DER SPIEGEL Nr. 51: In der Krankenfabrik

DER SPIEGEL hat ein Thema von hoher Relevanz auf dem Cover, zu dem er aber wenig Kompetenz zeigt und wenig Empathie. SPIEGEL-Leser müssen sich seit längerem darüber belehren lassen, dass Privatisierung kapitalistisches Teufelswerk sei.

Das Thema Football-Leaks hat der Spiegel auf die hinteren Plätze verbannt, aber immerhin noch auf 14 Seiten, die Spezialisten für das internationale Sportbusiness interessant sein dürften, wohl weniger für den durchschnittlichen Stadiongänger. Ob die Gehälter der Bundesligaspieler, auf die auf 2  Seiten Bezug genommen wird, wirklich „Sprengstoff“ sind, wie die Überschrift suggeriert, darf wohl kaum angenommen werden. Erstens sind die Summen so unbekannt nicht und zweitens ist auch Heldentum im Sportbusiness ein durchaus wertgeschätzter betriebswirtschaftlicher Faktor. Wer von Football-Leaks immer noch nicht genug hat, kann das neue Spiegel-Buch “Football-Leaks –Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball“ von Rafael Buschmann und Michael Wulzinger erwerben. Mit Ausgabedatum April 2017 taugt es erst für en Osterkorb.

So findet sich in dieser Woche ein Thema auf dem Cover, das von hoher Relevanz ist, zu dem der SPIEGEL aber wenig Kompetenz zeigt. SPIEGEL-Leser müssen sich seit längerem darüber belehren lassen, dass Privatisierung kapitalistisches Teufelswerk sei. So natürlich auch im Klinikgeschäft, in dem Asklepios-Gründer Bernhard große Broermann in wenigen Jahrzehnten einen Konzern mit Milliardenumsatz aufbaute und mit harter Hand vorführt, welche Produktivitätsreserven im Gesundheitssystem zu mobilisieren sind.

Der Titel „Ein krankes Haus“ verbeißt sich in Asklepios, nimmt eine Klinik, als pars pro toto, forscht dort nach unangenehmen Begleiterscheinungen, die genüsslich ausgemalt werden. Die Brisanz des Themas, die sich eben nicht nur in privat geführten Häusern zeigt, sondern genauso in den Kliniken, die in öffentlicher Trägerschaft geführt oder von seit Jahrzehnten etablierten freien Trägern betrieben werden, wird nur am Rande gestreift. Das System an sich ist krank. Selbst wenn das zu weit führen würde, die gesamte Krankenhausfinanzierung zu durchleuchten, so hätte ich als Leser zumindest ergänzende Fakten erwartet. Etwa solche: Welches sind die größten Krankenhausbetreiber in Deutschland, in öffentlicher Hand, privatrechtliche Unternehmen, in freigemeinnütziger Trägerschaft? Wo steht das deutsche Gesundheitssystem im Vergleich zum Ausland? Die Leser hätten viel lernen können. Schade. Das eigentliche Anliegen des Spiegels ist offenkundig nicht ein besseres Krankenhaus-System, sondern der Krieg gegen das, was er mit Kapitalismus verwechselt.

Lernen können die Leser der aktuellen Ausgabe, dass Top-Industriemanager noch Träume haben. Airbus-Chef Thomas Enders träumt im SPIEGEL-Gespräch  von einer neuen Ära: fliegender Nahverkehr.

Lernen kann der Leser mit Christoph Pauly und Christian Reiermann in „Bock und Gärtner“, wie die Briten mit niedrigen Steuern die Wirtschaft ankurbeln wollen. Wir wissen aus Erfahrung, dass dieses Vorgehen allen schadet. Zum Glück gibt es da natürliche Grenzen, die auch Theresa May nicht unterschreiten kann.

Nachdenklich gemacht hat mich Martin Doerrys Beitrag „Kinderglück“ über Cornelia Schmalz-Jacobsens Buch zu ihren durchaus (aber nicht nur) positiven Erinnerungen an die Zeit auf dem Darß unter den russischen Besatzern im Sommer 1945. Die Schilderung, dass die Kinder damals mit Begeisterung das Spiel „Frau, komm!“ gespielt hätten, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren.

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