Die Griechen haben es gut, denn sie dürfen weiter über ihre Verhältnisse leben. Den Geldtransfer zu ihnen wird die EZB vom kommenden Monat an mittels Anleihenkauf besorgen. Aktienkurse werden signalisieren, ob das Experiment gelingt.
Diesen Satz hatte der griechische Finanzministerr Giannis Varoufakis schon eingeübt, bevor er ihn am Freitagabend feierlich der Öffentlichkeit präsentierte: „Das ist ein großer Tag für Griechenland und ein großer Tag für Europa.“ Mit dem ersten Teil lag er höchstwahrscheinlich richtig, denn er hatte für sein Land wieder einmal Zeit geschunden. Der zweite Teil ist dann eine einzige Frechheit, was sich aus einer weiteren Bemerkung von Varoufakis ableiten lässt: „Wenn die Institutionen (EU-Kommission, EZB und IWF) unsere Reformen am Montag nicht mögen, haben wir ein Problem. Dann ist die Abmachung (vom Freitag) gestorben.“ Man sagt, dass Frechheit siegt. Das trifft auch hier zu.
Halten wir fest: Die drei Institutionen, bisher Troika genannt, und die Euroländer haben die griechische Wirtschaft schon fast fünf Jahre lang auf Vordermann zu bringen versucht. Das Ergebnis ist erschreckend: Wirtschaftsleistung abwärts, Staatsschulden und Arbeitslosenquote aufwärts, Reformen – soweit überhaupt vorhanden – ohne nachhaltige Wirkung. Das heißt, de facto ist Griechenland pleite. Das will aber keine Regierung aus den Euroländern zugeben, denn damit würde man eine neue Diskussionsrunde zum möglichen Scheitern des Euro-Experiments einläuten. Also bleibt es dabei, dass Griechenland bis auf Weiteres massive finanzielle Unterstützung erhält, Dauer nicht vorhersehbar. Als Schaltstelle fungiert die EZB. Wie gut für die Griechen, dass die beschlossen hat, vom kommenden Monat an Anleihen aufzukaufen.
Gefahr droht von verschiedenen Seiten
Diese Entwicklung ist brandgefährlich – und trotzdem nicht mehr aufzuhalten, was unter anderem daraus hervorgeht, dass EZB-Chef Mario Draghi bei den Verhandlungen Griechenlands gegen den großen Rest der Eurozone am vergangenen Freitag eine zentrale Rolle gespielt hat. Seltsamerweise ist das in der öffentlichen Debatte so gut wie untergegangen. Dabei wird Draghi und niemand sonst den Geldtransfer nach Griechenland maßgebend bestimmen.
Gefahr droht von verschiedenen Seiten: von den Verhandlungspartnern, vom möglichen Ausscheren Griechenlands aus dem Euro oder ersatzweise von dessen Androhung, von Ländern wie Frankreich, Spanien oder Portugal, deren Regierungen nicht einsehen, warum sie im Gegensatz zu den Griechen weiter harte Reformen durchführen sollen, Gefahr droht aber auch und möglicherweise sogar entscheidend von den Kapitalmärkten. Die sind nämlich so anfällig wie schon lange nicht mehr. Das liegt daran, dass Staats- und Unternehmensanleihen solider Emittenten kaum noch Renditen abwerfen und Aktien zu Himmelsstürmern geworden sind, ohne dass fundamentale Daten wie Unternehmensgewinne, Finanzüberschüsse oder Auftragseingänge dieser Entwicklung gerecht werden.
Aktienkurse sind anfällig für Gewinnmitnahmen
Der letzte größere Kursrückschlag deutscher Aktien liegt fast vier Jahre zurück: Im Sommer 2011 fielen die Kurse wie vom Blitze getroffen um etwas mehr als 30 Prozent. Interessant war damals das Timing: Im Frühjahr 2010 hatte die Griechenland-Krise eingesetzt, ohne dass Börsianer davon Kenntnis zu nehmen schienen. Vielmehr erfreuten sie sich der Geldschwemme vonseiten der EZB. Es kam zu einer Liquiditätshausse, der die fundamentalen Daten hinterher hinkten. Damit war dann im Sommer 2011 Schluss.
Seit dem damaligen Tief haben sich die deutschen Aktienkurse, gemessen am Dax, mehr als verdoppelt. In letzter Zeit sind sie sogar exponentiell gestiegen, ein Zeichen für Übertreibung. Doch Börsianer argumentieren so: Solange die EZB den Geldhahn weit offen lässt, seien die hohen Kurse gerechtfertigt. Wir haben es also wieder mit einer Liquiditätshausse zu tun. Hinter ihr drohen die fundamentalen Daten immer mehr zurückzubleiben. Das macht die Kurse anfällig für Gewinnmitnahmen. Dabei kann der Griechenland-Effekt – egal, ob mit oder ohne Zeitverzögerung – wieder eine große Rolle spielen.
Das Vertrauen in Griechenland ist dahin
An der Börse handelt man nicht nur mit Aktien und anderen Wertpapieren, an der Börse wird einem bekannten Anlegerspruch zufolge auch Vertrauen gehandelt: Vertrauen in Manager und ihre Angestellten, in Geschäftsmodelle und -berichte, Produkte und Dienstleistungen, Analysen und Prognosen. Aber auch: Vertrauen in Politiker und Zentralbanker – womit wir wieder beim Thema Griechenland wären. Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte am vergangenen Freitag, nun müsste wieder Vertrauen aufgebaut werden. Daraus folgt, dass es vorher offenbar abhanden gekommen war. Und nun mal Hand aufs Herz: Wie viel Vertrauen verdient Griechenland, das sich 2001 in die Eurozone hineingemogelt, seine Schulden in immer höhere Sphären befördert und die Staatengemeinschaft mehrfach angepumpt hat?
Das Vertrauen der anderen Euroländer in Griechenland ist zweifellos dahin. Vorausgesetzt, die Griechen verlassen nicht doch noch die Eurozone, werden sie weiter auf Kosten von Deutschland & Co. wirtschaften, immer mehr Schulden machen, statt Reformen nur Reförmchen durchziehen und die anderen Euroländer stets von Neuem um Geduld bitten. Das wird an der Börse nicht gut ankommen und dort zunehmend die Stimmung verderben, schlimmstenfalls sogar schon in dieser Woche.
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