DER SPIEGEL Nr. 11 – Das düstere Ich

"Die Frauenrepublik" von Melanie Amann und anderen über "die Achse" zwischen Angela Merkel und Andrea Nahles. Beobachtungen aus Berlin, aber eben nur Beobachtungen, Rückschlüsse, Informationen aus zweiter, dritter Hand, kein direkter Zugang.

Der Spiegel steht für mich für eine besondere Produkterwartung. Wenn ich am Wochenende in das Magazin schaue, erwarte ich eine Tour d´ Horizont über die derzeit wichtigsten innenpolitischen und weltpolitischen Themen. Teilweise ist das gelungen: Einfuhrzölle, Wahlausgang in Italien, Müllberge, die in Deutschland bleiben, weil China sie nicht mehr nimmt. Aber was ist mit den designierten Ministern aus den Reihen der SPD? Ist der Spiegel dann doch nicht so nah am Geschehen, hatte auf diejenigen gesetzt, die jetzt nicht mehr mitspielen dürfen? Ich hatte schon die Erwartung zu erfahren, wie die Neulinge einzuschätzen sind. Stattdessen gibt es „Die Frauenrepublik“, ein Stück von Melanie Amann und anderen über „die Achse“ zwischen Angela Merkel und Andrea Nahles. Beobachtungen aus Berlin, aber eben nur Beobachtungen, Rückschlüsse, Informationen aus zweiter, dritter Hand, kein direkter Zugang.

Im Beitrag „Dann wackelt alles“ befürchten Frank Dohmen, Simon Hage und einige Kollegen, dass US-Präsident Donald Trump einen Handelskrieg anzettelt und den Exportweltmeister Deutschland damit bedroht. Der Beitrag hätte gut werden können, wenn nicht wieder dies unsagbar menschelnde wäre, all die Pseudoinformationen, die nichts zu Sache tun, wenn es nicht zu viele Spekulationen gäbe, wenn man Trump beizeiten ernst genommen hätte. „Unerwartet“, wie es im Beitrag heißt, kamen die Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium nicht. Es mag schwer fallen, den Charakter Trumps zu akzeptieren. Nach mehr als einem Jahr Regierungszeit sollte auch beim Spiegel angekommen sein, dass dieser Mann tut, was er sagt, es zumindest in die Wege leitet. Und es sollte angekommen sein, dass sehr persönliche Interessen mit nahen Zielen bei ihm Vorrang haben vor vorausschauender Staatsraison. Diese Einordnung könnte vieles erklären.

Der wichtigste Absatz in dem gesamten Beitrag geht fast unter: „Der Konflikt, der sich hier anbahnt, ist ein Zeichen für die Zeitenwende, in der sich die globale Wirtschaft befindet. Bislang lief die Konjunktur in den meisten Regionen rund, die Welt erlebt eine seltene Phase eines synchronen Aufschwungs in den meisten Regionen. Diese bequeme Zeit jedoch dürfte bald vorbei sein.“ Das ist die Herausforderung für die Politik. Aber das ist auch genau das, was gute Politik leisten muss. Ein „weiter so“ kann und wird es nicht geben. Denn auch Deutschland und Europa müssen sich den Protektionismus-Schuh anziehen.

Gar nicht erwähnt wird, dass Deutschland dank des Atomschirms der Nato Jahr für Jahr eine hohe Friedensdividende vereinnahmt. Bei dem von Trump geforderten Heraufschrauben der Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Sozialprodukts würden sicher die Amerikaner am stärksten von einem Anstieg der Rüstungsausgaben partizipieren. Wer sonst? Das wär ein Ansatz für einen „Deal“ – denn nichts anderes wird Trump wollen.

Eher unter die Rubrik peinlich fällt die Kolumne „Danke, Donald“ weniger wegen des Inhalts, vielmehr, weil Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer den Lesern sein neues Buch „Nachruf auf Amerika“ andient.

