Mehr von allem etwas, mehr unterhaltsam als relevant - Österlich Nachdenkliches eher vordergründig. So dieses Wochentitel-Fazit von Roland Tichy und Fritz Goergen.
Eine Zeitung für Ostern oder andere verlängerte Feiertagswochenende zu schreiben und zu gestalten ist die hohe Kunst des Hochseilartisten. Die Düsternis der Karwoche verführt dazu, die Welt schwarz zu sehen. Ostereier und Osterhase sind infantile Gegenstücke zum Weltschmerz.
Der Spiegel dilettiert an solchen Tagen an religiösen Themen; während sonst die Journalistenregel gilt, wonach Kinder und Hunde immer gehen ersetzt dann Jesus beim SPIEGEL Hitler als Auflagenmacher. Auch die WeLT AM SONNTAG folgt dem Rezept; schließlich ist ihr immer noch neuer Chefredakteur der Alte des SPIEGELS. Und wie beim Spiegel folgt die Enttäuschung auf das Blättern: Was denn nun wirklich im Koran verbindendes zu Jesus steht enthüllt sich nicht. Wie es eben Götter so an sich haben. Das gefällige Soufflé fällt zusammen. Nicht anders DIE ZEIT, sie ostert mit dem Titel: „Der Traum vom ewigen Leben“. Danach ist der Leser so klug wie zuvor. Mit „Die Liebe ist stärker als der Tod“ wünscht die Frankfurter Allgemeine SONNTAGSZEITUNG frohe Ostern – Hase, Ostereier und Osterlamm im Bild.
In einem gleich sich FAS und ZEIT auffallend: Im Politikteil sind sie Tageszeitungen, politisch wird’s in den Büchern Wirtschaft, Feuilleton und anderswo. Ansonsten die ZEIT Nr. 14: unanstrengend unterhaltsam.
Im Buch Wirtschaft der FAS gibt Rainer Hank in „Schokoeis von der AfD“ Nachhilfe-Unterricht in politischem Wettbewerb und Denksportaufgaben:
Bei den Wahlen am 13. März haben sich nennenswerte Wählergruppen von der äußeren Linken zu den Eisverkäufern von der AfD auf der rechten Seite aufgemacht. Arbeiter und Arbeitslose stellen die größten Neuzugänge dar. Noch nicht einmal Eisverkäuferin Sahra Wagenknecht konnte deren Wechsel zur Konkurrenz verhindern. Wie das passieren konnte, darüber rätseln die Parteienforscher noch. Offenkundig muss das Eis an beiden Rändern immer schon nach ähnlicher Rezeptur zubereitet worden sein.
Auch lesenswert: „Verlangt von Flüchtlingen Eintrittspreise!“ Margit Osterloh und Bruno S. Frey „schlagen vor, von allen Migranten eine Integrations- und Steuerungsabgabe zu erheben. Statt den Schleppern würde das Geld dem Empfängerland zufließen. Dafür könnten die Migranten gefahrlos einreisen und bei uns arbeiten. Entsprechende Stellen für die Registrierung und Bezahlung könnten an jedem Flughafen und in größeren Flüchtlingslagern errichtet werden, zu einem Bruchteil der heutigen Kosten der Grenzsicherung.“
Davon abgesehen: Der WamS gelingt der Osterspaziergang auf dem Hochseil.
Die Wirtschaftsredaktion nähert sich dem Helikoptergeld, der endgütigen Zerstörung der Geldordnung durch die Europäische Zentralbank, allerdings verstreut über die gesamte Ausgabe. Da gerät man ohne formale Bündelung dann doch durcheinander und rätselt, was ganz hinten zum Thema gehört: Lohn per Bitcoins oder Rentenlücke?
Aber es ist das relevante Thema. Und so mischt die WamS geschickt harte News und Hintergründe zu einem gemütlichen Sonntagssound News, wie wohl Ex-VW-Chef Martin Winterkorns unmittelbar nach dem Bekanntwerden gefälschter Abgaswerte versucht, sein Vermögen hinter einem Haftungsschirm unantastbar zu machen – und Hintergründe über die drohende Rentenlücke beispielsweise.
Nachdenkenswertes gehört dazu, etwa wenn Tina Kaiser mit dem Ökonomen Robert Gordon über dessen Vision des Null-Wachstums spricht. Er gießt seinen alten Kaffee in die Hydrokultur und stapelt schmutzige Sachen in der Schreibtischschublade. Da glaubt man dann gerne, dass die Autorin sich etwas hat erklären lassen, was sie weiter gibt. Wobei die eigentliche News im Paradigmen-Wechsel steckt: Galt nachlassendes Wachstum nicht lange als Segen? Bei Robert Gordon ist es ein Schaden, weil es Verteilungskonflikte auslöst und Armut wachsen lässt.
Die WamS lässt sich nicht ein auf den Main-Stream, sie bliebt an den Fragen dran, die derzeit gerne verdrängt werden: Rente, Euro, islamischer Terror. Dabei fällt auf: Die großen Stories werden jeweils von einem größeren Autorenteam gestemmt. Auch das ist eine SPIEGEL-Tradition; die Führung der Diven im Team keine einfache Sache, aber für den Leser ertragreich.
Bleibt das große Osterthema von Lucas Vogelsang zu erwähnen, über „Die Last der Schuld“. Menschliches Versagen, so lautet die Chiffre, aber wie gehen die „Verursacher“ damit um, die einen falschen Blick getan, eine Skiabfahrt zu rasant genommen, die Weiche falsch gestellt, die Aufsicht über ein Kind verloren haben? Das ist das allgegenwärtig Menschliche an Ostern. Nicht eine pseudotheologische Spiegelfechterei.
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