Zeitungen wirken vielfach unsicher, gerade zu verlegen. Ständig neue Sparrunden schwächen das Selbstbewusstsein; das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit verstörend. Dass die Wirklichkeit nicht so will, wie Journalisten ... ts, ts, ts. Wochenblätter, für Sie gelesen von Roland Tichy und Fritz Goergen.
Zeitungen wirken vielfach unsicher, gerade zu verlegen. Ständig neue Sparrunden schwächen das Selbstbewusstsein; das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit verstörend. Dass die Wirklichkeit nicht so will wie Journalisten – Pech für die Wirklichkeit.
Der Wutjournalismus der Leitmedien
Darauf mag zurückzuführen sein, was der auch hier veröffentlichende Heribert Seifert in der NZZ als „Wutjournalismus der Leitmedien“ seziert: Dieser Wutjournalismus erklärt „Schimpfen, Weghören und Kommunikationsverweigerung zu Tugenden. Eine rhetorische Hau-drauf-Mentalität gegen den Feind von rechts gilt nicht nur in Kreisen von habituellen Krawall-Kolumnisten, wie sie der ‚Spiegel‘ beschäftigt, als Gebot der Stunde. So überraschte der Berliner ‚Tagesspiegel‘ seine Leser mit einem Beitrag, in dem er den Prügelmeuten der sogenannten Antifa ausdrücklich dankte, weil sie mit ihren Gewaltaktionen den politischen Gruppen, die sie zu Nazis erklären, die Wahrnehmung von Rede- und Demonstrationsfreiheit nach Kräften unmöglich machen.“ Seifert führt viele Belege an, wie in selbsternannten Qualitätsmedien Teile ihrer Leserschaft als „Hetzer“, „Mob“, „Pack“, aber auch „Idioten“ und „Dumpfbacken“ beschimpfen und den „gesamte Kommunikationsraum, der sich in Opposition zum linksliberal-grünen Justemilieu zu etablieren beginnt, zu einer Zone des Bösen erklärt, die unter Quarantäne zu stellen ist“. Das linke Londoner Wochenblatt New Statesman sieht in der deutschen Lust, abweichende Meinungen aus dem öffentlichen Diskurs auszuschliessen, ohne sich argumentativ mit ihnen auseinanderzusetzen, das Merkmal eines sehr „eingeschränkten und elitären“ politischen Systems, in dem das Verhältnis zwischen Repräsentanten und Repräsentierten gestört sei.
Gibt es Besserung? Partiell
Die WELT am Sonntag beginnt sich langsam aus diesem Juste-Milieu zu befreien. Sie lässt Horst Seehofer zu Wort kommen, der mit Hilfe einer rührend-einfachen Grafik belegt, dass Angela Merkels Grenzöffnungs-Selfies und Erklärung eben doch zum Anschwellen des Flüchtlingsstroms im Herbst der Verheerung führten. Es ist ja einer dieser Punkte, den bislang die Bundesregierung energisch bestritten hat; schon erstaunlich, dass die kritischen Medien ihr das haben durchgehen lassen. Es ist ein Beispiel für Seiferts Behauptung vom großflächigen „Verzicht auf recherchegestützte Information“. Hübsch ist, wie in einem Beitrag über sexuelle Belästigung in Schwimmbädern der Autor jeden Verdacht zerstreuen möchte, das habe etwas mit der Herkunft der Täter zu tun; ein göttlicher Eiertanz, der dann die in diesem Jahr bislang geringe Zahl von Vorfällen in Kölner Bädern anführt. Bekanntlich sind ja die Monate Januar bis April die beste Freibadzeit.
Dieses Herumeiern und Verleugnen der Wirklichkeit, um ja nicht im Juste-Milieu anzuecken, bis es einfach gar nicht mehr geht, führt zu einer bemerkenswerten Selbstverbiegung.
