Die Briefwahl ist undemokratisch, denn sie kann nicht geheim sein

Eine demokratische Wahl verlangt unbedingt und ohne jede Ausnahme, das Wahlgeheimnis durch die garantiert persönliche Stimmabgabe sicherzustellen. Das schließt jede Form von Briefwahl aus.

IMAGO / Eibner
Briefwahlunterlagen für die Landtagswahl in Baden-Württemberg

Im Wahllokal würde der gleiche Zustand wie bei der Briefwahl herrschen, wenn eine Person oder mehrere Personen den Wahlberechtigten in die Wahlkabine begleiteten und irgendeiner von ihnen den Stimmzettel dort ankreuzte.

Das ist ebenso offenkundig, wie sich darum niemand kümmert – wie bei vielen Dingen, die die Leute nie anders erlebt haben und ungefragt hinnehmen.

Eine demokratische Wahl verlangt bedingungslos und ohne jede Ausnahme, das Wahlgeheimnis durch die garantiert persönliche Stimmabgabe sicherzustellen. Das ist anders als durch das unbeeinflussbare Ankreuzen auf einem Zettel und Einwerfen in eine nicht manipulierbare Urne nicht möglich.

Von der ursprünglichen Begründung der Briefwahl für Kranke und körperlich nicht Bewegliche hat sich die Wirklichkeit längst so weit entfernt, dass sie der Briefwahl für alle näher ist als der strikt persönlichen, geheimen Stimmabgabe. Können solche Bürger nicht ins Wahllokal kommen, muss eben das Wahllokal mit mobiler Wahlkabine und Urne zu ihnen gehen – einschließlich der Bürger, die den Vorgang überwachen wollen. Die elektronische Stimmabgabe (in Estland beliebt) ist die Quadratur der Briefwahl in der Abschaffung der geheimen Wahl.

Vom aktiven Wahlrecht zum passiven: also zum Kandidieren.

Wer das aktive Wahlrecht hat, muss nach meinem Verständnis von Demokratie auch das passive Wahlrecht haben, also kandidieren können. Dort wo er lebt, versteht sich, bürokratisch: wo er seinen ersten Wohnsitz hat.

Dieses passive Wahlrecht darf nicht von der Zustimmung anderer abhängig sein. In der deutschen Wirklichkeit verlangt das die Abschaffung des Parteienprivilegs. Parteien als quasi Zulassungsbehörden für Kandidaturen sind eine folgenschwere Verirrung von Demokratie. Und eine nicht begründbare Einschränkung des passiven Wahlrechts.

Die ganze Parteiengesetzgebung, Parteienfinanzierung eingeschlossen, ist demokratieschädlich. Parteien verdienen keinen anderen Status als andere eingetragene Vereine. Als private Vereine können sie sich von mir aus so sehr für die Wahl von Kandidaten einsetzen, wie sie wollen. Und von wem auch immer Spenden annehmen – bei öffentlicher Transparenz. Aber darüber entscheiden, wer kandidiert, das dürfen sie in meinem Demokratieverständnis nicht.

Den real existierenden deutschen Parteienstaat auf Demokratie zurückzurüsten – ist eine gewaltige Aufgabe. Ohne das Parteienprivileg zu streichen, ist Demokratie in Deutschland nicht wieder herstellbar. Relativ viel Demokratie war ganz zu Beginn der Bonner Republik, weil damals noch relativ wenig Partei war.

Die vielen Einwände gegen Parlamente, die nur aus Direktgewählten bestehen, sind mir bekannt.

Um nur einen aufzuspießen: Mir sind Abgeordnete lieber, die nur kandidieren konnten, weil sie schon genug Geld verdient haben, als Parteienkandidaten, die nur Abgeordnete werden wollen, um an viel Geld zu kommen.

