Das neue Militärbündnis von USA, UK und Australien braucht NATO und EU nicht

Der Schritt der USA zu AUKUS markiert die radikale Neuausrichtung der einzigen westlichen Weltmacht weg von Europa und hin nach Asien. In Europa ist es nun höchste Zeit für eine Debatte darüber, welche Stärken die europäischen Gesellschaften ausbauen können, um im Welthandel ihre Rolle zu festigen.

IMAGO / ZUMA Wire

Dass die militärischen Verlierer zweier Weltkriege für ein eigenes Militär unter ihren Bürgern in Wahrheit nie eine breite Unterstützung hatten, gehört zur versteckten Wirklichkeit der zweiten Republiken in Westdeutschland und Österreich. In der alten Bundesrepublik wurde das durch die offiziellen Gesänge von der Transatlantischen Freundschaft in der veröffentlichten Meinung lange verdeckt.

Ich erinnere mich an den staunenden US-Militärattaché in Bonn, als ich ihm erklärte, dass die demoskopische und parteipolitische Mehrheit für die Bundeswehr nur noch am Zivildienst hänge, bei dem die Politik aus Kostengründen des Gesundheitssystems bleiben wollte.

Die Bundesbürger wollten in ihrer Mehrheit nach 1945 von Anfang an lieber eine Bundesrepublik wie die Schweiz. Die Österreicher hatten ihre Schweiz gekriegt, weil die Bedingung der Sowjets für den Abzug der Roten Armee 1955 die sogenannte immerwährende Neutralität in einem Staatsvertrag der Besatzungsmächte mit Österreichs zweiter Republik war.

Österreich gehörte zu den Gründungsmitgliedern der European Free Trade Association (EFTA) zusammen mit Dänemark, Norwegen, Portugal, Schweden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich. Finnland, Island und Liechtenstein kamen später dazu. (Die EFTA gibt es nach wie vor, Mitglieder sind Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz – was, wenn EU-Mitglieder eines Tages dorthin wechseln wollen?)

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Ich sehe die Wandparole der österreichischen Kommunisten unter Bahnübergängen und auf Bauzäunen noch vor mir, als die Idee propagiert wurde, das EFTA-Mitglied Österreich könnte in der EWG mitmachen: „EWG – neuer Nazischmäh“ (das wienerische Schmäh steht hier für Trick). Das korrespondierte mit der Tatsache, dass lange nur eine politische Kraft in Österreich für den Schritt von EFTA zu EWG war: die FPÖ. Bei vielen in der FPÖ schwang da als Motiv eine Art Ersatzanschluss (an die Bundesrepublik) mit. 1973 trat Österreich der EWG bei.

Nach einem Volksentscheid über das Bundesverfassungsgesetz zum Beitritt Österreichs zur EU mit 66,58 Prozent Ja stimmt der österreichische Nationalrat dem EU-Beitrittsvertrag mit 141 zu 40 Stimmen zu, der Bundesrat am 17. November 1994 ebenfalls. Am 1. Januar 1995 tritt der EU-Beitrittsvertrag in Kraft. Österreich wurde – gemeinsam mit Schweden und Finnland – Mitglied der Europäischen Union – in Norwegen hatte das Volk Nein gesagt. Damit wuchs die EU von 12 auf 15 Staaten.

Wer es vergessen hat: Die ursprünglich von den USA gewollte Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheiterte 1954 an der französischen Nationalversammlung. Danach erfüllten EWG, EG und EU für viele neue Mitgliedsländer vor und vor allem nach der Implosion des Ostblocks die Aufgabe, die neuen Mitglieder über die EU in die NATO zu holen. Das war auch bis noch vor Kurzem das Interesse der USA. Mit dem neuen Militärbündnis USA, UK und Australien (AUKUS), das jederzeit im Pazifik, aber auch an der russischen Westgrenze um Bündniswillige erweitert werden kann, ist die NATO ein Papiertiger – und ist vor allem kein Raum mehr für ein Frankreich, das sich immer noch für eine Weltmacht halten möchte. Nicht nur im Pazifik spielt niemand aus Europa mehr mit (UK und Russland gehören sowieso nur geografisch zur östlichsten Halbinsel Asiens).

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AUKUS gründet natürlich viel tiefer, als ein paar rüstungspolitisch für Frankreich als Geldquelle verlorene U-Boote tauchen können. AUKUS ist eine Zeitenwende von größerer Bedeutung als EU und NATO zusammen. Der Schritt der USA zu AUKUS markiert die radikale Neuausrichtung der einzigen westlichen Weltmacht weg von Europa und hin nach Asien. Bis die Classe Politique Westeuropas das begriffen hat, wird ebenso lange dauern, wie die von Großbritannien brauchte, um zu realisieren, dass der Kriegseintritt der USA 1917 das Ende ihres Empire war.