Vom Wutjournalismus zum Schweigejournalismus
An diesem Wochenende berichten der Kölner Stadtanzeiger und die ihm zugetane Rundschau über den Tod des 17-Jährigen, der in Bad Godesberg brutal zusammengeschlagen wurde. Nebulös wird auch von einer Demonstration von „Rechtsextremen“ berichtet, die den Vorfall „ausschlachten“ wollten und einer doppelt so großen Gegendemonstration, die sich gegen dieses Unerklärte mit aller Macht und der Unterstützung des Oberbürgermeisters stellt. Dabei hat die WELT, schon früh vom Verfall des einstigen Diplomatenviertels geschrieben; ein Zustand, der sich seither verschärft hat. Besteht da irgendein Zusammenhang? Schon die Frage darf nicht gestellt werden – und nichtgestellte Fragen werden bekanntlich vom Leben ganz anders beantwortet, als Journalisten sich das vorstellen können. Und so beschäftigen sich die beiden Korrekt-Medien mit der Frage, ob sich in Bonn, deren Logo früher ein Kussmund anstelle des Os war, ob also im leergeküssten Bonn genügend Bürger sich „queer“ zu den „Rechten“ stellen, statt den Mord aufzuklären, und schon kommt auch die jämmerlich-hilflos agierende Polizei unter Druck, weil sie den Täter mit „brauner, dunkler Haut“ beschrieben hat. Ist das schon Rassismus? Wer es sich eben im beklemmend engen Raum der politischen Korrektheit eingerichtet hat, für den ist die Wirklichkeit ein feindseliger Planet und die Aufklärung von Mord ein Ereignis, das unbequeme Wahrheiten zu Tage fördern könnte, weswegen man es wohl besser unterlässt. Da wird der Wutjournalismus zum Schweige-Journalismus.
Zu nennen ist da auch die Frankfurter Allgemeine SONNTAGSZEITUNG; auf Seite 2 formuliert sie: „Die Gewalt gegen AfD-Politiker durch Linksextreme hat erschreckende Ausmaße angenommen. Doch eine öffentliche Debatte darüber findet nicht statt“. Danke, jetzt findet sie statt. Man kann eben die Welt verbessern, indem man zur Kenntnis nimmt, dass auch im rechten Sachsen der Anstieg der linksextremistischen Gewalt „ziemlich genau jenem der rechtsextremistischen“ entspricht. Gerne genommen ist auch der verräterische Tweet des SPD-Vizes Ralf Stegner: „Fakt bleibt, man muss Positionen und Personal der Rechtspopulisten attackieren, weil sie gestrig, intolerant, rechtsaußen und gefährlich sind!“ Geschichtsvergessenheit braucht eben nur 140 Zeichen, um sich zu zeigen.
Dschihad als Lifestyle
Der Frankfurter Allgemeinen WOCHE ist es gelungen, für dieses neue Wochenmagazin eine eigene, unverwechselbare Titelsprache zu entwickeln. Allerdings – Karikaturen verletzen. Witz und Ironie sind keine besonders prägenden deutschen Tugenden, und das kann schnell gegen diese selbstbewusste Konstruktion wirken. Warten wir es ab. Trotzdem ist die schrumpfende Puppe in der Puppe von Willy Brandt bis Sigmar Gabriel die Wahrheit in der Nussschale. Der Beitrag dazu bleibt blass, zu viel Nacherzähltes. Es reicht auch nicht, ein Interview mit einem für gelangweilte Oberflächlichkeiten bekannten Politologen wie Armin Nassehi zu führen, der es dann ein 3. Mal, nur mit mehr Wörtern wiederholt. Wie eigentlich alle Geschichten im Heft.
Lesenswert „Dschihad als Lifestyle“, der gut erklärt, worin die Verführungskraft der mörderischen religiösen Verirrung liegt. Es ist doch erstaunlich, welche Geschichten entstehen, wenn man sich der Wirklichkeit nähert. Ratlos lässt einen zurück der Verriss von Airbnb und Uber: Ja, da waren große Worte und da ist nur ein kleines Geschäft. Aber das liegt weniger an den neuen Geschäftsmodellen, sondern an der gut geölten Maschinerie der alten deutschen Zünfte, die neue Lösungen schlicht verbieten und wie in Berlin mit der Neuauflage des Blockwarts kontrollieren, ob nur ja auch kein Zimmer gelegentlich untervermietet wird – die alte Tante FAZ, die gegen derartige Marktbeschränkungen jahrzehntelang kämpfte, wirkt modern gegen diesen Hurra-Patriotismus des „schön, dass alles so mies bleibt, wie es ist“.
Dahinter gleich die so noch nicht gelesene Story über Griechenland, das sich für seine Teilerfolge im Kampf um neue Milliardenhilfen feiert und darüber vergisst, dass ein Land nur mit immer neuen Schulden nicht gedeihen kann – die dafür notwendigen Investitionen aber bleiben aus. Es ist eine Parabel auf das Wirken des Sozialismus, dessen große Stärke bekanntlich das Ausgeben ist, solange das Geld von anderen kommt. Das ist allerdings in Europa vorläufig gesichert, der Europäischen Zentralbank sei Dank.
Zu deren Wirken allerdings ist die WELT am Sonntag fundamentaler mit ihrer sauberen Ausleuchtung durch Anja Ettel und Holger Zschäpitz der immer weitergehenden Politik von EZB-Präsident Mario Draghi: die neueste Steigerung, die inszenierte Rolle als „Souveräner Diktator“. Darf man ihn schon einen monetären Dschihadisten nennen? Hier darf man auf den Titel der FAZ-Woche gespannt sein.
