Der SPIEGEL überrascht in dieser Woche mit einer Titelgeschichte über die Alpen. Die Stoßrichtung ist so indifferent wie die Unterzeile auf dem Cover und die ganze Ausgabe.
Der SPIEGEL überrascht in dieser Woche mit einer Titelgeschichte über die Alpen. Die Stoßrichtung ist so indifferent wie die Unterzeile auf dem Cover. In welchem Verhältnis stehen Bedrohung, Paradies und Wandel zueinander? Als einem Kind des Ruhrgebiets, für das der Urlaub darin bestand, mit der Katholischen Kirche eine Tagesfahrt zu einem kindgerechten Ausflugsziel zu erleben, mag man es mir verzeihen, dass ich die Faszination der Alpen nicht wahrnehme, wie Millionen Urlauber sie Jahr für Jahr ganz subjektiv erleben und die Mehrzahl der dort Heimischen. Ich verspüre auch keinen Verlust, den zum Beispiel Autor Hilmar Schmundt in „Heidi ade“ beklagt, wenn er die Urlaubserinnerungen seiner Kindertage mit der Gegenwart vergleicht. Für mich waren die Alpen nie mehr als eine Barriere auf dem Weg nach Süden, durch Passautobahnen, Tunnel und ausgebaute Wander- und Radwegenetze heute besser zu bewältigen als vor 2.235 Jahren für Hannibal. Alpen- und Naturliebhaber, Urlauber und Einheimische dürfen sich vom zehnseitigen Spagat zwischen Massentourismus, Umweltzerstörung, Naturwunder und Wohlstand angesprochen fühlen. Dennoch scheint mir sicher, dass es ein Kratzen an der Oberfläche bleibt angesichts einer 200.000 Quadratkilometer großen Region, verteilt auf sieben Staaten.
Interessanter als die Sommer-Urlaubs-Titelgeschichte war für mich „Kalter Blick“. Konstantin von Hammerstein seziert das zerrüttete Verhältnis von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit der Truppe und macht sich Gedanken über eine zukünftige Verwendung der Niedersächsin in einem neuen Kabinett.
Der Hausbesuch von Hubert Gude – „Zurück zum Zollamt“ – bei der von den Grünen zur CDU übergetretenen niedersächsischen Landtagsabgeordneten Elke Twesten zeigt eine glaubwürdige, engagierte Lokal- und Umweltpolitikerin, die sich nach einem länger dauernden Entfremdungsprozess wohlüberlegt zum Parteiwechsel entschied. Das Aufheulen bei den Grünen ist so weltfremd, wie deren eigenes Verhalten zuvor sehr offenbar berechnend war. Würde sich ein vergleichbarer Vorgang in der Unternehmenswelt abspielen, wäre man nicht im Geringsten erstaunt, wenn der ausgebootete Mitarbeiter zur Konkurrenz überläuft. Achtsamkeit und Wertschätzung ist leicht politisch einzufordern, aber hohle Floskeln, wenn die Tugenden nicht gelebt werden.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sollte also weniger auf eine einzelne Person oder gar auf den politischen Gegner CDU schauen, als sich fragen, welche „Unternehmenskultur“ bei seinem bisherigen Koalitionspartner gepflegt wird. Michael Fröhlingsdorf und Hubert Gude haben den SPD-Mann interviewt. Zwei große Themen in einer Woche, das lohnt sich. Umso erstaunlicher ist der naive Umgang der SPIEGEL-Redakteure mit Weil, vor allem was die Autorisierung einiger Redepassagen durch VW betrifft. Natürlich muss er als Mitglied des Aufsichtsrats sicher sein, dass er keine vertraulichen Informationen weitergibt. Ähnliche Probleme haben andere Aufsichtsräte von börsennotierten Gesellschaften auch. Üblicherweise werden solche Textpassagen vor ihrer Veröffentlichung von Anwälten daraufhin überprüft, ob ihre Äußerungen ad-hoc-pflichtig sind.
Das Team um Katrin Göring-Eckardt ist neidisch geworden – auf Sahra Wagenknecht und deren SPIEGEL-Radtour. Jetzt segelte die Grünen-Top-Frau für den Wahlkampf mit der SPIEGEL-Redaktion. Und die Leser dürfen lesend mitsegeln. Ist das nicht toll?
Was nutzen die besten Gesetze, wenn sie nicht durchgesetzt werden? Das SPIEGEL-Gespräch „Ich verzweifele am Rechtssystem“ mit Jens Gnisia, dem Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes öffnet die Augen und findet hoffentlich breite Aufmerksamkeit.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein