Der Spiegel Nr. 27 – Es war einmal ein starkes Land

Trifft der Titel wirklich mitten ins deutsche Herz? Wohl kaum noch.

Es war einmal … Wie wäre die Welt doch so schön, wenn man auch als Nachrichtenmagazin mal unjournalistisch eintauchen könnte in die Welt der Fabelwesen, Hexen, Zauberer, sprechenden Tiere, Riesen und Zwerge. Letzteres bringt es auf den Punkt. Der mit den Jahren weiter gewachsene fußballerische Scheinriese, „Die Mannschaft“, ist auf Normalgröße geschrumpft. Aber ist das alles wirklich so wichtig? Fußball ist ein Spiel, bei dem es um sehr hohe Einsätze und Gewinnchancen geht. Eine ganze Industrie aus Sport, Fitness, Freizeit, Gastronomie und Werbung hat sich darum gebildet. Wie immer, wenn es um hohe Gewinnchancen geht, ist auch das Risiko hoch. Allerdings ist diese Industrie nicht die Schlüsselindustrie für die deutsche Wirtschaft. Das sind andere. In der Titelgeschichte „Schland unter“ wird der Aspekt Wirtschaft auch gar nicht ernsthaft beleuchtet außer zehn Zeilen Verweis auf den beurlaubten Audi-Boss Rupert Stadler und die Gewinnwarnung von Daimer, die nichts – wie vom Spiegel durch die Ergänzung „Hauptsponsor der Nationalmannschaft“ suggeriert – mit dem Ausscheiden der Nationalmannschaft zu tun hat, sondern mit einer Rückrufaktion und den neuen Standards für Abgastests.

Trifft der Titel wirklich mitten ins deutsche Herz? Wohl kaum noch. Den goldenen Traum aus Deutschland als Doppelweltmeister, zusammenwachsendem und prosperierendem Europa, weiter anhaltendem Wirtschaftswachstum unter einer weisen Regentin, die mit eisernen Nerven, Sitzfleisch und unbeugsamem Willen trotz allen Anfeindungen alle Fäden in der Hand behält und bei der die Themen Emigration, Brexit und Handelskrieg mit den USA mit glücklicher Hand erfolgreich überstanden werden, hat es doch nie wirklich gegeben. Der Traum, dass mit Mutti alles am Ende gut wird, ist dem Nachtmahr gewichen.

Angela Merkel und Joachim Löw, sitzen seit 2014 selbstgefällig auf einem hohen Podest und hoffen darauf, dass trotz unsinniger Entscheidungen irgendwann ein Deus ex Machina eingreift und die Situation in ihrem Sinne löst.

Klaus Brinkbäumer diagnostiziert im Leitartikel „Geht schon so weiter, irgendwie“ die deutsche Krankheit in Fußball und Politik trefflich als einen sturen Glauben an Bewährtes, den mangelnden Willen zu Veränderungen, das Fehlen von Innovationslust und Abenteuergier, wie es Brinkbäumer nennt.

Es ist Zeit für einen Neuanfang, damit die Horrorshow die Medien von Flensburg bis Friedrichshafen nicht weiter in unangebrachte Hysterie verfallen lässt. Seehofer muss trotz wahlpolitischer Bedenken die Reißleine ziehen für einen Befreiungsschlag in der bundesdeutschen Politik. Dirk Kurbjuweit liefert dazu in seinem Kommentar „Entschwestern, bitte“ gute Argumente. Die CSU findet nördlich des Mains gewiss ihre Wählerschaft, die es leid ist, weiter Geld in Fässer ohne Böden zu stopfen und eine von Deutschland alimentierte europäische Arbeitslosenversicherung und einen ausgeweiteten ESM nicht mittragen wollen.

Brüsseler Beschlüsslein
CSU: Fällt Seehofer um?
Keiner kennt bisher Horst Seehofers 63-Punkte-Plan zu Migration. Erstaunlicherweise offenbar auch nicht die Spiegel-Redaktion, die ja sonst alles an Papieren abfängt, was in Berlin kursiert. Ankerzentren waren ein Element im Programm des Innenministers und könnten nach den Brüsseler Gipfelvereinbarungen zur Migration nun auch auf EU-Ebene eingeführt werden. Vorbilder dafür gibt es, zum Beispiel in den Niederlanden, wie Fiona Ehlers in „Kurzer Prozess“ beschreibt.

Und die SPD? Finanzminister und potenzieller Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der sich beim Baukindergeld verzockt hat („Prämie fürs Land“), meldet sich just heute zusammen mit seiner zuletzt untergetauchten Parteivorsitzenden Andrea Nahles über Spiegel Online mit einem eigenen Fünf-Punkte-Plan zur europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik zu Wort.

