Viele Anleger übernehmen lieber unausgereifte Prognosen anderer, statt sich selbst Gedanken über die Börse zu machen, besonders in der Zeit vor der Jahreswende. Es geht auch anders, vor allem erfolgreicher. Die meisten Prognosen für 2015 sind veröffentlicht. Viele Anleger lieben sie, weil sie ihnen das eigene Denken ersparen. So war es vor jeder Jahreswende, so ist es auch jetzt. Immer wieder im Fokus: der Dax. Um genau zu sein: der Performance-Dax, der uns im Gegensatz zum Kurs-Dax glauben macht, wir seien reicher als wir sind. Denn er enthält Dividenden, der Kurs-Dax nicht. Dieser hat es im bisherigen Jahresverlauf gerade mal auf ein Ergebnis von plus/minus null gebracht und damit nach der Hitliste des Börsenspezialdienstes wellenreiter-invest.de weltweit nur auf Platz Nummer 34.
Die Index-Verliebtheit der Anleger entspricht ihrer Horoskop-Gläubigkeit: Die einen lassen sich mithilfe sogenannter Charts, also Grafiken, Kurse interpretieren, an denen es nichts zu interpretieren gibt, weil sie im Fall Dax einen gewichteten Durchschnitt von 30 Aktien wiedergeben. Die anderen nehmen nichtssagende Floskeln für bare Münze – es könnte ja etwas dran sein, wenn das Horoskop Glück in der Liebe oder an der Börse verheißt.
Der Dax als Verwandlungskünstler
Was als Interpretation der Chartisten daherkommt, ist in der Regel ein Spiel mit der Denkfaulheit der Anleger. Das lässt sich am Dax besonders gut nachweisen. Er startete am 1. Juli 1988 zum Teil mit anderen Aktien, als heute in ihm enthalten sind, wie Kaufhof und Karstadt, Nixdorf und Mannesmann, Schering und Deutsche Babcock. Letztere wurde sogar zum Pleitefall. Im Lauf der Jahre kamen und gingen weitere Pleitefälle wie Metallgesellschaft und Hypo Real Estate, außerdem kurzfristige Dax-Besucher wie MLP und Salzgitter. Der Dax von heute ist also nicht der Dax von gestern, und schon deshalb taugen die Regeln von vorgestern nicht für morgen.
Macht nichts, behaupten die Chartinterpreten und dichten jeder erdenklichen Dax-Bewegung eine Widerstandslinie, Bullenfalle oder Schulter-Kopf-Schulter Bewegung an. Das gemeine Anlegervolk will es ja so haben, am liebsten noch garniert mit der Zugabe von Dollar- und Goldprognosen. Der Psychologe Gerd Gigerenzer hat sich mal den Spaß erlaubt, Dax- und Dollarprognosen führender Banken wie JP Morgan und UBS, Morgan Stanley und Credit Suisse ein Jahr später auf ihren Gehalt zu überprüfen. Sein wesentliches Ergebnis gipfelte im Urteil: „erschreckend schlecht“.
Eine Fundgrube für alle Anleger
Wenn schon vermeintliche Profis derart daneben liegen, wie sollen dann erst recht Anlagelaien mit der Börse zurechtkommen? Ganz einfach: Indem sie selbst über die Kursentwicklung nachzudenken beginnen, statt dies den Scharlatanen zu überlassen. Und zwar weniger über die Dax-Bewegungen (siehe oben) als über das Hin und Her der Kurse einzelner Aktien. Anleger brauchen dazu am Anfang nur den kostenlosen Service irgendeiner Direktbank in Gestalt von Charts in Anspruch zu nehmen, um sich über den Stand der Dinge zu informieren. Dazu gehören neben den Kursen auch die Börsenumsätze, fein abgetragen in Zeitabschnitten von einem Tag bis zu fünf und mehr Jahren – geradezu eine Fundgrube für alle Anleger, sei es für kurzfristige Trader, sei es für Langfristsparer.
Charts bilden die Vergangenheit bis zur Gegenwart ab. Mehr nicht, aber immerhin: Man bekommt die Information serviert, dass aktuell die Kurse der Internetaktien oben und die der Ölaktien unten stehen. Das regt schon mal ordentlich zum Nachdenken über die Ursachen an. Ob zum Beispiel die Samwer-Aktien Rocket Internet und Zalando das Zeug haben, es ihren Vorbildern aus dem Silicon Valley mit Kursgewinnen nachzumachen, oder ob es an der Zeit ist, den Kursverfall von Royal Dutch und Exxon Mobil zum Kaufen der beiden Aktien zu nutzen.
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