In Westeuropa und Europa insgesamt wäre nun höchste Zeit für eine nüchterne Debatte über die Frage, welche Stärken seine Gesellschaften ausbauen und entwickeln können, um im Welthandel die Rolle zu festigen und zu finden, die in der zivilisatorischen DNA Europas nach wie vor steckt. Aber davor hat die wirkliche Welt zwei große Hindernisse gesetzt: Die Hülle des Nationalstaates (die des noch größeren namens EU eingeschlossen), die nicht nur hier, aber hier besonders ein Hindernis und keine Hilfe ist – und die aus den USA importierte Wokeness, die das Zeug dazu hat, jede Zivilisation zu lähmen, wenn nicht zu zerstören.

Seit 1917 haben die USA das Schicksal Europas bestimmt, indem sie sich von Europa abwenden, tun sie es wieder. Und bis auf weiteres hat Europa niemanden, der daran etwas ändern kann.

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Kommentare ( 57 )

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Axel Fachtan
3 Jahre her

Es ist an der Zeit, dass Deutschland und Europa ihr Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen. Wer aber sollte das mit welchen Mitteln tun ? Eine Außenministerin Annalena Baerbock soll jetzt unsere Nachbarn überzeugen, dass es ein starkes europäisches Militärbündnis braucht ? Und Anton Hofreiter passt nicht nur darauf auf, dass seine Haare nicht in die Panzerkette geraten, sondern sorgt jetzt dafür, dass wir uns militärisch zukunftsfähig aufstellen ? Die USA wissen, dass es Deutschland und die EU militärisch nicht bringen. Da kommt nichts. Und eben deshalb werden die sich nicht mehr mit irgendwelchen Fuzzis beschäftigen, die nicht könnten… Mehr

DELO
3 Jahre her

Amerika hat von Europa und speziell Deutschland nach 30 Jahren Wiedervereinigung genug. Waren die Amis nach 1990 zunächst erschrocken, mit welchem Fanatismus sie aus (West)- Deutschland vertrieben wurden, so begriffen sie im Lauf der Zeit die deutsche Haltung, auch gegenüber der NATO. Daraufhin ruinierten sie die Bundeswehr (läßt sich nie tatsächlich nachvollziehen und ist eine Hypothese) und waren baff, daß die neue deutsche Unkultur daß alles einfach so hinnahm. Sie brauchten in Summe 30 Jahre, um zu begreifen, daß ihr geliebtes Deutschland für sie selbst keinen Pfifferling mehr wert ist. Von Frankreich wußten sie es seit de-Gaulle und seinem NATO-Austritt.… Mehr

country boy
3 Jahre her

Erstaunlich, mit welcher Gleichmut deutsche Journalisten auf die Abkehr der USA von Europa reagieren. Als Trump noch Präsident war, rasteten unsere US-Berichterstatter ja bei jeder Kleinigkeit richtiggehend aus.

Hieronymus Bosch
3 Jahre her

Wer glaubt ernsthaft, dass die amerikanische Öffentlchkeit es tolerieren würde, dass Tausende von amerikanischen Soldaten wegen der Verteidigung Taiwans ums Leben kommen? Für ein Land in Südostasien, zu dem sie keinerlei Beziehung haben! Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann!

Froschkoenig
3 Jahre her
Antworten an  Hieronymus Bosch

Naja, denken Sie mal an den Koreakrieg……

Bummi
3 Jahre her

Kernfrage ist doch auch der Umgang mit Russland. Die sind uns kulturell und regional hunderte Mal näher als China. Warum in aller Welt treibt man die nur in die Arme der Chinesen. So viel Dummheit.

bkkopp
3 Jahre her
Antworten an  Bummi

Als die Amerikaner in den späten 1990ern realisierten, dass das mit der “ Demokratisierung “ Russlands nichts wird, jedenfalls nicht so schnell, haben sie wieder auf Antagonismus geschaltet und und alle europäischen Nato-Mitglieder mehr oder weniger mitgezogen. Die ganze Nato-Osterweiterung folgte daraus. Den Ukrainern hat man auch schon ab ca. 2000 ( als Putin an die Macht kam ) Hoffnungen gemacht. Als dann der CIA-Agent Schaakaschwili, in Georgien Präsident wurde, wurden die Russen, jedenfalls die Staatselite, panisch. Die Idee, dass die Kreml-Prominenz vom kleinen russischen Küstenstreifen am Schwarzen Meer, Sotschi, auf ein Nato-Meer blicken würde, wurde unerträglich. Als dann auch… Mehr