Das Highlight des Heftes ist für mich der Beitrag „Ein Sack in China“. Alexander Smoltczyk beschreibt sehr differenziert, wie China zum gelben Sack der Welt wurde und den nun zugebunden hat, indem das Land ein Importverbot für unsortierten, minderwertigen Müll verhängte. Denn die Recyclingindustrie hat genau das nicht gemacht, was sie von den Bürgern verlangt: Müll zu trennen. So kommt die schön eingerichtete Welt der deutschen Verpackungshersteller, der Recyclingindustrie und der Umweltpolitik ins Wanken, die nie so sauber war, wie man glauben machen wollte. Allerdings: Im Land der Tüftler öffnen sich auch neue Türen. Das Thema ist für mich titelwürdig, weil sowohl volkswirtschaftlich als auch umweltpolitisch relevant.

Marc Hujer war mit Markus Söder Tennis spielen und lernt, wie der Nürnberger, der am Donnerstag aller Voraussicht nach den Stab als Bayerischer Ministerpräsident übernimmt, Kampfgeist, Finesse und Gemeinheiten aus dem Sport auf die Politik überträgt („Winning Ugly“). Antje Windmann traf den Nationalspieler Per Mertesacker in London in einem Lokal und lernt, was Leistungssport mit Körper und Psyche macht und wie Mertesacker der nächsten Fußballgeneration als Leiter der Nachwuchsakademie von Arsenal den Blick für die Welt außerhalb des Fußballs schärfen will („Der Mensch im Trikot“).

Gesunde mögen es kaum glauben: Die Zeit, wenn die Tage wärmer werden, die Wiesen grüner und die Frühjahrsblüher Farbe ins Leben bringen, ist für Menschen mit Depressionen eine besondere Herausforderung. Das jedenfalls beobachten Psychiater und Psychologen Jahr für Jahr. Insofern kommt der Titel gerade zum richtigen Zeitpunkt. Die Selbsttötung von Robert Enke in der Titelgeschichte „Unter Wasser“ zum x-ten Male spaltenweise auszubreiten, wäre bei dem insgesamt sehr lesenswerten Beitrag nicht notwendig gewesen. Es hilft denjenigen nicht, die betroffen sind, und macht das Thema nicht zugänglicher für diejenigen, die mit dem Thema nichts anfangen können. Verzichtbar wäre auch die Aussage gewesen: „Die Krankheit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“. Depression ist eine Krankheit, für die gesellschaftliche Segmente keine Rolle spielen. Über das Thema als Krankheitsereignis zu reden, ist kein Tabu mehr, auch wenn es von vielen kleingeredet wird und immer noch 18 Prozent der Deutschen glauben, dass sich Depression mit Schokolade heilen ließe. Auch die Ärzteschaft und Krankenkassen müssen noch viel dazulernen.

In „Alles, was recht ist“ gießen Sven Röbel und Andreas Wassermann einen Kübel Jauche über Wolfgang Kubicki aus, der dem Mobilcom-Gründer Gerhard Schmid und dessen Frau angeblich auf Basis einer Erfolgsbeteiligung nach dessen Privatinsolvenz in Gerichtsprozessen zur Seite stand. Meinen Respekt für Herrn Kubicki, der seinen Freund auch nach dessen Sturz nicht fallen ließ, wie so viele andere es getan haben.

„Techfirmen als Frauenschreck“. Warum? Geschlechterforscher der kalifornischen Stanford University beobachten, dass Technikunternehmen interessierte Studentinnen vermutlich oftmals unbeabsichtigt systematisch abschrecken: Manche Präsentationen seien so dröge, dass Studentinnen enttäuscht die Lust verlören und den Raum verließen. Humoreske Einlagen wären häufig auf eine klassische Nerd-Kultur bezogen, etwa auf Star Wars oder bestimmte Videospiele. Extras wie Tischtennis, Tischfußball oder Kühlschränke voller Bier fänden Studentinnen zudem kaum reizvoll.

