Geld in unvorstellbaren Mengen ergießt sich über Aktien, Immobilien und sogar immer noch über Anleihen, deren Renditen gegen null tendieren. Aber warum bleibt dann die Inflationsrate so niedrig? Gemach, ihr Anstieg ist so gut wie programmiert.
Negative Inflation – es ist schon seltsam, mit welchen Begriffen die Geldleute heutzutage jonglieren. Aber weil Inflation Aufblähung bedeutet und negative Inflation eigentlich Abblähung heißen müsste, kommt halt so ein komischer Begriff heraus. Wer es deftiger mag, spricht gleich von Deflation und meint damit: Preisrückgang. Nur, haben wir es jetzt wirklich mit einer Deflation zu tun? Ob diese Bezeichnung richtig ist, darüber streiten sich die Geister. Beispielsweise betont Bundesbank-Chef Jens Weidmann, Befürworter einer stabilen Währung, in der Eurozone gebe es keine Deflation. Dagegen hört man aus dem Internationalen Währungsfonds, der stark von amerikanischen Interessen geprägt ist, hin und wieder Ermahnungen, Europa solle doch endlich etwas gegen die Deflation unternehmen. Der Fonds residiert in Washington; die Amerikaner sorgen mit ihrer Stimmen-Sperrminorität dafür, dass er primär auf ihre Interessen Rücksicht nimmt.
Gegen Deutschland richtet sich der Vorwurf der angelsächsisch geprägten Länder wie auch der Mittelmeeranrainer aus der Eurozone, doch bitteschön weniger zimperlich zu sein und die Währungsstabilität nicht zu übertreiben. Dagegen verweisen deutsche Stabilitätsanhänger gern auf die Erfolge der Bundesbank mit der harten D-Mark in den Jahren vor der Euro-Einführung. Und sie fügen zur Erhärtung des eigenen Standpunkts hinzu, man müsse doch verstehen, dass Deutschland 1923 eine verheerende Hyperinflation erlebt habe. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei das in Geldwerten, wie Sparkonten und Anleihen, angelegte Vermögen wegen der vor Kriegsende aufgestauten Inflation bis auf eine schäbige Restgröße sogar wieder vernichtet worden. Erst nach der deutschen Währungsreform von 1948 kehrte das Vertrauen der Deutschen in die eigene, dann D-Mark statt Reichsmark genannte Währung zurück.
Eine explosive spekulative Mischung
Definieren wir Inflation, wie bereits erwähnt, als Aufblähung. Dann stellt sich die Frage, was aufgebläht wird. Zweifellos die Geldmenge. Sie wird immer größer: in den USA stark wachsend schon seit fast drei Jahrzehnten, in der Eurozone zwar noch nicht so lange, aber zuletzt erheblich beschleunigt, anderswo auf der ganzen Welt ebenfalls. Aber wie kann es sein, dass die offizielle Inflationsrate vorübergehend ins Minus gerutscht ist? Die Antwort überlasse ich dem amerikanischen Professor Martin Feldstein. Er hat sie wie folgt gegeben: „Man muss unterscheiden zwischen der Geldmenge, die die Zentralbank in das Bankensystem pumpt, und der Geldmenge, die sich im Besitz der Nichtbanken befindet. Letztere ist die für die Inflation relevante Geldmenge. Sie setzt sich aus dem Bargeld und den Einlagen der Unternehmen und der privaten Haushalte bei den Geschäftsbanken zusammen.“
Zu den Nichtbanken gehören neben Unternehmen und privaten Haushalten auch all die Spekulanten, die dank rasant gefallener Zinsen die Anleihenkurse in die Höhe getrieben haben, dazu gehören die Käufer von Aktien, die den Dax hoch hinaus über 12.000 Punkte gejagt haben, und weitere Spekulanten, die für die Aufblähung der Immobilienpreise verantwortlich sind, was ihnen trotz überzogener Grunderwerbsteuer zulasten der Käufer und trotz drohender Mietpreisbremse gelungen ist. Das alles nennt man Asset Inflation; Asset bedeutet Vermögen, Asset Inflation folglich Aufblähung von Vermögenswerten.