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Kommentare ( 67 )

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67 Comments
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AM
1 Monat her

Bei dieser Kritik wird leider nie zwischen „richtiger“ und „direkter“ Briefwahl unterschieden. Die direkte Briefwahl bei der Gemeinde mit unmittelbarer Abgabe der Stimme, die mittlerweile viele Menschen inklusive meiner Wenigkeit wahrnehmen, unterscheidet sich eher formal denn praktisch von der Stimmabgabe im Wahllokal. Da ist wenig gegen zu sagen. Die genannten Befürchtungen treffen nur auf die klassische Briefwahl zu. Stellt sich also die Frage, welcher Anteil das überhaupt ist. Wenn ich von mir und meinem Umfeld ausgehe, so sind das wahrscheinlich eher wenige. Der sogenannte „massive Anstieg der Briefwähler“ ist daher eher ein scheinbarer, ausgelöst durch die Leute, die nach der… Mehr

Agrophysiker
1 Monat her

Die vorgebrachten Argumente gegen die Briefwahl sind alle richtig, aber keineswegs vollständig. So eröffnet die Briefwahl letztendlich die Möglichkeit des Stimmenkaufs (oder Erpressung). Denn die (unausgefüllten) Wahlunterlagen + unterschriebener Wahlschein sind damit eine potenzielle Handelsware (Da gab es sogar einmal eine Untercoverreportage aus Michigan. Demnach gäbe es da längst organisierte Stimmenauktionen). Dass es in Alternheimen etc. im großen Stil zu einem „betreuten“ Wählen kommt, darf man als gesichert annehmen. Und dann gibt es weitere Manipulationsmöglichkeiten. Man beantragt für (wahrscheinliche) Nichtwähler die Wahlunterlagen (gefälschte Unterschrift) und fällt diese aus. Wenn das Insider machen (sollten), ist es recht unwahrscheinlich, dass es bekannt… Mehr

Dellson
1 Monat her

Es wird über das Ergebnis der Auszählung der Briefwahl diskutiert. Mir stellt sich eine viel wichtigere Frage. Wer hat alles Zugriff auf den Verwahrort dieser vorab abgegeben Briefwahlstimmen? Wenn diese Kuverts in einer Kommune in einem Rathaus in einem Tresor oder sonstwo liegen ist es doch viel wichtiger zu wissen wer darauf Zugriff hat. Und dann ist es doch ein Leichtes diese Kuverts ohne Zuordnung ihrer Aussteller einfach auszutauschen? Wie ist denn hier das Procedere? In Deutschland sind doch alle Vorgänge sehr reglementiert und vorgeschrieben. Nur was nützt es, wenn das vorher niemand sicherstellen kann und es permanent nicht überwacht… Mehr

andreas
1 Monat her

Brandenburg. Afd im Wahllokal ca. 35 Prozent, bei der Briefwahl um 20. Jeder Statistiker wird einem sagen, dass sowas extrem unwahrscheinlich ist. In Österreich hat es jemand bei der letzten EU Wahl untersucht. Es sind Verteilungen, die es eigentlich nicht geben kann. Sicher schaffen die meisten Journalisten keinen einfachen Dreisatz aber die Alternativen Medien sollten es nicht einfach so hinnehmen.

Retlapsneklow
1 Monat her
Antworten an  andreas

Ganz einfach zu erklären: AfD-Wähler misstrauen der Briefwahl eher. Darum gehen sie ins Wahllokal.

andreas
1 Monat her
Antworten an  Retlapsneklow

Sorry, aber so gross ist der Einfluß KEINER Partei um eine solche Differenz zu erklären. Das müssten zwei getrennte Grundgesamtheiten sein, was aber eindeutig nicht der Fall ist.

