Rolf Redford ist tot – es lebe Robert Schult!

Das Duo Redford-Schult lebt dank (Film-)Werbung, Wiederholungen und unserer von Erinnerung getragenen Assoziationen weiter und ist unkaputtbarer denn je. Ludger Kusenberg weiht uns ein.

Es gibt nur wenige US-Filmschauspieler, die zeitlebens immer vom selben deutschen Sprecher synchronisiert wurden – streng genommen gehört auch Robert Redford (vor Tagen schlanke 80 geworden) nicht in diese Kategorie, denn wie bei den meisten seiner Kollegen wechselten die hiesigen Stimmen im Laufe der Jahrzehnte. Allerdings so selten und von einem derart signifikanten Gefälle begleitet, dass Redfords Karriere für deutsche Ohren untrennbar verbunden ist mit der besonderen Klangfarbe eines Mannes: Rolf Schult aus Berlin. Er sprach Redford nicht nur (mit Abstand) am häufigsten, sondern auch (mit weitem Abstand) am einprägsamsten. Die Langzeitliaison Redford-Schult ist beinahe märchenhaft, denn: Sogar der Tod und ein böser Amerikaner vermochten ihr keine Grenze zu setzen …

Ich gestehe Ihnen, liebe Einblicker, jetzt mal wieder was ganz Schlimmes: Den Namen Robert Redford vernahm ich zum ersten Mal als Dreikäsehoch anfangs der 80er dank einer Ausgabe der Zeitschrift Mädchen, die ich meiner älteren Schwester stibitzt hatte. Innerhalb eines Leserinnensteckbriefs führte eine Internatsschülerin Robert Redford als ihren Lieblingsschauspieler an. Wer ist das? Kenn ich nich! Ich machte mich schlau, und das ging damals bekanntlich nicht so leicht wie heute; statt einfach googeln zu können, musste ich HÖRZU– und GONG-Heftchen meiner Großeltern durchforsten, und schnell stieß ich dabei auf den Film „Die drei Tage des Condor“. Von diesem war ich dann so angetan, dass ich fortan jeden Film anzusehen beschloss, der den Namen Robert Redford führte. Watergate? Davon weiß ich dank Redford und „Die Unbestechlichen“. „Butch Cassidy & Sundance Kid“ ließ ich (anachronistisch vom ZDF-Ausstrahlungsmodus abhängend) dem „Elektrischen Reiter“ folgen, und als ich später zum Kinogänger wurde folgten „Die Lautlosen“ auf „Staatsanwälte küsst man nicht“ usw. Ich kann gar nicht sagen, was genau mich zuvorderst an Redford faszinierte, doch ganz gewiss war es auch und zu einem beträchtlichen Teil sein etatmäßiges deutsches Timbre, für das der Ausdruck „honorig“ wie geschaffen scheint. „Hey, hör‘ mal, das ist doch die Robert-Redford-Stimme“, ist ein Satz, der gern gesagt wurde, wenn Sprecher Rolf Schult sich auch mal woanders präsentierte, etwa in einem Werbespot. In der selben schmalen Liga spielen nur noch Christian Brückner als Robert-de-Niro-Stimme und Volker Brandt als Michael Douglas, das war’s. (Die Stimmen von Gert Günther Hoffman, Arnold Marquis, Jürgen Thormann und Joachim Kerzel mögen ähnlich ranghoch sein, doch war und ist ihnen keine vergleichbare Verbindung zu einem einzelnen Filmpaten beschieden.)

Mit dem Film „Von Löwen und Lämmern“ kam im Jahre 2007 das abrupte Aus für das Duo Redford-Schult – nicht etwa, weil Redfords in die Jahre gekommener deutscher Sprecher gestorben war, oh nein! Der Grund für den Stimmbruch war ein anderer und nach meinem Dafürhalten ziemlich erbärmlich: Irgendein Produzenten-Schnösel aus Amerika hatte sich den deutschen Trailer zum Film (wie üblich mit Schult als Redford) angehört und war zu dem Schluss gekommen: Der Typ klingt doof! Eine fast 50 Jahre währende Verbindung wurde achtlos und arrogant gekappt. Redford und Schult waren gemeinsam gealtert, der eine hatte dem anderen eine unverwechselbare Identität geschenkt, ein transatlantisches Eisen war geschmiedet – doch das interessierte den Ami wohl ähnlich wenig, wie wenn in Connecticut eine Shopping Mall abgerissen und durch eine neue ersetzt wird. Schult war ausgebootet, und darunter litt merklich die deutsche Begeisterung für Redford-Filme, zumindest die meinige. Wenige Jahre später verstarb Rolf Schult; das hätte selbstredend ohnehin das Ende markiert, aber dann wäre es zu einem natürlichen Übergang gekommen, den zu akzeptieren für deutsche Fans gewiss leichter gewesen wäre. Verschenkt!

