Von Amerika und Abschiebung über nicht Bevorstehendes bei CDU und CSU bis zum Luxusartikel Wachstumskritik und ein bisschen gegen den Zentralismus. Roland Tichy und Fritz Goergen lasen für Sie Sonntagszeitungen.
Lesenswert in der FAS das Literatur-Spezial zu „Amerika jetzt“ im Feuilleton, ein buntes Bild der US-Literatur mit Interviews, Essays und Rezensionen. Es verzichtet weitgehend auf das sonst spaltenfüllende Trump-Bashing, das ja längst Markenzeichen des deutschen Gesinnungsjournalimus ist. So kann man sich auf die Wahl und die Folgen vorbereiten und den kommenden Hillary-Schock oder Trump-Knaller abfedern. Dafür, dass das Weltbild nicht schief hängt, sorgt der Abdruck einer Rede von Michelle Obama im Politik-Teil; bleibt bloß alle in der Spur!
Wachstumskritik ist ein Luxusphänomen
Für Spurwechsel sorgt wieder der Wirtschaftsteil. Rainer Hank beschäftigt sich mit der De-Growth-Bewegung, in der rote, grüne und braune Wachstumsfeinde und TTIP-Gegner erwartungsgemäß einträchtig zusammen gefunden haben. Als Fazit zitiert Hank den Philosophen Hermann Lübbe:
„Wachstumskritik ist ein Luxusphänomen. Sie ist eine Dekadenzfolge unseres durch Wachstum zustande gekommenen Reichtums“.
Die Aussicht ist klar: Wohlhabende verordnen den weniger Wohlhabenden eine Wachstumspause; da raten die Dicken den Unterernährten zur Abnehmkur. Die Analyse ist richtig, aber klar ist auch: Die Dicken werden sich durchsetzen und die Hungrigen hohle Augen machen lassen. Global wird sich der Trend nicht durchsetzen; aber in Deutschland kann man mit der Diät ja schon mal anfangen.
Selten Zentralismus-kritisch
Ungewöhnlich ein Beitrag von Peter Carstens; er verteidigt die Zweiteilung der Bundesverwaltung zwischen Berlin und Bonn. Sonst werden ja immer Gründe angeführt, warum alles zentralisiert werden muss; die Qualität der Politik wird ja nicht auf den Ortswechsel zurückgeführt. Ginge das? Für Carstens ist die Aufteilung ein „fairer Kompromiss“, das Markenzeichen deutscher Politik. Und Carstens weist auch darauf hin, dass Berlin das durchschnittliche Deutschland eher nicht repräsentiert: „zu groß, zu chaotisch, mehr hip als Arbeit, mehr Party-Experten als Ingenieure. Wenn das ganze Land so wäre wie seine Hauptstadt, na dann jute Nacht Marie.“
Carstens fordert dazu auf, die Entkopplung der Kapitale von den Regionen zu verhindern. Viel Erfolg. Zentralisten setzen sich immer durch; die Regionen werden eher ausbluten, als dass Berlin darbt. Aber der Ansatz ist richtig.
Merkel will Abschiebung schaffen
Spurwechsel sollte nicht nur der Auftritt der Kanzlerin bei der Jungen Union signalisieren, sondern vor allem die Reaktion der Nachwuchschmiede für Berufspolitiker von morgen. Die BamS meldet, Merkel forderte in Paderborn eine „nationale Kraftanstrengung“ zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Ein paar Seiten weiter sagt Horst Seehofer im Interview, „Wir sind in der Spur, aber noch nicht am Ziel.“ Wenn die Kanzlerin sich auf eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen jährlich nicht einlässt, wäre es besser, er und Merkel würden die gegenseitigen Parteitage im Herbst nicht besuchen. Unser Karikaturist Bernd Zeller sieht das so:
Die restlichen 50 Seiten der BamS beschäftigen sich mit den wirklichen Dingen des Lebens.
Die österreichische BILD, Kronen Zeitung, hüllt die eigentliche Zeitung (fast 100 Seiten) in ein 80-seitiges Buntpapier glatt, darin acht Bilderseiten mit Barack und Michelle Obama. Darunter auch das Foto, wie der Präsident und sein Stab das Ende von Osama bin Laden am Bildschirm verfolgen. Es lohnt, die Gesichtsausdrücke zu studieren. Wer selbst verfolgt hat, was aus den Erwartungen an Obama und seinen eigenen Ansprüchen wurde, kann die Entrüstung über die Soap Opera Trump und Hillary abrüsten. Bernd Zeller neigt manchmal zum Sarkasmus.
Politik kommt diesen Sonntag in beiden Volkszeitungen nicht vor. Spricht das nun für Normalisierung oder nur Gewöhnung? Bitte urteilen Sie selbst. Und noch einen schönen Sonntag.
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