Der FOCUS Nr. 13 – „Einfach richtig laufen“

Belgien zeigt Züge eines gefährlich nicht funktionierenden Staates: eine deutliche Warnung für die EU und Deutschland.

Die Woche der Terroranschläge von Brüssel wartet das Editorial mit einem Foto des angestrahlten Brandenburger Tors in den Farben der Belgischen Flagge auf. Chefredakteur Robert Schneider findet zu den Lesern und in der Kürze die passenden Worte und schreibt, was sehr, sehr viele Menschen denken, mit denen ich in dieser Woche gesprochen habe: schon wieder. Wieder. Schon wieder. Wo alle Worte zunehmend hohler wirken, angesichts der permanenten Bedrohungen durch islamistischen Terror in Europa. „Wieder fordern Politiker engere Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden – und man fragt sich, warum das nicht schon längst geschieht.“

Von der Angst, dem Terror und dem Versagen der Geheimdienste

So beginnt der Politikteil dann auch mit Bildern einer Touristin, die nach dem Selbstmordanschlag im Terminal des Brüsseler Flughafens in der staubdurchwirkten Luft am Boden liegt. Eine Szene wie aus einem Kriegsgebiet. In „Angst ist ein Terrorist, den man nicht fassen kann“ erfährt der Leser Interessantes zu den Hintergründen der Brüsseler Terroranschläge. Nur vier Tage liegen zwischen Festnahme von Salah Abdeslam in Molenbeek und den Attentaten der Brüder El Bakraoui auf den Brüsseler Flughafen und Metro-Station. Abdeslam wird durch den Rechtsanwalt Sven Mary vertreten, der bereits den Entführer, Kinderschänder und Mörder Marc Dutroux verteidigt hat. Zu diesem Fall weiß Wikipedia noch das folgende zu vermitteln:

„Laut der ZDF-Reportage Die Spur der Kinderschänder – Dutroux und die toten Zeugen von 2001 verstarben während der Ermittlungszeit nach Dutrouxs Verhaftung 27 Zeugen, die im Prozess aussagen wollten. Der Staatsanwalt Hubert Massa beging im Juli 1999 Suizid. Doch konnte kein eindeutiges Motiv geklärt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Zeugen umgebracht wurden, um sie zum Schweigen zu bringen.“

Belgien ist nicht erst seit gestern ein Sumpf, aus dessen Mitte sich immer wieder Grauenvolles hervortut und in die Öffentlichkeit ausspuckt, das lange (oder auch für immer wie im Fall Dutroux) ungeklärt bleibt. Ist es verwunderlich, dass sich in der No-Go-Area der europäischen Hauptstadt so viele junge Männer ungestört radikalisieren konnten und können? Die Reportage beschreibt, wie zahlreiche junge Männer, die aus Molenbeek stammen und sich für die jüngsten Anschläge verantwortlich zeichnen, wie einer von ihnen sich nach den Anschlägen von Paris im November 2015 völlig unbehelligt in dem Stadtteil bewegen konnte, ohne aufzufliegen und wie eklatant Geheimdienste und Ermittlungsbehörden in der Vergangenheit versagt haben.

Die Reportage liest sich sehr gut und informativ – nur: Wer denkt sich Sätze aus wie „Er hatte zuvor die Rolle eines Managers des Todes übernommen.“? Please don’t.

Auf Seite 30 schreibt Rafael Seligmann in „Gegen Angst hilft keine Routine“ darüber, wie er seiner Angst begegnet und mit ihr als stetem Begleiter zwischen den Wohnsitzen Tel Aviv und Berlin reist und lebt. Ruhige und kluge Worte, die nicht behaupten, dass alles wieder gut wird. Aber die dem Irrsinn dieser Tage mit der gesammelten Vernunft, Reflektion und Weisheit eines Lebens begegnen. Worte zum hinter den Spiegel klemmen und immer wieder hervorholen.

Der Präsident der schönen Bilder

In „Kolumbus 2016“ gehen wir mit auf die Reise in der Air Force One mit Reiseziel Havanna, Kuba. Barack Obama schaut aus dem Fenster, der Sicherheitschef Rhodes zeigt uns bei gleicher Ansicht seinen Hintern, Michelle verschwindet fast hinter einer großen Nachttischlampe. Obama mit Frau und Schwiegermama Hand in Hand im strömenden Regen und Regenschirm durch Havanna laufend. Umringt von ernst dreinblickenden Bodyguards. Obama winkt. Michelle und die Töchter in der Kathedrale. Obama winkt wieder. Obama schließlich am Ziel der Reise: mit der Hand auf dem Herzen vor Che Guevaras Konterfei.