Gespiegelt
Am Ende des Leitartikels von Dirk Kurbjuweit „Heilige Zahlen“ – „Der wahre Demokrat zeigt sich daran, dass er auch missliebige Wahlergebnisse akzeptiert“ weiß man nicht, was der Autor uns sagen will. Weil Kurbjuweit es selbst nicht weiß?
Die eigentliche Botschaft steckt wohl im Satz: „Er (der Demokrat) unterscheidet zwischen den Funktionären und den Wählern einer rechtspopulistischen Partei.“ Im Klartext: kein AfD-Bashing mehr, jedenfalls nicht so direkt und immer … Der SPIEGEL folgt brav Merkels neuer Leitlinie: die AfD nicht verteufeln.
Liest man Kurbjuweit, aber dann auch Augsteins Kolumne „Pfleger des Kapitalismus“ auf seiner Rückseite, Kernsatz: „Die Sozialdemokraten haben erst ermöglicht, was ihnen nun den Garaus macht.“, dann kann man ängstliche, verunsicherte und defätistische Finger der Autoren auf den Tasten förmlich spüren.
Dieses Gefühl begleitet einen das ganze SPIEGEL-Heft hindurch. Wahrscheinlich ist es auch diese Stimmung, welche im aktuellen Heft jeden roten Faden, jede Botschaft vermissen lässt. Das Versprechen einer Titelstory löst „DIE DIESEL-LÜGE“ nicht ein. Wo Jürgen Resch die DUH (Umwelthilfe) Abmahnungen verschicken lässt (dieses mal gegen Opel), wird regelmäßig nicht die Umwelt gerettet, sondern privatwirtschaftlich abgezockt. Neue technische und technizistische Details aus der Abgasmesswelt bringen kein Licht in die Frage, ob die deutsche Automobil-Industrie (zur Gänze oder wer genau) tatsächlich den Anschluss an die Verkehrswelt von morgen verpasst. Wie es um die Entwicklung von Alternativen wie E-Motor, Brennstoffzelle und so weiter steht, wäre eine Titelstory. Wo ist sie?
In der NZZ am Sonntag erfahren wir, dass die junge Firma Green Motion bis 2019 mindestens 1.600 öffentliche E-Ladestationen einrichten will (750 gibt es schon, davon 200 öffentlich zugänglich): das ist viel für die Größe der Schweiz. Keine Subventionen, dafür viel Kooperation mit Unternehmen durch Ladestationen auf ihren Parkflächen. Wir lernen auch, dass die Ladezeit je nach Fahrzeug zwischen 20 Minuten und 8 Stunden liegt (während der täglichen Arbeitszeit kein Problem) und dass 100 Fahrkilometer 6 bis 8 Schweizer Franken an Strom kosten. Die Kalkulation von Green Motion: bis 2020 4 bis 5% der Neuwagen E-Autos und Plug-in-Hybride.
Im SPIEGEL-Gespräch (früher war das jedes mal ein Höhepunkt, heute ein simples Interview) gibt es keine neuen Antworten von Sigmar Gabriel. Wie auch, der SPIEGEL stellte ja auch keine neuen Fragen. Lustlose Veranstaltung. Bis zur Geschichte „Herzlich machtlos“ über Federica Mogherini (42) als mögliche nächste Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten für die Europawahlen sind es nur zwei Seiten. Gabriel wird dazu nicht gefragt. Weil die SPIEGEL-Leute nicht miteinander reden? Oder weil Martin Schulz nicht verärgert werden darf, der Mann, der als Parlamentspräsident nichts zu sagen hat, und der deshalb ARD und ZDF immer gerne etwas sagt, wenn es nichts zu sagen gibt?
Die Seite über Marcus Pretzell – „Bismarck aus Bielefeld“ – ein Geschichtchen ohne Gewichtchen. „Herr Preuß schreibt Geschichte“ über des Freelancers Weg zu Pegida, mehr atmosphärisch als politisch. Das gilt auch für „Fesch, freundlich, national“ über den FPÖ-Kandidaten Hofer für die Bundespräsidentenwahl: Eine nicht minder fesche Story ließe sich auch über das „andere“ Österreich schreiben – beide ohne Vorurteile von Piefkes über Ösis, sondern mit Kritik im Klartext.
„Wir sind am Ende unserer Kräfte“: Das Interview mit dem Chirurgen Osama Abo El Ezz (30) in Aleppo macht traurig und wütend zugleich.
