Countdown Nummer x: Am kommenden Donnerstag muss Griechenland Geld an den IWF zahlen, im Mai wieder. Da bietet es sich an, wenigstens von Altschulden loszukommen. Die Vorbereitungen darauf laufen schon.
Mit größter Wahrscheinlichkeit möchten Sie nicht schon wieder an Griechenland erinnert werden. Und dennoch, spätestens am kommenden Donnerstag wird es wieder so weit sein: Dann sollen die Griechen gut 450 Millionen Euro – die Angaben schwanken ein wenig – an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen. Doch woher nehmen? Das Geld sei da, heißt es. Aber vielleicht könne man die Summe doch nicht pünktlich zahlen. So oder ähnlich wird es weiter gehen, denn gut einen Monat später ist der nächste Betrag fällig, dann sogar an die 770 Millionen Euro.
Axel D. Angermann, Chefvolkswirt der Feri EuroRating Services, ist von dem ganzen Hickhack schon lange nicht mehr überrascht. Er erwartet nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent den viel diskutierten Grexit, also den Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Dagegen gibt er 75 Prozent Wahrscheinlichkeit einem Schuldenschnitt. „Den haben wir schon lange auf dem Schirm“, legt er nach. Für diese Alternative spreche, dass der Staatshaushalt dann auf Vordermann gebracht werden könnte, dass die Regierung mehr Flexibilität bei ihren Ausgaben hätte und dass die Verlängerung der Laufzeit von griechischen Staatsanleihen bei Verzicht auf Zinszahlungen formell an der Höhe der Forderungen von Gläubigern kaum etwas ändern würde. Der Schuldenschnitt heißt denn auch im besten Finanzdeutsch implizit.
Der Schuldenschnitt lässt sich verschleiern
Angermann beziffert die Verschuldung Griechenlands mit 320 Milliarden Euro; davon gehen drei Viertel auf das Konto der öffentlichen Hand. Und wer sind die Gläubiger? Die EFSF (European Financial Stability Facility) mit 142 Milliarden Euro, verschiedene Länder mit 53, der IWF mit 35 und die EZB mit 30 Milliarden Euro. 60 weitere Milliarden entfallen auf verschiedene andere Gläubiger. Die EFSF ist eine private Kapitalgesellschaft nach Luxemburger Recht. Sie kann dringend notwendige Kredite an Länder der Eurozone vergeben, falls deren Probleme die ganze Währungsunion in Gefahr zu bringen drohen. Ihre Kreditvergabekapazität beträgt 440 Milliarden Euro. Deutschland ist an ihr mit etwas über 27 Prozent beteiligt.
An sich müssten all diese Daten in Deutschland und anderswo einen neuen Sturm der Entrüstung auslösen. Aber nichts dergleichen geschieht mehr, und das ist sogar verständlich. Man braucht sich ja nur vorzustellen, während der zahlreichen Quatschrunden im Fernsehen würden zwei Professoren mit ihren konträren Ansichten zur EFSF aufeinander losgehen. Dann dürfte die Einschaltquote gegen Null sinken, und der Moderator wäre seinen Job los. Im Übrigen weist Angermann noch auf einen wichtigen Punkt hin: Dadurch, dass die Höhe der Forderungen an Griechenland formell erhalten bliebe, lasse sich der Schuldenschnitt weitgehend verschleiern. „Und die Politik kann man so umgehen“, ergänzt Angermann. Die Bundesregierung brauche dann weder der Opposition, die im Bundestag de facto ohnehin nicht mehr existiert, noch der Bevölkerung klar zu machen, in welche Situation Deutschland da reingeraten sei.
Das Spiel mit dem Feuer geht weiter
Aber wird aus all dem nicht allmählich ein Spiel mit dem Feuer? Ich bin neulich darauf gekommen, als im ZDF „Die Anstalt“ lief, die massiv auf die sozialen Probleme der griechischen Bevölkerung einging. Bei mir blieb von der Sendung haften: Die Gläubiger Griechenlands sind die Bösen. Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, sieht das anders: Die jetzige griechische Regierung habe Politik zugunsten der kleinen Frau und des kleinen Mannes versprochen. Herausgekommen sei dagegen, „dass jetzt die Sozialkassen Griechenlands zugunsten des öffentlichen Haushalts für laufende Ausgaben in Anspruch genommen werden. Diese Politik hat mit Verantwortung für die kleine Frau und den kleinen Mann nichts gemein.“
Das Spiel mit dem Feuer geht noch weiter, und damit könnte es schon am kommenden Donnerstag große Gefahren sogar für das Finanzsystem heraufbeschwören, falls der IWF bei seiner Forderung in Höhe von gut 420 Euro klein beigeben sollte. Bisher war der IWF von den drei Troika-Mitgliedern – die beiden anderen sind die EU und die EZB – am strengsten, wenn es um die Auflagen gegen Griechenland und die anderen Euroländer ging. Würde er jetzt nicht mehr hart bleiben, könnten Euroländer wie Irland, Spanien und Portugal, die ihre Reformen bisher konsequent durchgezogen haben, davon abrücken. Und nicht minder schlimm: Frankreich, dessen Wirtschaft zum Teil ziemlich angeschlagen wirkt, dürfte die Lust an Reformen ganz verlieren.
Ein Restrisiko bleibt
Als wenn es nicht schon genug Ärger wegen Griechenland gäbe, mischen sich nun in die Rettungsdebatte auch noch amerikanische Professoren wie Paul Krugman und Joseph Stiglitz ein. Das ist das Allerletzte, was wir brauchen, und ein weiteres Spiel mit dem Feuer. Es erinnert mich an Krugmans Buch „Vergesst die Krise“ mit dem Untertitel „Warum wir jetzt Geld ausgeben müssen“. Dementsprechend ist der Inhalt. Ein Kapitel handelt sogar vom „Kaputtsparen“. Das prangert Krugman auch jetzt wieder an – nicht gerade originell.
Fazit: Das Griechenland-Problem dürfte uns noch viele Jahre lang begleiten. Aber nicht wie bisher mit lauten Debatten und gegenseitigen Stänkereien, sondern eher unterschwellig: Mit den Folgen des impliziten Kapitalschnitts, der bei geschicktem Schuldenmanagement nicht unbedingt für öffentliches Aufsehen zu sorgen braucht. Ein Restrisiko bleibt dennoch: Sollte die Öffentlichkeit in Gestalt der Teilnehmer an den Finanzmärkten in entscheidenden Momenten durchdrehen, kann es dort schnell zu Turbulenzen kommen. Für diesen Fall empfiehlt sich jetzt ein ordentlicher Batzen Tagesgeld mit dem Ziel, die Turbulenzen zu Schnäppchenkäufen an den Edelmetall- und später auch an den Aktienmärkten zu nutzen.
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