Die derzeitigen Niedrigstzinsen verführen immer mehr Deutsche, in Immobilien zu investieren. Bei differenzierter Betrachtung kann sich das als Fehler fürs ganze Leben erweisen.
Der mit allen Wassern gewaschene Immobilienexperte Hartmut Bulwien hat es geschafft, dass die Deutsche Bundesbank die Daten seiner BulwienGesa AG verwendet, wenn es um Wohntrends und bezahlbare Mieten, um Quadratmeterpreise und Städterankings geht. Was den letzten Punkt betrifft, hatte er neulich beim „immpresseclub“ den Schalk im Nacken. Da behauptete er, durch die Verwendung entsprechender Daten lasse sich fast jede Stadt auf die Spitze des Rankings katapultieren.
Nur ein Gag? Keineswegs. Gut, München dominiert sowohl im Immobilienindex von 1975 bis 2014 als auch im Ranking nach Kriterien wie Wohlstand, Arbeitsmarkt, Lebensqualität, Erreichbarkeit u.a. Doch ab Platz zwei wird es kunterbunt: Laut Index folgen auf die Bayernmetropole: Regensburg, Rosenheim, Wiesbaden und Trier, gemäß Ranking dagegen Karlsruhe, Frankfurt, Stuttgart und Freiburg. Aber ist München wirklich Top? Nicht, wenn es nach dem von Bulwien geschätzten HWWI/Berenberg Städteranking geht. Da nimmt Frankfurt Platz eins ein, erst danach folgen München, Bonn, Düsseldorf und Berlin.
Frankfurt kontra München
Diese wenigen Beispiele zeigen: Mithilfe von Daten lässt sich leicht ein X für ein U vormachen. Dementsprechend sind die in vielen Medien veröffentlichten Hits und Flops mit Vorsicht zu genießen. München schön und gut, allein schon der FC Bayern sorgt für genug internationale Aufmerksamkeit, die Biergärten und das bald stattfindende Oktoberfest tun ein Übriges. Doch wenn es um die Erreichbarkeit geht, liegt unter den Metropolen Frankfurt vorn. Und wer dort die täglich immer mehr anschwellende Schar von Chinesen beobachtet, die sich über die Innenstadt und am Römer vorbei bis zum Main bewegt, weiß warum: Weil Frankfurt über einen größeren Flughafen verfügt als München.
Mehr Faktoren gefällig, die für die Preisentwicklung von Immobilien entscheidend sind? Klar: die verführerisch niedrigen Zinsen und das Trio Lage, Lage, Lage. Hinzu gesellen sich: Arbeitsplätze, Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Kitas, Schulen, Unis, Freizeitangebote und Ambiente – womit wir bei Wohnimmobilien sind, auf die wir uns heute konzentrieren wollen. Denn anders als Gewerbeimmobilien, wie etwa Shoppingcenter oder Büros, kann man Wohnhäuser und Eigentumswohnungen auch direkt als Einzelobjekte kaufen statt in Fonds oder in Aktien verpackt.
Einmal entschieden, für immer entschieden
Hier kommen wir gleich zum ersten Problem: Da Häuser und Wohnungen für die meisten Menschen eine relativ hohe Investition bedeuten, bilden sie ein Klumpenrisiko. Mehr noch: Wer zum Beispiel ein Auto kauft oder mit Aktien spekuliert, sammelt im Lauf der Jahre Erfahrungen, sodass beim nächsten Autokauf einfach die Marke gewechselt wird, falls die alte Karosse nichts getaugt hat. Und der nächste Aktienkauf erfolgt im Zweifel erst nach gründlicher Analyse von Geschäftsberichten, Kennzahlen und Ad hoc-Meldungen. Dagegen sind solche Möglichkeiten zur Korrektur von Entscheidungen den meisten Immobilieneigentümern – von den reichen unter ihnen abgesehen – in der Regel verwehrt.
Der Wert von Immobilien stellt sich erst heraus, wenn sie verkauft sind. Es mag noch so verrückt erscheinen, aber dieser Aspekt spielt während der Kaufverhandlungen mit Maklern oder potenziellen Käufern und sogar während der Vorlese-Prozedur bei den meisten Notaren nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Dabei handelt es sich überwiegend um Objekte, die nicht mal eben liquidierbar sind. Gut, solche in den Zentren der deutschen Metropolen und Universitätsstädte lassen sich derzeit wohl in den meisten Fällen schnell zu Geld machen. Es gab allerdings auch schon mal andere Zeiten; man denke nur an die zweite Hälfte der 90er Jahre. Was zur Erkenntnis führt, dass der Erfolg von Immobilienverkäufen nicht nur eine Funktion des Preises, sondern auch eine Funktion der Zeit bis zur Liquidation ist.