Apropos Migration: Im der aktuellen Ausgabe erreicht Jakob Augstein mit seiner Kolumne „Im Zweifel links“ einen neuen Tiefpunkt im deutschen Journalismus. Unter der Überschrift „Wir Zivilisationsbrüchigen“ geht er mit jedem ins Gericht, der auch nur in gewisser Weise mit Wort und Tat erkennen lässt, dass es in der Migrationspolitik so nicht weitergehen kann. Es geht um die Gegensätze Rationalität und Emotionalität, um gezeigtes, vorhandenes und nicht vorhandenes Mitleid. Zitat aus der Kolumne: „Nach dem Abkommen mit der Türkei sagte der damalige Innenminister Thomas de Maiziére. ‚Auch wenn wir jetzt einige Wochen ein paar harte Bilder aushalten müssen, unser Ansatz ist richtig‘. ‚Aushalten‘ sagte er. Dabei waren es nicht die Deutschen, die etwas ‚aushalten‘ mussten. Es waren die Flüchtlinge. … Aushalten ist offenbar eine heroische Sache. Es ähnelt dem ‚Durchhalten‘ aus Heinrich Himmlers Posener Reden. ‚Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht…“ Wer Augstein heißt, hat beim Spiegel offensichtlich Narrenfreiheit beim Schreiben. Aber darf, wer Augstein heißt, NS-Gräueltaten so relativieren? Wer derart den Maßstab verliert, hat jeglichen Anspruch, moralische Instanz zu sein, verwirkt.

Susanne Koelbl machte sich auf in ein Land, das wie kaum ein anderes mit Märchenhaftigkeit konnotiert ist: nach Saudi Arabien. In „12 Wochen Riad“ beschreibt die Redakteurin, dass scheinbare Liberalisierungen wie der Führerschein für Frauen oder Popkonzerte verdecken, dass das Königreich auf dem Weg in einen totalitären Überwachungsstaat ist, in dem Königstreuen märchenhafte Chancen geboten werden und Kritiker das Schlimmste befürchten müssen.

Immer einen klaren Kopf in der #MeToo-Debatte behalten hat die Philosophin Svenja Flaßpöhler. Nie ließ sie sich von irgendeiner Seite vereinnahmen, erst recht nicht von Feministinnen, die sie als Nestbeschmutzerin abtaten, wenn sie nicht ins selbe Horn stoßen wollte. Lesenswert das Gespräch zwischen der Chefredakteurin des Philosophie Magazins und Spiegel-Redakteurin Claudia Voigt („In der ‚MeToo-Debatte herrscht Vergeltungslogik“).

Der Biologe Torben Schiffer von der Universität Würzburg hat mich erheblich verunsichert. Bisher dachte ich, Glyphosat und die Varroamilbe würden unsere Bienen killen. Und jetzt das: „Schimmel schwächt unsere Honigbienen“, sagt er und beklagt die Zustände in den menschengemachten Bienenstöcken.

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Kommentare ( 32 )

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AlNamrood
6 Jahre her

Die Idee des Leitartikels ist doch schon deshalb Unsinn weil es uns auch vor 2015 und selbst vor Merkel nicht so gut ging. Die Zersetzung hatte schon lange begonnen. 70% Ausländerkinder in Frankfurt war damals schon der Fall. Eine marode und korrupte Hauptstadt ebenfalls. Es ist durch Merkels Aussitzen nur eben sichtbarer geworden.

giesemann
6 Jahre her

Die Deutschen werden Europa und sich selbst nicht noch einmal in den Abgrund reißen können, weil sie militärisch nichts zu melden haben. Gut so. Das Hereinführen des Islamfaschismus wäre der Untergang Europas. Schlimmer als das seinerzeitige Hereinführen der Sowjetunion bis nach Mitteleuropa – durch die Deutschen, mit den bekannten Folgen vor allem für die Osteuropäer. Genau aus diesem Grunde lassen sich die Visegrads von Berlin nichts sagen – sie wissen: Dort herrscht eine wahnwitzige Weiberwirtschaft, gestützt von ein paar Halb-Testos. Das Erzwingen von „Humanität“ und Rettung durch mutwillig herbeigeführte Notlagen durch die Migranten selbst erinnert mich an das Ubuntu-System in… Mehr

AlNamrood
6 Jahre her
Antworten an  giesemann

Deutschland ist bei weitem nicht das einzige Land das militanten Islamismus fördert. Die Briten und Franzosen sind uns da in nichts nach.

giesemann
6 Jahre her
Antworten an  AlNamrood

@AlNamrod: Ja, und?