So wird auf der nachfolgenden Seite von Berta Soler denn auch zusammengefasst, was sich der Leser schon gedacht haben mag: „Der Besuch von Obama ändert nichts an der politischen Unterdrückung. Der Traum von einem freien Kuba bleibt.“

„Kaufen ist das neue Sparen“

Wohin mit dem lieben Geld, wenn es auf dem Konto dank Nullzinsen nichts mehr bringt und bei größerem Vermögen sogar neuerdings mit Negativzinsen belastet werden soll? In „Kaufen ist das neue Sparen“ werden potentiellen Anlegern einige interessante Alternativen geboten, ihr Vermögen stilvoll und gewinnbringend anzulegen. In seltenen Möbelstücken, in Handtaschen von Hérmes, die im Wert seit 2010 um 200% zugelegt haben. Fotografien von Man Ray können Wertsteigerungen um 300% vorweisen. Autos. Uhren. Kunst. Wenn Sie nicht wissen, wohin mit Ihrem Zaster, der zusehends an Wert verliert, dann bieten sich Ihnen hier einige Ideen. Oder als Otto Normalverbraucher, der sich mit einer Swatch Pop Up Uhr verspekuliert hat eben ein interessanter Einblick, wo die Reichen und Geschnitzten ihre Kohlen parken.

Die Coverstory „Das neue Workout-Laufen“ ist für einen Menschen wie mich, der mit Laufen nicht das geringste am Hut hat, ein lesenwerter Einstieg in die Welt des Joggens. Zahlreiche Übungen werden gezeigt und erklärt wie z.B. „Mann gegen Baum“ – zur Kräftigung der Gesäßmuskulatur. Ausführliche Anleitungen wie „Laufen will gelernt sein“ – leider kann man da mehr falsch machen, als man denkt. Mal chice Plörren kaufen und los laufen war gestern. „Neun von zehn Läufern laufen falsch“ – um Langzeitschäden zu vermeiden, sollte man sich also schon mal vor dem ersten Ritt durch die Gemeinde mit einer guten Lauftechnik beschäftigt haben.

Die neue Generation Überschallflieger

Spaß machte die Reportage „Die Überflieger“, die von der nächsten Generation der Überschallflugzeuge berichtet. Chris Löwer fasst sehr schön zusammen, welche neuen Entwicklungen es in dem Bereich gibt. In drei Stunden wieder von UK in den USA sein – oder gar mit Mach 24 (29.000 km/h) – das wären dann elf Minuten Flugzeit. Gut, letzteres ist ein sehr fernes Vorhaben von Bombardier, aber dennoch hochinteressant. Die Welt würde noch kleiner werden, Punkte noch schneller erreichbar. Man könnte die Welt quasi an einem Tag besuchen. Dieser Reportage hätten auch noch drei Seiten mehr nicht geschadet. So dass man mal erfasst, dass Technik und Wissenschaft auch noch da sind neben all dem Terror, der Angst und den unfähigen Politikern und Winkpräsidenten, neben VW-Skandalen und Negativzinsen.

Stars und Sternschnuppen

Die Pet Shop Boys sind zurück und vermelden auf die Frage „Hey Pet Shop Boys, wo wart ihr all die Jahre?“: Sie waren tanzen – im ‚Berghain’. Sie sehen zwar eher aus, als hätten sie die letzten zehn Jahre im Kälteschlaf verbracht, aber sei’s drum. Ein lustiges und lebendiges Interview von Marcel Anders.

In „Mutter Miststück“, einem kurzen Psychogramm von Harald Peters, ein Abriss auf Madonnas neuerliche Tiefpunkte, den Sorgerechtstreit um ihren Sohn und zahlreiche Ausfälle auf der Australien-Tournee. Madonna stecke in einer tiefen Krise – schlechte Plattenverkäufe, „das Alter“, Streit um den Sohn, musikalischer ggf kreativer Engpass (als ehemaliger Madonna-Fan wünsche ich ihr, dass sie diese sehr menschliche Lebenskrise schnell überwinden kann…).

Ein bewegender Abschied

Sehr bewegend schreibt Olaf Opitz auf Seite 132 über Guido Westerwelle und beweist, dass es keine 10 Seiten braucht, um sich an einen wertvollen Menschen und langjährigen Wegbegleiter zu erinnern. Wertschätzung beginnt zu Lebzeiten, nicht erst dann, wenn dieser Mensch von uns gegangen ist. So schreibt Helmut Markwort treffend eine Seite darauf: „Weil ich Guido Westerwelle gut kannte und ihn schätzte, habe ich viele Nachrufe gelesen. Es waren ungewöhnlich lange Stücke. In manchen Passagen lasen sie sich wie Versuche, frühere Diffamierungen wieder gutzumachen.“ Opitz hat auf einer Seite „wenige, klare Worte“ gefunden für Guido Westerwelle, aus denen viele gute und für ihn reiche Begegnungen sprechen und Anerkennung, die er Guido Westerwelle im Leben zuteil werden ließ.

Fazit: Aus dem Stuhl reißt Focus Nr. 13 nicht – andere, wie der Blick auf FAS, ZEIT und WamS zeigt, scheinen diese Ostern auch müde zu sein.

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Kommentare ( 7 )

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