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Kommentare ( 17 )

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pehbeh
6 Jahre her

Eigentlich wollte ich den Artikel
Depression: Wie gerät man hinein, wie heraus?
DER SPIEGEL Nr. 11 – Das düstere Ich
teilen, aber der hier gefundene Text hat damit überhaupt nichts zu tun – ich hatte den Artikel schon als Papier in der Hand, daher weiß ich das.

Engelmann Hans
6 Jahre her

Hatte früher einmal Spiegel und Focus abonniert. Aber damals zählten noch „Fakten, Fakten, Fakten“ und journalistisch gut recherchierte Berichte. Heutzutage gilt : „Mainstream, Mutti, Meinung, Moral“ Die Journalisten glauben, sie wären für alles kompetent, blasen über alles ihre Meinung hinaus und machen sich lächerlich. Oft arm an Jahren, Erfahrung, Verständnis, Reflektion Dafür hat man heute keine Zeit mehr. Die „Story muss raus, auch wenn sie falsch ist!“ wichtig sind die „Clicks“ Wenn sie nicht einmal den Unterschied zwischen einer amerikanischen „billion“ und einer dt. „Billion“ kennen,- wenn ein Schwarzes Loch in 800 LJ ( und nicht 800 Mio. LJ) allokiert… Mehr

Rasio Brelugi
6 Jahre her

Warum bringen Sie eigentlich wöchentlich eine solch elaborierte SPIEGEL-Rezension?

(Wenn der SPIEGEL die Zeichen der Zeit erkannt hätte, würde der monatlich eine Rezension von Tichys Einblick bringen. Ich würde genau darauf warten an Ihrer Stelle.)

Andre Körber
6 Jahre her

Entschuldigung….aber jemandem, der den Spiegel liest, spreche ich jede intellektuelle Fähigkeit ab. Ein desinformatives linkes Hetzblatt, fast zu vergleichen mit dem Neuen Deutschalnd in der Dreckszone. Augstein z.B., da zieht sich in mir alles zusammen. Ein Erb-Bürgersöhnchen, das nie im Leben einen ehrlichen Schlag Arbeit getan hat und dann aus seinem Sessel links-faschistisch hetzt. Intellektuell und rhetorisch ausserdem äusserst überschaubar das Bübchen……..Sie tun mir leid.

Engelmann Hans
6 Jahre her
Antworten an  Andre Körber

Na, na, na!
Natürlich kann man als intelligenter Mensch den Spiegel lesen. Schliesslich sollte man wissen, was der Feind plant! Schimpfen Sie nicht über die Intoleranz anderer, indem Sie das selbst machen… ?

Philokteta
6 Jahre her
Antworten an  Andre Körber

Wer ein Buch oder, wie in diesem Fall, eine Zeitschrift NICHT liest, kann doch gar nicht wissen, was darin geschrieben steht.
Anscheinend haben Sie den SPIEGEL ja also auch gelesen? Muß Ihnen dann auch „jede intellektuelle Fähigkeit“ abgesprochen werden?

Mabell
6 Jahre her
Antworten an  Philokteta

Liebe Philokteta, wie heißt es doch : Jeder zieht sich den Schuh an, der ihm passt.
Ist nur schade, dass ich die Minus-Marken nicht überschreiben kann. Würde es gerne tun. Darum jetzt hier per Erklärung: Ten thumbs up. LG, Mabell.

ZurückZurVernunft
6 Jahre her

Wenn Frauen MINT studieren würden, dann würde sich die FrauenQuote in unseren Hightech Unternehmen wohl erübrigen.
Und auch im Bereich Nobelpreisträger werden sie ohne MINT unterräresentiert bleiben

Aber Ministerin kann ma ja auch mit Orchideen -Studiengängen werden

Mabell
6 Jahre her
Antworten an  ZurückZurVernunft

Werter ZzV, stimme mit ihnen überein. Mich erstaunt allerdings auch immer wieder, mit wie wenig Wissen unsere Damen und vor allem auch Herren Politiker an höchste Stellen unseres Staates vorrücken. Nach meinem Dafürhalten müssten alle Abgeordneten, egal auf welcher Ebene, einen vernünftigen Schulabschluß, egal welchen, und zumindest eine gut abgeschlossene Ausbildung vorweisen. Es darf doch nicht sein, dass Menschen, die sich nicht ernähren könnten, weil sie nichts bisher gelernt haben, dann über das Schicksal von 80 Millionen Menschen entscheiden dürfen.
Grüße aus dem Pott, Mabell.