Vor zwei Jahren erreichte mich auf dem Handy der Link zu einem Film-Trailer nebst folgender Nachricht: „Sieh mal. Und vor allem HÖR mal!“, schrieb ein Freund von mir, und die entsprechenden 2:30 auf youtube boten eine dicke Überraschung. Zwar hatte ich zuvor bereits vom hier feilgebotenen „All is Lost“ mit Robert Redford gehört, ich wusste, dass im Film kein einziger Dialog vorkommt, ja dass überhaupt nur ein paar Worte zu hören sind – doch eben jene wenigen Filmworte, die auch Einzug in den kurzen Trailer gefunden hatten, ließen mich ob ihres Klanges beinahe erstarren. Redford greift zum Funkgerät und sagt: „Hier ist die Virginia Jean mit einem SOS-Ruf, OVER!“ Nochmal? „Hier ist die Virginia Jean mit einem SOS-Ruf, OVER!“ Ich war baff, denn (so dachte ich) das war doch die gute alte Stimme von wie immer! Dafür konnte es nur drei Erklärungen geben:

  1. Die Aufnahmen wurden vor Schults Tod gemacht und werden erst jetzt veröffentlicht. Sehr unwahrscheinlich, zu viel Zeit war vergangen.
  2. Schult ist von den Toten auferstanden! Das hielt ich schon für realistischer – doch dass die Amis dann einen Fehler eingestehen und ihre Entscheidung rückgängig machen, schien mir ausgeschlossen.
  3. Die Stimme wirkt nur vertraut, gehört aber jemand anderem. Dieser Jemand muss sein Sohn sein. Bingo!

Christian Schult ist der Mann, der im „All-is-Lost“-Trailer zu hören war, er klingt wie sein Vater und ist – wenig überraschend – nicht zuletzt dadurch ein Sprecher, der allzu gern in deutschen Werbespots zum Einsatz gebracht wird. ER ist es, der für AXA und Bitburger heute im Hintergrund spricht, ER wird aktuell als „Robert-Redford-Stimme“ wahrgenommen und angepriesen. Aber: es hat einen Grund, warum ich den Ausdruck „Robert-Redford- Stimme“ in Anführungszeichen setze, denn der neue Schult ist keineswegs derjenige, der Herrn Redford in dessen neuen Filmen synchronisiert …

Schult durfte bei „All is Lost“ im Trailer ran, nicht aber im Film! Darin sprach für meine Ohren eindeutig jemand anders den redfordschen SOS-Ruf. Nach intensivem Hören und Sehen aller (wirklich ALLER!) der neuesten Redford-Trailer und im Abgleich mit den angepriesenen Filmen (sofern verfügbar), glaube ich, eine Grundsätzlichkeit (ergo: Regel mit wenigen Ausnahmen) ausgemacht zu haben und dafür eine denkbare Erklärung anbieten zu können:

Die Amis sind offenbar linientreu und hart geblieben: Wenn der Schult-Sohn genau so klingt wie der geschasste Vater, dann klingt der Sohn für uns eben genau so doof, und wir wollen auch ihn nicht haben als Redford-Stimme im Film, BASTA! Die Strippenzieher auf dem deutschen Markt wiederum wissen um die Niebelungentreue Ihrer Kundschaft und umgehen diesen Ami-Bann immer wieder gern mit dem Trailer-Trick. Folge: Das Duo Redford-Schult lebt dank (Film-)Werbung, Wiederholungen und unserer von Erinnerung getragenen Assoziationen weiter und ist unkaputtbarer denn je, und zwar egal, wer grad offiziell als Redford-Sprecher zum Einsatz kommt. Ein gewachsener Geist lässt sich eben nicht so leicht vertreiben, selbst wenn um ihn herum tragende Wände zerbrochen wurden und alles verloren scheint.

Anlässlich des 80. von Robert Redford habe ich meine „All-is-Lost“-Verblüffung auf den neusten Stand gebracht und Sie, liebe Einblicker, heute darin einweihen wollen – in der Hoffnung, dass auch sowas hier mal geduldet und bestenfalls sogar als bereichernd empfunden wird. Übrigens: Auf einer Sprecher-Referenzseite wird Christian Schult ausdrücklich als Robert-Redford-Stimme geführt – ganz keck auch in „All is Lost“! Aus eigener Erfahrung weiß ich: der verstorbene Vater lebt im Sohn weiter, drum sehe ich diese Referenz nicht mal als komplette Unwahrheit. Richtig? Schönen Sonntag.

LudgerK_CD

Mehr zu Ludger unter www.ludger-k.de

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