Inflation ist ein dynamischer Prozess
Die EZB bleibt ihrer lockeren Geldpolitik ebenso treu wie die Fed in den USA (obwohl diese oft so tut, als wolle sie bald davon Abstand nehmen). Beide haben ein Inflationsziel ausgegeben, hüben etwas unter, drüben glatt 2 Prozent. Was das soll? Die Antworten der Geldpolitiker fallen vage aus. Warum, liegt auf der Hand: Weil sie wissen, dass die Inflation, sobald sie in Gang kommt, nicht so einfach bei 2 Prozent zu stoppen sein wird. Es handelt sich ja um einen dynamischen Prozess: Sind 2 Prozent erst einmal erreicht, steigen neben der Inflationsrate auch die Inflationserwartungen. Die Menschen besinnen sich der gefühlten Inflation, die im Gegensatz zur kollektiven Inflation von einem individuellen Warenkorb ausgeht und allemal höher ist.
Im kollektiven deutschen Warenkorb bildet alles rund ums Haus (Miete und Nebenkosten) bei derzeit 31,7 Prozent Anteil das Schwergewicht. Mit großem Abstand und 13,5 Prozent Anteil folgt der Verkehr, mit 11,5 Prozent Freizeit/Kultur/Unterhaltung und mit 10,3 Prozent erst an vierter Stelle der Sektor Nahrungsmittel einschließlich alkoholfreier Getränke.
Finger weg von Langläufern!
Unter der Geldschwemme hat der Euro im Vergleich zum Dollar, aber auch zu manch anderen Währungen stark gelitten. Daraus kann sich die importierte Inflation entwickeln, weil die Euro-Kaufkraft durch die Abwertung abgenommen hat. Fallen obendrein die preisdämpfenden Effekte der Globalisierung weg, lohnt sich also zum Beispiel die Produktion in China für deutsche Unternehmen nicht mehr so wie in den vergangenen Jahren, kann die Inflation schneller in die Eurozone und besonders auch nach Deutschland zurückkommen als allgemein erwartet.
Dabei handelt es sich um eine Entwicklung, die man in ähnlicher Art über Jahrhunderte zurückverfolgen kann und die geradezu etwas Zwanghaftes an sich hat: Staaten als die größten Schuldner verschulden sich so hoch, dass ihnen die Entschuldung mit stabilem Geld eines Tages nicht mehr möglich ist. Folglich sorgen sie in trauter Eintracht mit ihren Zentralbanken durch Inflation für weniger stabiles Geld. Damit können sie sich dann entschulden. Die Dummen sind ihre Gläubiger, also etwa die Besitzer von nicht inflationsgeschützten Staatsanleihen. Je länger deren Laufzeit ist, desto gefährlicher werden sie für Anleger.
Schutz vor Inflation ist möglich
Ein Phänomen, das hier eine wichtige Rolle spielt, ist die Asymmetrie zwischen Inflation und Deflation: Steigt die Inflationsrate, sind Schuldner die Gewinner, Gläubiger die Verlierer. Kommt es dagegen zur Deflation, sind Gläubiger zwar die Gewinner, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Schuldner nicht pleite gehen. Pleiten sind indes bei Deflation an der Tagesordnung. Warum nicht allein der Internationale Währungsfonds vor Deflation warnt, sondern auch eine ganze Phalanx von angelsächsisch angehauchten Professoren, wird erst verständlich, wenn man sich vorstellt, ein Staat müsste seine Schulden mit deflationiertem Geld abtragen, also real mehr Schulden zurückzahlen, als er aufgenommen hat. Allein die staatlichen Hoheitsrechte sprechen dagegen, dass so etwas je geschehen kann. Daraus lässt sich schließen, dass die nächste Inflationswelle so gut wie programmiert ist. Lediglich der Zeithorizont steht noch nicht fest. Irgendwann noch in diesem Jahrzehnt, das ist bestimmt eine Wette wert.
Anleger können sich vor Inflation schützen. Die einen haben es bisher – quasi in vorauseilender Spekulation – vor allem mit Immobilien und Aktien versucht. Andere setzen jetzt wieder verstärkt auf Gold. Wieder andere bereiten sich gerade mit inflationsgeschützten Bundesanleihen auf die kommende Geldentwertung vor. Wegen des unklaren Zeithorizonts bezüglich der Entwicklung der Inflation sollte man hier nicht zu kurze Laufzeiten wählen, denn solche Anleihen spielen ihren Vorteil erst dann ganz aus, wenn die Inflationsrate spürbar klettert. Zwei Beispiele, mit denen Sie kaum etwas falsch machen können: die inflationsgeschützten Bundesanleihen mit den Wertpapier-Kennnummern 103052 (Laufzeit bis 2020) und 103054 (Laufzeit bis 2023).
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