Frankfurterin
6 Jahre her

Ich finde ja, es ist viel zu viel Ehre, die man diesem „Blatt“ hier wöchentlich angedeihen lässt. Ab in die Restmülltonne (!) damit oder einfach „links“ liegen lassen…

Frankfurter
6 Jahre her
Antworten an  Frankfurterin

Ich bin drauf und dran mich in Sie zu „verlieben“.

Frankfurterin
6 Jahre her
Antworten an  Frankfurter

Ach, hat das gut getan!! Nur zu! Aber warum in Anführungszeichen?
Jetzt aber mal ernsthaft: ich habe schon einige Male an TE geschrieben und angeregt, doch einmal ein „Foristen“-Treffen zu veranstalten. Leider keine Chance. Man will wohl nicht zur Kontaktbörse mutieren… (jetzt hoffe ich, dass wenigstens dieser Beitrag nicht wegzensiert wird).

Mabell
6 Jahre her
Antworten an  Frankfurterin

Guten Abend nach Frankfurt! Eines der wenigen Dinge, die mir hier fehlen, ist die Möglichkeit, „persönliche Nachrichten“ zu schicken. Kenne ich aus einigen anderen Foren, und es ist durchaus manchmal hilfreich. Off topic Diskussionen, die sich aus solchen PNs entwickeln, sind häufig interessant für mich, gehören aber einfach nicht in den Blog. Daraus haben sich für mich sogar einige nette Freundschaften entwickelt. Als Frage an die Redaktion: ist sowas nicht auch hier möglich? Ich möchte nur meine e-mail-addie nicht einfach hier ins Netz stellen, das behagt mir ganz einfach nicht. Ich gebe ja auch meine Telefonnummer nicht so bekannt, und… Mehr

Frankfurterin
6 Jahre her
Antworten an  Mabell

Lese gerade erst Ihre Nachricht, liebe Mabell, und möchte Ihren Wunsch voll unterstützen. Habe, wie oben geschrieben, schon mehrere Anläufe bei TE in ähnlicher Hinsicht unternommen, aber leider ohne Erfolg. Grüße zurück nach Duisburg…

S. Salochin
6 Jahre her

Trump will einfach „America first“, weil er das seinen von Obama 8 Jahre lang gebeutelten Landsleuten in ihren von der Industrie verlassenen, hinfälligen und mit mehreren „Rasenmäherjobs“ gleichzeitig beschäftigten Wählern versprochen hat.
Offensichtlich hat der Mann damit Erfolg und was Sie Staatsräson nennen, nennen seine Anhänger „Swamp“. Es ist ein gutes Zeichen, dass der herrschenden Mafia einschließlich ihres Agitprop-Journals „Spiegel“ der Hintern auf Grundeis geht, wenn sie seinen Namen hören. Und dass jemand anders sich den Sumpfkreaturen so erfolgreich entgegengestellt hat, wäre mir entgangen.

Rico Martin
6 Jahre her

Respekt! Sie haben im Siegel gelesen! Ich greife den nicht mal an.

Ghost
6 Jahre her

Der Spiegel ist nicht anders als andere Presseorgane: naiv-arglos und parteiisch gegenüber wirklichen Problemen, Hauptsache man kann auf jemanden blind einprügeln mit viel Bullshit-Geschrei, wie eben bei Trump. Von Merkel eingebläutes TINA und political correctness helfen eben nicht weiter, führen in die Sackgasse.
Dabein hat auch die Presse die Evolution der Globalisierung und ihre Folgen (China) verkannt, ebenso wie andere Konstellationen.