Die Frankfurter Allgemeine SONNTAGSZEITUNG nimmt die Medien-Vorzeige-Putzfrau Susi auseinander, die selbst Gewerkschaftsfunktionärin ist, Gattin eines Gewerkschaftssekretärs und Eigenheimbesitzerin. Die WeLT AM SONNTAG schlägt vor, aus dem BER gleich Europas größtes Indoor-Strandbad machen. Für Sie gelesen von Roland Tichy und Fritz Goergen.
„Susi und die falschen Zahlen“ von Lydia Rosenfelder ist ein Stück, das allein den Kauf der Frankfurter Allgemeinen SONNTAGSZEITUNG lohnt. Sie nimmt die Putzfrau Susi auseinander, die ihre eigene, bittere Armut beklagt und als Stimme des Proletariats in der SPD, als Kronzeugin gegen die Agenda 2010 bei Anne Will und authentische Stimme von unten in eigentlich allen Medien gefeiert wird.
Die reiche Putzfrau klagt über das Alter
Sie ist nicht arm, sondern als Gattin eines Gewerkschaftssekretärs und Eigenheimbesitzerin durchaus wohlversorgt; als Gewerkschaftsfunktionärin rhetorisch trainiert und im übrigen ziemlich ausgebufft und durchtrieben: Auf die Vorhaltung, dass nur drei Prozent der Rentner zusätzliche Unterstützung brauchen sagt sie: „Ich kenn aber mehr“. Ist Susi mit ihren falschen Zahlen das Problem oder eine mediale Öffentlichkeit, die die selbstbewusst vorgetragene (oder auch echte) Dummheit als politische Weisheit bejubelt? Rosenfelder zitiert den schönen Satz, dass „die Spaltung zwischen empirischer und gefühlter Realität größer wird.“
Das mag stimmen, und in der Kluft verschwindet gerade die SPD, die sich zwar mit der Agenda 2010 die verbesserte Lage am Arbeitsmarkt zuschreiben darf, aber gar nicht mehr traut: Die nüchternen Analysen von Carola Reimann, in der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales zuständig, offenbaren die populistische, schäbige und verlogene Propaganda von Susi. “Warum das Gute sehen, wenn es sich schlecht anfühlt“, steht da als treffende Unterzeile. Aber Susi ist eben das Schoßhündchen einer Medienlandschaft, die nicht mehr hinter den Vorhang schauen will, sondern sich mit dem Anschein zufrieden gibt.
Ähnlich nüchtern wie Rosenfelder geht Phillip Plickert mit den Zahlen zu Gericht, die uns Flüchtlinge als Retter des Sozialstaats verkaufen wollen. Ausgerechnet eine Studie im Auftrag der grünen Heinrich-Böll-Stiftung offenbart, wie bestellt optimistisch die Szenarien sind, die dieses „größte Glück seit der Wiedervereinigung“ (Dieter Zetsche) an den statistischen Haaren herbei zerren.
Alles recht im Kampf gegen Rechts
Bei so viel Intelligenz irritiert die Titelzeile „Gauland beleidigt Boateng“ jeden halbwegs intelligenten Leser, der auf der Titelseite Wichtiges lesen will und nicht Wichtigtuerei, die auch nicht wichtiger wird, nur weil sie politische korrekte Erregung ist. Gerne hätte man das Interview und damit die Aussagen von Gauland im Kontext gelesen. Das wird uns nicht zur Verfügung gestellt. So entzieht es sich der Bewertung. Dem Leser sollen Wortbrocken reichen; danke, liebe FAS, unsereiner will schon gerne lesen, ehe er glaubt. Aber offensichtlich handelt es sich um ein Hintergrundgespräch. Das entzieht sich noch mehr der Bewertung, und es ist eher ein Frage des Stils, solche meist meist um ein Thema mäandernde Gespräche schlagwortartig zu veröffentlichen. Gauland bestreitet die „Beleidigung“ und beruft sich auf Vertraulichkeit und bruchstückhafte Wiedergabe. Dazu wiederum nimmt die FAZ Stellung. Eigentlich bedarf das Gespräch der Autorisierung. Damit ist der Fall Gauland auch ein Fall FAZ.
Wobei Gauland irrt, wie Alexander Wallasch notiert: „Wahrscheinlich gibt es doch tausende Fans des Berliner Nationalspielers, der heute in München lebt, die gerne neben ihrem Idol wohnen würden. Morgens übern Gartenzaun winken, Zucker leihen, gemeinsam am Sonntag grillen. Wären da nicht diese unbezahlbaren Mieten und Häuserpreise in Grünwald, der reichsten Gemeinde und einer der exklusivsten Wohngegenden Deutschlands. Ein Ort für die, die es wirklich geschafft oder mindestens gut geerbt haben. Der begnadete Innenverteidiger gehört zu ersteren: vom Hinterhof-Kicker zum deutschen Fußballhelden. Eine Traumkarriere. Traumkarrieren, von denen viele Deutsche und jetzt auch viele der über eine Millionen Einwanderer nur träumen können.“
Im AfD-internen Machtkampf zwischen Gauland und Petry hat letztere das Näschen vorne. Während Gauland eine Klage wegen der Vertraulichkeit des Wortes prüfen lässt, twittert Petry: „Jêrome Boateng ist ein Klasse-Fußballer und zu Recht Teil der deutschen Nationalmannschaft.“
Und der Bild-Zeitung sagte sie: „Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat. Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist“.