Wenn der Papagei von nebenan nervt
Wer in diesen Tagen vor einer möglichen Kaufentscheidung steht, sollte über die hier bisher vorgetragenen Argumente unbedingt noch weitere beachten. Da ist zunächst die Grunderwerbsteuer, die den Bundesländern zugute kommt und bis zu 6,5 Prozent vom Kaufpreis betragen kann, wie etwa im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Sieht man von der Maklercourtage ab, weil Verkäufer sie zahlen sollen (was jedoch nicht in Stein gemeißelt ist), kommen auf jeden Fall noch Notar- und Gerichtsgebühren hinzu, sodass die Nebenkosten für Käufer sich auf mindestens 8 bis 9 Prozent summieren. Das bedeutet: Legen wir nur 8 Prozent zugrunde, muss der Wert eines Objekts um fast 8,7 Prozent (von 92 auf 100) steigen, damit der Einstandspreis erreicht wird.
Bis hierher gelten die Kritikpunkte für selbst genutzte wie auch für vermietete Häuser und Wohnungen. Im ersten Fall spielen neben den erwähnten Fakten, wie Lage oder Infrastruktur, auch Emotionen eine große Rolle. Im zweiten Fall sollten diese sich eigentlich von selbst verbieten, weil es hier primär um Rendite und eventuelle Wertsteigerung geht. Doch wenn schon nicht Emotionen eine Rolle spielen, dann vielfach doch Illusionen. Und was für welche! Da hat der Verkäufer eine Komplettrenovierung vorgetäuscht, aber bereits nach wenigen Monaten stellt sich heraus, dass es nur eine Pinselsanierung war. Oder man hat Mieter als Renditebringer lieb, solange sie ihre Miete pünktlich zahlen – bis sie die mindern, weil ihnen der Papagei von nebenan auf die Nerven geht. Oder der Verwaltungsaufwand ist so zeitraubend, dass daraus ein zweiter Job wird. Ganz zu schweigen von Eigentümergemeinschaften, in die sich nur allzu oft mindestens ein Querulant eingeschlichen hat.
Grausamkeiten gegen Vermieter
Einer der größten Renditeräuber ist der Staat. Dazu hat ein Verbund aus Wohnungsfirmen, Baubranche und Deutschem Mieterbund eine Studie mit bemerkenswerten Ergebnissen erstellt. Sie kommt zum Ergebnis, dass die Quadratmeterkosten eines durchschnittlichen Mehrfamilienhauses in den Jahren von 2000 bis 2014 um fast 40 Prozent gestiegen sind. Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise, in denen übrigens Mieten den größten Posten bilden, sind in derselben Zeit nur um 25 Prozent gestiegen, die reinen Baukosten um 27 Prozent. Die Ursachen für das weite Auseinanderklaffen der Anstiege sind schnell gefunden: staatliche Eingriffe wie mehr Energieeffizienz, neue Normen, sonstige Auflagen, Schall- und Brandschutz, Planungskosten und nicht zuletzt höhere Baulandpreise.
Schließlich sollte die viel diskutierte Mietpreisbremse in der Aufzählung der Grausamkeiten gegen Vermieter nicht fehlen. Das wohl Interessanteste an ihr: Sie gilt zwar schon in dem einen oder anderen Bundesland, aber erst für etwa 17 Prozent des verfügbaren Mietwohnungsbestands gibt es qualifizierte Mietspiegel, die der Bremse zugrunde liegen müssen. Wem als potenziellem Vermieter auch so etwas nicht skurril genug erscheint, kann ja noch darüber nachdenken, wie sich die Preise für Immobilien im Zuge der Verstädterung, Gentrifizierung und Einwanderung riesiger Flüchtlingsströme entwickeln werden – eine Rechnung mit einfach zu vielen Unbekannten. Fazit – außer für Reiche, deren Vermögen ausreichend diversifiziert ist: Finger weg von Mietimmobilien!
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