Moses
1 Monat her

Wenn in Deutschland unerwartet jemand Kanzler wird, der sich mehr für das Land als für die eigene Macht interessiert und die Demokratie in Deutschland wiederherstellen möchte, muss er zunächst das demokratische Wahlverfahren wiederherstellen.

rainer erich
1 Monat her

So ist es. Aber Zufall ist dieser Befund natuerlich nicht. So ziemlich das Letzte, was die Alliierten ( und vermutlich auch ihre parteiaffinen Handlanger in Sch’land) wollten, war die Herrschaft des Demos, des deutschen Staatsvolkes“, das, ewig boese und massiv kontrollbeduerftig, immerhin Hitler “ gewaehlt“ hat. Allerdings duerstet dem groessten Teil dieses “ Demos“ auch nicht nach verantwortlichem Einfluss, auch nicht nach anderen wichtigen Faktoren, die eine Demokratie ausmachen. Bestenfalls ist es ihm egal, falls es ueberhaupt etwas begreift, in der Regel findet er es alles in allem recht so. Eine derjenigen, die es nicht nur erkannte, sondern auch umsetzte,… Mehr

Logiker
1 Monat her

Es ist absurd, aber passt ins Bild dieser opportunistischen und verlogenen „unseren“ Demokratie: diejenigen, die verbal mit lautem Getöse oder triefender Betroffenheit „Zeichen setzen“ für „unsere“ Demokratie und im „Kampf gegen rechts“, verstecken sich hinter der Briefwahl, anstatt mit ihrer persönlichen Präsenz im Wahllokal zu zeigen, dass sie es ernst meinen mit der Demokratie und auf diese Weise ein ganz persönlichen Zeichen setzen bzw. den gebotenen Respekt vor einer demokratischen Wahl zeigen. Bis auf begründete Ausnahmen sollte es für jeden Bürger, der wählen will, Pflicht sein, persönlich im Wahllokal zu erscheinen. Wie z.B. in Frankreich und anderswo Usus. Ganz abgesehen… Mehr

Last edited 1 Monat her by Logiker
Irdifu
1 Monat her

Die Briefwahl wurde anscheinend erfunden , um Wahlen so ausgehen zu lassen , wie es sich das System wünscht . 2021 bei der BTW wurde sogar von den Zwangsfinanzierten Propagandasendern ARD ,ZDF und ihren Hunderten Radiosendern für diese Form der Wahl geworben , warum wohl ? Und demnächst werden wohl den neuen Eingedeutschten ( denen der deutsche Pass regelrecht aufgedrängt wird )als Gegenleistung für das Bürgergeld und Luxuswohnungen bereits ausgefüllte Briefwahlunterlagen zugesandt . Gut dass das Wahlalter für Jugendliche eingeführt wurde , der Schuss ging nämlich bisher für die Linksgrüne Blase ins eigene Knie , wie seit der Europawahl zu… Mehr

moorwald
1 Monat her

Es gibt etwa 800 00 Auslandschweizer. Die allermeisten von ihnen dürften stimmberechtigt sein und ihr Stimmrecht per Brief ausüben. Dies geschieht so, daß der Stimmzettel in einen anonymisierten Umschlag gelegt wird und dieser dann in den vom Stimmberechtigten unterschriebenen Wahlbirief, der an das Wahlbüro geht.
Mit ist nicht bekannt, daß in diesem urdemokratischen Land Einwände gegen dieses Verfahren vorgebracht wurden.
Ohne ein MIndestmaß an Vertrauen in die Institutionen geht es nirgends – egal ob Briefwahl oder persönliche Wahl.

Michael Palusch
1 Monat her
Antworten an  moorwald

„Ohne ein MIndestmaß an Vertrauen in die Institutionen geht es nirgends“
Aber genau da stossen wir in Deutschland auf das fundamentale Problem.

Nibelung
1 Monat her

Über die popeligen Abgeordneten-Saläre läßt sich trefflich streiten, denn das ist jeweils eine Frage der eigenen Betrachtung und sicherlich sind solche Abgeordnete in gut situierten Verhältnissen unabhänger, als die lohnabhängigen Hinterbänkler, denn wer frei und unabhängig sein Einkommen selbst bestimmen und bestreiten will, kann allenfalls nur Diktator werden oder er übt es an anderer Stelle aus, was er dann mit sich selbst zu vereinbaren hat, während politischerseits ein ganzes Land dranhängt und das ist die eigentliche Krux, die uns mit dieser Konstellation in den Ruin treiben kann.