Taten statt Erklärungen

Die von Merkel provozierten Probleme (das »Jahr 2016«) werden sich nicht durch »Erklärungen« lösen lassen. Durch »Herz statt Kopf« ganz bestimmt nicht. Mit Grundschul-Rhetorik lassen sich Wahlkämpfe gewinnen und Fernsehsender betreiben, aber kein Staat lenken.

Was wäre der Mensch, wenn er keine Sprache hätte? Keine Worte. Keine Sätze, keine Geschichten? Wie grausam wäre es für den Menschen, seine Freude und seine Trauer, nicht in Worte fassen zu können!

Es ist Sprache, in der ich mich und wir uns definieren. Ich rede mit Freunden und berichte ihnen, was ich denke. Sie sagen mir, wie sie mich sehen. So entsteht, aus ihren Worten und aus meinen Worten, das Bild, das ich von mir habe. Ganze Psycho-Industrien leben von der Macht der Worte über einen selbst. (Namentlich etwa die »Self-Help-Branche« und die Kirchen, zumindest bevor sie herausfanden, dass mit Immobilien, Krankenhäusern und Flüchtlingsunterbringung noch viel mehr zu verdienen ist.)

Ein altes Sprichwort sagt: »Das Wort ist mächtiger als das Schwert.«
Ein schöner Satz. Ein starker Satz!

Der Satz hat nur ein Problem: Er ist gefährlicher Unsinn. Einen Wahnsinnigen mit Kalashnikov werden Sie nicht mit einem Argumentationsleitfaden aufhalten. (Man fühlt sich erinnert an die Debatte in Woody Allens »Manhattan«, ob einer Nazi-Demo besser mit einer beißender Glosse oder mit Baseball-Schlägern zu begegnen sei.)

Der Satz »Das Wort ist mächtiger als das Schwert« ist einer jener Einlull-Floskeln, die der Mächtige dem Machtlosen gibt, damit dieser sich mit seiner Hilflosigkeit abfindet.

Merkels wichtigster (oder: einziger?) Sprach-Trick ist bekanntlich die Reduktion jeder Problemlage auf ein diffuses Sprechen übers Gefühl, und den hat sie gestern wieder praktiziert, vor den mehr oder weniger wachsamen Augen der Fernsehnation.

Merkels Partei hat jüngst in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin zwei spektakuläre Wahlabstürze auf der politischen Bühne dargeboten.

Merkels rhetorische Reaktion auf ihr Wahldesaster? Noch mehr Gefühl! Wie man im Amerikanischen sagt: »Double down!« Jetzt erst recht!

Merkel ist unter Kritik wie noch nie. Sie gibt inzwischen gefühlt fast täglich Fehler zu. Die bemerkenswerteste ihrer Reaktionen bei der Pressekonferenz vom 19. September 2016 war aber, wörtlich: »Ich will dem mit einem Gefühl begegnen. Ich habe das absolut sichere Gefühl … « … und so weiter, und so fort.

Selbst bei Merkels treuesten Fanboys und Fangirls, den selbsternannten »Hauptstadt-Journalisten«, spürte man ungewohnte Vorsicht.

Wenn etwa das Handelsblatt über »Die Wende« berichtet, hat das dann doch ironische Obertöne. Als sei die Einsicht ins eigene, tragische Unvermögen irgendwie vergleichbar mit der Gigantenleistung ihres Ziehvaters.

Die FAZ titelt, für ihre Verhältnisse frech: »Angela Merkel tritt schon zu lange als Alternativlose auf«.

Die BILD aber, diese nukleare Erstschlagwaffe der Demokratie, bringt es auf den zuckrigen Punkt: »Jetzt lässt es Merkel menscheln« – hach! Die BILD lässt es in der Schwebe, ob sie »Merkel die Gefühlige« gut oder schlecht findet. Es ist Emotion, der Bild-Markenkern, also wahrscheinlich gut. Die »neue« Merkel wird zusammengefasst: »Herz statt Kopf«. Das wäre mal ein ehrliches Wahlplakat, könnte ein Zyniker anmerken.

Merkel: „Niemand, auch ich nicht, will, dass sich wiederholt, was letztes Jahr war.“ – Das Problem dabei: Selbst, wenn es sich nicht wiederholt, die Folgen von 2015 sind schon jetzt fast irreparabel.

Die Analysten nun, mit ihren großen Worten und kleinen Schreibtischen, sie untersuchen, ob Merkels emotionales Doubledown die CSU befriedigen wird. Sie sprechen von »Demütigung und Demut« (Blome). Wird Seehofer sich mit der Geste der dargebotenen Schlagader zufriedengeben? (Natürlich wird er das.) Merkel schafft es, ihren Hals derart darzubieten, dass der alte, bayerische Wolf sich ins Unterholz zurückzieht. Fürs Erste.

Was wie Demut und Wende aussehen sollte, das war in Wahrheit der Versuch eines weiteren Merkel-Zaubertricks. Merkel sprach wieder mal von Gefühlen. Sie »menschelte«. Sie gab zu, Fehler gemacht zu haben. Sie gelobte, dass sich die Ereignisse des Jahres nicht wiederholen würden.