Teiresias
3 Jahre her

Die US-amerikanische Militärmacht hatte zunächst einmal den Sinn, das Geschäftsmodell der USA zu verteidigen: Den Petro-Dollar. Solange Öl nur in US-Dollar gehandelt wird, ist der Dollar ein Öl-Gutschein, und genau deshalb hat er einen Wert. Die Dollar-Druckmaschine wurde so quasi zur Ölquelle. So waren die Amerikaner in der komfortablen Situation, Waren gegen gedruckte Dollar tauschen zu können, ohne auf ihr Leistungsbilanzdefizit Rücksicht nehmen zu müssen. Als Sadam Hussein oder Gadhafi in Aussicht stellten, Öl gegen andere Währungen zu verkaufen, konnten sie leicht beseitigt werden. Rußland ist ein anderes Kaliber. Mit ihrer atomaren Schlagkraft (U-Boote, Raketen, Hyperschallwaffen) lässt sich Putin-Land nicht… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Teiresias
Teiresias
3 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Ich formuliere Selbstständigkeit als geostrategische Notwendigkeit, nicht als reale Möglichkeit.

Daß die real existierenden Politiker in Deutschland und EU mit nichts anderem beschäftgt sind, als ihre Plätze an den Futtertrögen der Macht zu erringen und zu verteidigen ist ein anderes Thema.

Last edited 3 Jahre her by Teiresias
Ralf Poehling
3 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Herr Goergen, das wird unweigerlich kommen. Weil die EU sonst von der Landkarte gepustet werden wird. Was da im Süden und Osten auf uns seit Jahren in Massen einströmt und was sich derweil rund um Taiwan herum an Kriegsdonner aufbaut, setzt uns unter enormen Zugzwang. Entweder hier reißen sich bald alle zusammen, machen den Rundumschlag und bauen die EU von unten nach oben auf, oder sie ist bald Geschichte. Ein Kontinent, der sich hartnäckig weigert, sich selbst zu verteidigen, ist die durch Feinde am leichtesten einzunehmende Landmasse. Und genau das wird passieren, wenn sich hier nicht alle zusammenraufen und begreifen,… Mehr

Axel Fachtan
3 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Ich will das, aber keiner von denen, die demnächst in der Verantwortung stehen, will oder kann das. Hofreiter (möglicher Verteidigungsminister) und Baerbock (mögliche Außenministerin) werden sowas Tollkühnes sicher nicht versuchen. Die werden erstmal gepflegt über die eigenen Füße stolpern.

Uli Altvater
3 Jahre her

Die USA und auch Europa sind von der Chipproduktion in Taiwan abhängig. Das schlägt derzeit zum Beispiel, aber nicht nur, auf die Automobilproduktion auf beiden Kontinenten durch. Es bleibt den USA gar nichts anderes übrig, als Taiwan zu verteidigen, sonst bricht die Wirtschaft zusammen. Man versucht jetzt schnellstens, eigene Werke wieder aufzubauen, um aus der Abhängigkeit rauszukommen. Die chinesische Führung ist hoffentlich umsichtig genug, hier keiner Fehleinschätzung zu unterliegen. Militärische Auseinandersetzungen kennen keine Gewinner.

Tacitus
3 Jahre her

Naja, vielleicht …
Ich kenne die Streitkräfte von Aussie-Land, die ja vornehmlich in Townsville (Queensland) beheimatet sind. Ich kenne teilweise die Forces des United Kingdoms. Beide zusammen können nicht nur ansatzweise die Stellung der EU ersetzen.
Dennoch: wenn die USA wollen, dass die EU umgangen wird, dann werden sie das tun. Von den Aussies weiß ich jedenfalls sehr konkret und persönlich, dass sie nur den USA folgen würden.

Ralf Poehling
3 Jahre her

Ich sage es schon seit Jahren: Die EU braucht eine eigene Verteidigung. Eine eigene Verteidigung, die zuvorderst erst einmal europäische Interessen in der Welt vertritt. Alles andere ist Blödsinn. Und unter diesem Schutzschirm wird es die Europäer zusammenschweißen. Gemeinsame Verteidigung nach außen, kulturelle Toleranz und laissez faire nach innen. Im Moment ist es genau umgekehrt. Darum funktioniert in der EU gar nichts. Der Nationalstaat ist dabei zuerst einmal gar nicht das Problem. Das Problem ist, dass es bisher keinen gemeinsamen Rahmen für die EU Mitgliedsländer gibt, unter dem sich alle gerne vereinen. Die Mitgliedschaft in der EU muss zum Vorteil… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Ralf Poehling
Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Die Analyse ist falsch. Der eigentliche Wendepunkt für die USA ist, dass China erstmals seit 1946 die UdSSR bzw Russland als größte Bedrohung für die USA abgelöst hat. Und im Gegensatz zur Sowjetunion ist China nicht „Obervolta mit Raketen“, sondern auf der wirtschaftlichen Überholspur, was sich militärtechnologisch auszahlt.
Oder kurz: die USA haben erstmals seit dem kalten Krieg wieder Schiss und zwar zurecht.