Mit dem Essay „Die erschöpfte Demokratie“ über Amerika, Trump und so weiter macht Holger Stark ein starkes Thema auf. Trump setzt auf Modernisierungsverlierer, findet die aber nicht vornehmlich bei Arbeitern und Arbeitslosen, sondern vor allem in der „Angst der weißen Mittelklasse vor dem sozialen Abstieg“. „Trump führt keine Partei, sondern eine Bewegung, der Treueschwur seiner Anhänger gilt dem Kandidaten, nicht den Republikanern.“ „Die richtige Antwort heißt Inklusion …“? Der fromme Wunsch ist alles? Starks Text schreit nach der Verknüpfung mit den parallelen Entwicklungen in Europa. Das wäre ein Titel.
Weitblick
Thomas Kielinger, der in London lebt, erklärt im NZZ-Interview – „Ach, das sind Angstszenarien“ – warum die Engländer weder die EU noch Europa brauchen, um global zu agieren. Für die Briten als seefahrendes Volk, sagt er, ist die Bereitschaft zum Unberechenbaren ein genetischer Code. Sie tun, was ihnen nützlich für sie selbst erscheint. Punkt. Dass Britannien doch in der EU bleibt, begründet Kielinger so: „Ein englisches Sprichwort lautet: Der Teufel, den ich kenne, ist besser als der Teufel, den ich nicht kenne. Diese Sorge vor dem Unbekannten ist durch den patriotischen Appell nicht ganz zu beseitigen. Darum glaube ich, dass die Briten am Ende in der EU bleiben.“
Karin El Minawi schreibt aus Kairo, wie ägyptische Jungunternehmer „Das Glück in die eigene Hand nehmen“. Nicht weit vom Tahrirplatz, auf dem ehemaligen Gelände der Amerikanischen Universität basteln junge Leute in einem Silicon-Valley-ähnlichen Technologiepark an ihrer Zukunft. Startup-Investoren von „Cairo Angels“ helfen. „Investigative“ halten das wahrscheinlich für „Constructive Journalism“. Pfui.
Ähnlich wie der Kreationismus leugneten auch die „Gender-Studies“ aus weltanschaulichen Gründen evolutionsbiologische Fakten. Es sei Zeit, ihnen die staatlichen Mittel zu streichen, findet Hans Peter Klein, Präsident der deutschen Gesellschaft die Didaktik der Biowissenschaften, der an Frankfurts Goethe-Universität lehrt. Zufällig in der NZZ seine Botschaft? : „Es wäre längst überfällig, dass nach dem Vorbild von Norwegen auch Deutschland der mit Steuergeldern finanzierten Genderforschung den Geldhahn zudrehte.“
„Die drei Generationen des Jihad“ unterscheidet der französische Kenner Gilles Kepel, Sozialwissenschaftler und Arabist:
- 1979 bis 1997: Der „Jihad der Nähe“ vom Kampf der US-unterstützten Mujahedin gegen die Sowjets in Afghanistan bis zum Terror der Groupe islamique armé in Algerien.
- Die „Generation al-kaida“ mit den USA als Angriffsziel.
- 2005 ruft der Syrer Abu Musab al-Suri zu Anschlägen in Europa auf, um einen Bürgerkrieg zwischen Muslimen und Christen zu provozieren. Youtube erlaubt es den Jihadisten, ihre Greueltaten zu verbreiten.-
„Aktiengesellschaften sind schwer reformbedürftig“ konstatiert Beat Kappeler und fordert:
- Juristische Personen gar nicht besteuern. Gewinne so lange unversteuert lassen, wie sie dem Geschäft dienen. Natürliche Personen besteuern, wenn sie aus dem Firmentopf nehmen: Zinserträge, Dividenden, Löhne, Boni.
- Manager sollen zwei Drittel ihres persönlichen Vermögens ins Unternehmen stecken, das sie leiten, egaltob 100.000 oder 10 Millionen. Das ändert ihre Interessen.
- Weg von kurzen Berichtsfristen wie Quartalsberichten und trickreichen Firmen-Verschachtelungen. AGs wie vor 500 Jahren unter Personen bilden.
- Vergehen gegen Börsen-, Umwelt- und Kartellrecht bei den Tätern strikt bestrafen, nicht auf Bußen von Unternehmen abwälzen.
Also Kappeler, das ist aber arg Kapitalismus-kritisch. Da kriegen die Leute beim SPIEGEL ja rote Köpfe mit ihrem Plätscher-Stück über die Deutsche Bank. Aber Vorsicht in Hamburg und sonstwo: das sind marktwirtschaftliche Vorschläge.
Wie jeden Sonntag schaut die NZZ mehr in die Welt als deutsche Wochenblätter.
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