Und sie brachte einen typischen Politikersatz unter. Einen verräterischen Satz. Bei genauerem hinsehen: Ein Zeichen ihrer Verzweiflung in der Sache.

Zu den Erfolgen der AfD sagte sie, müde verklausuliert: »Wenn eine Ursache für das schlechte Abschneiden der CDU ist, dass manch einem Richtung, Ziel und Grundüberzeugung unserer Flüchtlingspolitik nicht ausreichend erklärt worden sind, so möchte ich mich gerne darum bemühen.«

Merkel will »erklären«. (Eigentlich will sie sich nur darum »bemühen« – noch schwächer.) Sie will »2015 nicht wiederholen«, und sie will auch »erklären«.

Halt, Moment, Pause!

Unser Problem ist nicht 2015, sondern 2016!

Ich will nicht »erklärt bekommen«, wieso ISIS-Terroristen ohne Kontrolle ins Land kamen. Ich will, dass sie nicht hier sind. 2016 nicht und 2017 nicht.

Kurskorrektur

Ich will nicht »erklärt bekommen«, wieso »nordafrikanische« Gangs die Straßen und Plätze meiner Stadt unsicher machen. Ich will, dass sie es nicht tun.

Ich will nicht »erklärt bekommen«, wieso meine Tochter nicht mit ihren Freundinnen ins Schwimmbad gehen kann, wie sie es früher gemacht hat. Ich will, dass sie es ohne Furcht tut.

Merkels »Erklären« ist vom gleichen Niveau wie jene Tipps an Frauen, gegen Vergewaltigungen stets »eine Armlänge Abstand« zu halten und »Turnschuhe« zu tragen, um schneller weglaufen zu können.

»Erklärung« behebt es nicht, wenn Juden sich nicht mehr trauen, auf der Straße ihre Kippa zu tragen. »Erklärung« behebt nicht, dass Kinder in Brennpunkt-Schulen von der ersten Klasse an mit fast unaufholbarem Nachteil ins Leben starten.

Der Ersatz wirksamer politischer Maßnahmen durch »Erklärungen« ist schlicht gefährlich.

Worte sind nutzlos, wenn dir einer mit gezücktem Messer gegenüber steht. Merkels Bodyguards tragen ja auch Waffen, nicht Gebetsbüchlein. Ich will sicher leben können, nicht die Unsicherheit erklärt bekommen.

Meine Angst ist nicht einmal, dass sich 2015 wiederholt. Ich will es auch nicht mehr »erklärt« bekommen. Zu viele Merkel-Erklärungen sind im Test der Zeit krachend durchgefallen.

Meine Furcht ist, dass sich das Jahr 2016 wiederholt. Meine Furcht ist, dass es so bleibt, wie es ist. Das Problem ist nicht die »Sondersituation« 2015, das Problem ist der Alltag 2016.

2016 lässt sich nicht mit Worten lösen. Bürgerkriegsartige Zustände wie in Bautzen, sollen nicht »erklärt«, sondern verhindert werden. Sex-Mobs, die geschichtsbewusste Bürger an »Pogrome« (Zitat Broder) erinnern, sollen nicht »erklärt«, sondern verhindert werden.

Machen wir uns nichts vor: Neben hilfesuchenden Flüchtlingen hat Merkel auch Gewalttäter ins Land gelassen. Manche von ihnen hassen unsere Freiheit so sehr, dass sie extra nach Europa kommen, um »Ungläubige« zu töten. Manche von ihnen lassen einfach nur die Sau raus.

»Wir« werden die von Merkel ins Land gelassene Gewalt nicht mit Worten lösen. Nicht mit Erklärungen und nicht mit Gesprächsrunden.

»Wir« werden die neuen Bürger schnell einteilen müssen in jene, die mit uns (ja: uns) in Frieden zusammenleben wollen, und jene, die an Deutschland alles außer den Sozialleistungen verachten.

Die erste Gruppe zu integrieren und die zweite Gruppe loszuwerden. ist beides gleichermaßen ein Gebot von Menschlichkeit und Vernunft. Die offene Hand der Gesellschaft für die Willigen, die harte Faust des Rechtsstaats für die Unwilligen. Vor allem dieser letzte Punkt aber, die »harte Faust«, braucht mehr als Worte. (Terror mit Worten zu verhindern versucht der NRW-Innenminister Ralf Jäger in seinem Projekt »Wegweiser«. Der Terror-Anschlag auf den Essener Sikh-Tempel wurde von Wegweiser-Schützlingen begangen.)

Die Bekämpfung von Gewalt braucht, ja, Gegengewalt. Blabla gegen Bomben funktioniert nicht. Da wir ein Rechtsstaat sind, bedeutet das konkret stärkere Polizei, eindeutigere und faire Gesetze, und natürlich tatsächliche Durchsetzung des Beschlossenen, auch mit Gewalt.

Die von Merkel provozierten Probleme (das »Jahr 2016«) werden sich nicht durch »Erklärungen« lösen lassen. Durch »Herz statt Kopf« ganz bestimmt nicht. Mit Grundschul-Rhetorik lassen sich Wahlkämpfe gewinnen und Fernsehsender betreiben, aber kein Staat lenken.

BerndZeller_Buch

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