Berndi
6 Jahre her

Ob der Guinness schon beim Augstein war? Das ist doch langsam rekordverdächtig, solche Tiefbohrungen sieht man sonst nur in Hollywoodstreifen.

Thorsten
6 Jahre her

Sie verunglimpfen die Thälmann-Pioniere. 😉

humerd
6 Jahre her

„Es war einmal ein starkes Land“
dann wurde Merkel Kanzlerin, die Linken gewannen an Einfluss und die NGOs (Deutsche Umwelthilfe, ProAsyl, Flüchtlingsrat, Caritas, Kirchen, die Tafeln) bestimmen seither die Richtung der Politik.

Klaus Mueller
6 Jahre her

Ein Blatt, das keiner braucht, weil es inhaltsleer ist. Die Rezension dazu kann man sich gleich mit sparen.

giesemann
6 Jahre her

Saudi Arabien: Was ist eigentlich mit dem Blogger, Bahawi, den sie halb tot geschlagen haben – lebt er noch? Frau Koelb ist eine der wenigen Leute beim „Spiegel“, die man noch ernst nehmen kann. Augstein? Nicht.

giesemann
6 Jahre her
Antworten an  giesemann

Der Blogger heißt Raif Badawi, bitte um Verzeihung, gucksdu internet. (Nimm „metager.de“ als Suche, nicht „google“ – wegen amerikanischer Umtriebe).

Sozia
6 Jahre her

Jakob Augstein hat einen neuen Tiefpunkt erreicht? Immer wieder erstaunlich, wie er das macht, wie ein Höhlenforscher, der eine immer noch tiefere Höhle findet. Er sollte vielleicht doch endlich begreifen, dass weder Gesinnung noch Abstammung oder Erbe Talent ersetzen kann. Seine ewigen Kommentare im luftleeren Raum, mit der er mit immer schlimmeren Diffamierungsdrohungen Andersdenkende begeifert, sind jedes Journalisten in einer Demokratie unwürdig. Er sollte anfangen, sich mit den Realitäten der Menschen in D. auseinanderzusetzen oder das Schreiben einstellen.

giesemann
6 Jahre her
Antworten an  Sozia

Ein Mann, der so ca 100 Mio. geerbt hat, der sieht die Realität als andere Wirklichkeit … .

Th.F.Brommelcamp
6 Jahre her

Wer liest denn noch sowas? Das war schon immer ein Desinformationblatt für gealterte linker Aktivisten. “Vorwärts“ im Glanzformat.

T. Pohl
6 Jahre her

Ich denke ,das mit dem Glyphosat und Varroamilbe und den Bienen verhält sich ungefähr so wie das mit dem CO2 und dem Klima: Nichts genaues weiss man nicht (keine Daten, nur „Modelle“).
Die Wissenschaft hat sich von der Politik instrumentalisieren lassen. Leider!
Le Waldsterben lässt grüssen; der Schwarzwald existiert ja auch gar nicht mehr.

Kassandra
6 Jahre her
Antworten an  T. Pohl

Ja – und ich denke an diesen heißen Sonnentage doch manches Mal zurück an das Ozonloch und die ihm zugeschriebenen für die Menschheit gefährlichen Werte.

Wo ist das eigentlich hin? Alles wieder gut?
Und die Werte?
Einfach so im wieder erträglichen Bereich?

T. Pohl
6 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Haben die Grünen durch vegane Lebensweise, die Ehe für alle und KGE in den Griff bekommen!
Just kidding!

Roland G.
6 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Einfach so, wahrscheinlich nicht.
Ihrer klar erkennbaren Haltung, daß etwas weniger Hysterie, (nicht nur) in Umweltfragen, angebracht wäre stimme ich ja im Prinzip zu, aber gerade im Fall des Ozonslochs wurde a) eine Menge getan und b) filtert Ozon in großen Höhen den UV Anteil des Sonnenlichts, zuviel UV Licht ist nun mal nicht gerade gesund.
Fluorierte Kohlenwasserstoffe als Treibgase in Sprühdosen, als Kältemittel in Kühlschränken oder auch als Reinigungsmittel wurden schon vor Jahren verboten und anscheinend hat das geholfen. Vielleicht griffen auch noch natürliche Reparaturmechanismen aber so tief will ich in das Thema nicht mehr einsteigen.

Dieter Rose
6 Jahre her
Antworten an  Kassandra

ich muss heute morgen
wieder meine Hausjacke
anziehen. und die langen buxen.