verlogen
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Auf Deutschland kommt es dank der vielen nationalen Alleingänge der Regierung Merkel in der EU nicht mehr an. Das einzige, das es weiter darf, ist zahlen und sich einbilden, deshalb Einfluss zu haben. Aber auch in Deutschland werden die Parteien, die sich von Merkel jedes Handeln abgewöhnen ließen, immer mehr Gefallen daran finden, dass die Methode Salvini sie davor bewahren kann, noch mehr Wähler zu verlieren. Das Schöne daran ist, dass sie es öffentlich gar nicht aussprechen müssen, sondern bei ihren alten Fenstersprüchen bleiben können.

Salvinis Afrika-Vorstoß ist ja nichts anderes als die Fortsetzung des Türkei-Deals, eines der natonalen Alleingänge Merkels. Die „Anderen“ halten der EU gegen hohe Preise die Zuwanderer vom Leibe – außerhalb der EU. Dass die Wirkung weit mehr von der Schließung der Ost-Balkan-Route auf Initiative von Kurz mit bilateralen Vereinbarungen kam, hat Merkel inzwischen eingestanden, damals nicht gewollt und vehement bestritten. Jetzt redet sie selbst von bilateralem Handeln.

Die EU-Grenze, in diesem Fall besser: die Grenze der Festung Europa, unter NATO-Schutz am Südrand des Maghreb zu errichten, erübrigte den Streit über die illegale Einwanderung in der EU, die gerade medial lautlos in „Asylzuwanderung” umbenannt wird. Über Rückführung genannte Abschiebungen, derer, die „halt da sind” (Merkel), müssen dann „nur” noch bilaterale Abkommen gekauft werden, womit dann die Macrons, Merkels und so weiter Wählerstimmen zurückgewinnen können. Dass sich dieser Perspektive viele, wenn nicht alle EU-Staaten – Deutschland und Luxemburg zuletzt – , nach und nach, heimlich und offen anschließen dürften, aus ganz unterschiedlichen Gründen, halte ich für mehr als wahrscheinlich.

Die EU hat begonnen, auf neue Füße gestellt zu werden. Was dagegen alles noch mehr gesagt als getan werden wird, sollte Weitsichtigen den Blick nicht trüben. Die Lawine rollt.

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Kommentare ( 97 )

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Luisa Nemeth
6 Jahre her

Lieber Herr Goergen. Wieder einmal Punktlandung. Von nun an zähle ich mich auch zu den Weitsichtigen. Die Einkaufstour neigt sich dem Ende zu, keiner will sie jemals gekannt haben – „Angie mit dem Klingelbeutel“. Gefüllt mit den Steuergroschen aus einem einst wohlhabenden Land, deren Bürger sie jedoch nicht mehr wollte. Jetzt müssen wir auch noch für die Bilateralen blechen. Franzosen und Spanier, Griechen – und was uns Bella Italia kostet? – Bello, Bella, Bellissima. Nato. Die Lawine – sie rollt.

Henni
6 Jahre her

Salvinis Idee ist brutale Realität. Wo denn sonst, als an den südlichen Grenzen der Magrebstaaten, kann die Migration abgeblockt werden? Von dort ist es auch nicht allzuweit zurück in die Heimat. Und die Magrebstaaten würden es auch freiwillig, natürlich mit Millionen Euros als Dankeschön, dulden. Dort, im Niemandsland, sollten die Schutzzonen für Flüchtlinge errichtet werden. Auch für die, die Asyl bekommen würden. Dort sollte Europa, die reichste Staatengruppe der Erde, Schutzzonen bauen und unterhalten. Mit Schulen etc.. Die Magrebstaatenbewohner würden sich als gut bezahlte Facharbeiter, Helfer wahrscheinlich um die Jobs streiten. Noch ein Plus für die Maagrebstaaten. Hier ist das… Mehr

Gruenauerin
6 Jahre her
Antworten an  Henni

Jordanien macht es so. Deren UNHCR-Camps stehen weit weg von der Autostraße in einer Steinwüste. Der Weg dorthin ist verbotenes Terrain.

GermanMichel
6 Jahre her

Weitsichtige erkennen, dass das trojanische Pferd schon längst in Europa ist und sich dort ungehemmt fortpflanzt.

Wir war das damals als homo Sapiens mit 4fach höherer Geburtenrate auf den
Neanderthaler traf?

giesemann
6 Jahre her
Antworten an  GermanMichel

… und der kam aus Afrika, lieber GermanMichel.

The Angry Ossel
6 Jahre her
Antworten an  GermanMichel

Der Neandertaler hatte sich mangels Willkommenskultur nicht in die neu zugewanderte Gesellschaft integrieren wollen. Sein unterentwickeltes Verhandlungsgeschick beim Aushandeln des täglichen Zusammenlebens war auch nicht hilfreich. Obendrein hätte er sich nicht von Populisten verleiten lassen sollen, sondern den Schutzsuchenden seine Höhlen und seine Jagdbeute überlassen sollen.

humerd
6 Jahre her

Merkels „Erfolg“: „Der EU-Gipfel in Brüssel beschließt Aufnahmelager für Bootsflüchtlinge in Europa – auf freiwilliger Basis.
Aus diesen Zentren sollen die Menschen dann umverteilt werden in Länder, die sie freiwillig aufnehmen wollen. …“ https://www.welt.de/politik/ausland/article178443092/Gipfelbeschluss-in-Bruessel-EU-einigt-sich-auf-Verschaerfung-der-Asylpolitik.html
Für Duetschland wird alles noch schlimmer. Macron bekommt sein EU Budget, also deutsche Steuergelder, die Türkei erhält noch mehr deutsche Steuergelder und Afrika auch.
Freiwillig wird wohl nur Deutschland noch mehr Sozialmigranten aufnehmen. Deutshcland im Würgegriff der NGOs, die die Kanzlerin steuern.

Harry Charles
6 Jahre her

ES WIRD POLITIK GEMACHT UND MUTTI IST NICHT DABEI So soll es sein. Ob das, was hier skizziert wird aber am Ende die Probleme lösen wird? Es soll Geld gezahlt werden, das sollte man nicht vergessen. Und wer wird am Ende die Hauptlast tragen? Natürlich der Verursacher der fahrlässigen Willkommenskultur: und da haben wir alle den Wahnsinn von Mutti und ihren linksgrünen Paladinen zu berappen. Man sollte nicht Aufnahmezentren schaffen, man sollte sich international angesichts des millionenfachen Missbrauchs auf die Abschaffung oder zumindest zeitweilige Aussetzung des Asylrechts verständigen. Und im letztgenannten Fall auf extrem niedrige Obergrenzen im höchstens vierstelligen Bereich.… Mehr

giesemann
6 Jahre her

@Lux Patriae: Dreißig Jahre ist eine gute Zahl, denn in ca 30 Jahren wird die Zahl der Menschen auf dann 10 Milliarden angestiegen sein – heute sind es 7,5 Mill. Es kommen also in relativ kurzer Zeit noch einmal so viele Menschen hinzu wie um 1950 – dem Jahr meiner Gnadengeburt – insgesamt auf Erden gelebt haben, mithin 2,5 Milliarden. Das ist China und Indien noch Mal hinzugefügt. Es wird grauenhaft werden, wenn wir das zulassen. Es ist ja jetzt schon unerträglich und es ist das einzige, wirkliche Problem, das wir global haben. Nicht in Europa etwa mit seinen ca… Mehr

Oswaldo
6 Jahre her

Die Tür dahin, nun endlich Lager in Afrika zu bekommen, sie steht jetzt wirklich sperrangelweit offen. Die Italiener, Spanier, Griechen beklagen ja zurecht, dass Dublin in der klassischen Form unfair ist. Wenn man esernst nimmt, bekommt der Süden Europas nicht nur sämtliche „Flüchtlinge“ ab, sondern auch sämtliche darunter befindlichen Flüchtlinge, wenn man die viele Spreu vom wenigen Weizen erstmal getrennt hat. Die Forderung insbesondere der italienischen Regierung nach einem Lastenausgleich ist grundsätzlich nachvollziehbar. Evidenter ist es noch in Griechenland. Die auf Lesbos, dieser total überrannten Insel, lebenden Griechen, haben auch ein Recht auf eine Heimat (und eine Wirtschaft, der Tourismus… Mehr

Gruenauerin
6 Jahre her
Antworten an  Oswaldo

Das wäre ab EU-Vorsitz Österreichs auch so gekommen. Die Standpunkte sind ja alle nicht neu und wurden von den Visegradstaaten, Österreich, Italien nach der Wahl schon vor Seehofer so gesagt. Macron hat je nachdem mit wem er gesprochen hat, mal dies, mal das gesagt. Seehofer hat gedroht und nicht gehandelt. Wer droht, muss auch handeln, sonst geht die Partei mit der CDU unter. Genau das kündigt sich ja an. Die Menschen sind es leid, parteitaktische Spielchen einer CSU mitzumachen, die danach meint, etwas bewegt zu haben. Das was jetzt Fakt ist, ist eben nur 14 Tage eher herausgekommen.

PackAsPackCan
6 Jahre her

Wie soll das gehen, 5000 Kilometer Wüste vom roten Meer bis zum Atlantik abzuriegeln? Allenfalls mag es möglich sein, die Südküste des Mittelmeeres für Migranten zu sperren. Aber weitaus einfacher ist es, Schlepper auf dem Meer aufzubringen und an die rettende afrikanische Küste zu bringen. Spricht es sich erst rum, dass die teuere Überfahrt immer in Afrika endet, versucht es bald keiner mehr.

Boudicca
6 Jahre her
Antworten an  PackAsPackCan

Technisch ist das möglich, zwischen Ägypten und Libyen wurde bereits eine Art Bewegungsmelder installiert, die jeden Grenzübertritt oder Bewegung in der Nähe der Grenze registriert.

hubert paluch
6 Jahre her

Sie haben Recht. Die Kettenmigration kann man kaum noch stoppen. Wenn wir Glück haben, sieht es in dreißig Jahren bei uns aus wie in Chicago, Baltimore oder Miami aber ohne Vollbeschäftigung, weil die USA neben ihrem ständig wachsenden ethnischen Unterschichtprekariat auch über eine hochdünne Schicht innovativer Unternehmerpersönlichkeiten verfügen, die um Deutschland einen großen Bogen macht.

Eugen Karl
6 Jahre her

„Wir brauchen die NATO nicht gegen Russland, das bedroht uns nicht. Aber in Afrika brauchen wir sie.“ – Der Satz des Monats. Eigentlich eine Trivialität. Außerdem brauchen wir Militär gegen die Schlepper. Kriminelle müssen bekämpft werden. Warum das bislang nicht geschehen ist, kann man keinem denkenden Menschen erklären.