Das wäre die Story.
Journalismus überschreitet im alles legitimierenden Kampf gegen Rechts gerne die Grenze zum Aktivismus, was ja auch der Tortenanschlag auf Sahra Wagenknecht beweist, der laut BamS durch einen akkreditierten Journalisten erfolgte, der noch dazu für eine linksradikale Gruppe arbeitet, die von der LINKEN massiv unterstützt wurde. Das kommt eben dabei heraus, wenn professionelle Rollen zerschlagen werden: Viel Getöse, wenig Wahrheit.
Dabei hatte schon vor Drucklegung der Internet-Kolumnist der FAZ „Don Alphonso“ über die ähnlich hochgejuxte Meldung zu Fotos auf Kinderschokolade-Packungen alles notwendige gesagt: „Die möglichen grossen Themen sind also: Zwangweise Verteilung hunderttausener Migranten in ganz Deutschland zum Schutz des städtischen, linken ‚Mitte-Milieus‘, Migrationskrise auf dem Weg aus Italien nach Mitteleuropa mit Zuwanderung von Tausenden Illegalen pro Tag, amoklaufender Neonazis mit Kalaschnikows, ein Mord an einer Rentnerin in einer Einbruchskrise, der die Polizei oft machtlos gegenüber steht, drei Sätze über Kinderschokolade.“ Was lernt man daraus? Das Klügere liest man neuerdings im Faz.net.
Ohne Flugzeug zum Ballermann
„Vielleicht sollte man … aus dem BER gleich Europas größtes Indoor-Strandbad machen. Ohne Flugzeug zum Ballermann. Immerhin klimafreundlich.“ Der WeLT AM SONNTAG Vize-Chef Beat Balzli schreibt es in seinem Editorial Merkel & Co. ins Stammbuch. Statt Atommüll zu verbrennen, vergnügen sich die Leute im Freizeitpark Kalkar, wo der Schnelle Brüter nicht verwirklicht werden durfte. Als Modell für den BER passt das wirklich. Mit welchen Gefühlen geht Angela Merkel eigentlich am kommenden Mittwoch zur Einweihung des längsten Eisenbahntunnels der Welt? Die Schweizer eröffnen diesen Weg durch den Gotthard ein Jahr FRÜHER als geplant. Und die Gesamtkosten von 11 Milliarden überschritten kaum den Plan.
Balzli: „Da bleibt nur der Trost, dass die zuverlässigen Tunnelbohrmschinen aus Deutschland stammen.“ Wie lange dauert es noch, bis Deutschland außer Autos mit konventioneller Technik und Maschinenbauen nichts mehr zu bieten hat? Und wurde berücksichtigt, dass der Tunnelbau nicht Klimaneutral von statten ging?
Da passt der Titel der WamS gut dazu: „Macht Geld ohne Arbeit glücklich – oder nur FAUL?“ Der radikale Ersatz einer sich mehr und mehr um sich selber als um alles andere drehenden Sozialstaatsmaschinerie ist eine vorurteilslose Debatte wert. Dass keine politische Kraft von Gewicht sie führt, kennzeichnet No-Future-Eliten. Die WamS-Geschichte über die Schweizer Volksinitiative ist mehr als lesenswert, der Zusammenhang mit der Digitalisierung in Industrie 4.0 nachdenkenswert.
„Bordell BERLIN“ – eine bösere Überschrift ist kaum möglich, ein böserer Tex auch nicht: „Ganze Stadtviertel als allnächtliche, alltägliche Freiluftpuffs. Es regiert das große Egal. Andere Städte halten das Gewerbe durch Sperrbezirke wenigstens von Kindern und Wohngebieten fern. Nicht so die deutsche Hauptstadt.“ Und: „Prostitution gehört heute zum Image Berlins. Sie ist Teil der Attraktion der Hauptstadt – und ihres Selbstbildes. ‚Arm, aber sexy“, das ist nicht bloß lustig-locker gemeint, sondern durchaus explizit. Das Großbordell „Artemis“ warb jüngst auf städtischen Bussen für seine Dienstleistung. Prostitutionspropaganda, durch ganz Berlin gefahren von der städtischen Nahverkehrsgesellschaft.“ Dass dahinter ein globales Milliardengeschäft des Menschenhandels steht, scheint die Politik des Berliner Senats nicht zu kümmern.
Im Interview „Ein ALBTRAUM ergänzt den anderen“ erzählt der Algerier Boualem Sansal von seinem Buch „2084. Das Ende der Welt“. Ob wir diese Botschaft wörtlich nehmen müssen, beantwortet er so: „Wissen Sie, manchmal reicht eine Kleinigkeit, eine Idee, ein Satz, und die Dinge nehmen eine andere Wendung.“
So ist es, darauf setzen wir.
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