In Deutschland jubelt ein Teil der Medien Martin Schulz hoch, als wäre er vom Himmel gefallen und nicht wegen Amtsverlust aus Brüssel geflüchtet. In Österreich ist Bewegung in der Politik. Roland Tichy und Fritz Goergen lasen für Sie Sonntagszeitungen.
Die Bemerkung der Woche kommt von Marion Horn, Chefredakteurin der BamS: „Sie ist schon ein bisschen unheimlich, diese spontane Begeisterung vor Schulz.“ Immerhin hat der Titel des BamS-Beitrags „Alternative für Deutschland?“ mit ein Fragezeichen.
Zu Recht denn – zu programmgemäß überschlagen sich die Medien mit ihren Elogen auf einen Mann, der nun wirklich für Gestern steht, für eine EU, die sich mit Europa verwechselt, eine EU, die den Kontakt zu seinen Bürgern verloren hat und die viele am liebsten „abwickeln“ wollen (wie die SPD die GroKo). Dieser Misserfolg läßt wenig erwarten – und nicht die Tatsache, dass Schulz kein Abitur hat: Darüber regt sich nur das Handelsblatt so richtig auf, dessen Herausgeber Gabor Steingart auch gar kein richtiger Volkswirt ist, wie er gerne insinuiert, sondern nur Politologe, merkt die FAZ giftig an, ohne dass wir die Titelei so wichtig nehmen.
Mehr scheinen als sein – das ist immerhin ein Erfolgsrezept. Dahinter verschwinden dann Inhalte, wie praktisch: Über Personen schwafelt es sich leichter, als es sich über Tatsachen berichtet. Da werden die Reihen dicht geschlossen: Im BamS-Interview zum Wochenende beschwört Horst Seehofer Gemeinsamkeit und ruft Angela Merkel als gemeinsame Kanzlerkandidatin aus – dabei wäre das Gegenteil die Nachricht gewesen.
Immerhin bringt die FAS nach langweiligen Schulz-Elogen eine Zahl, die den Wahlkampf stärker bestimmen könnte als Schulz-Merkel-Gabriel-Scharaden: Bis zu 1,6 Millionen deutsche Arbeitsplätze könnten durch Trumps Protektionismus gefährdet sein, zitiert die FAS Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts. Und im Wirtschaftsteil wird der Opportunismus der Firmenchefs beklagt, die sich einfach nach den Mächtigen richten. Da darf die Analogie zum 3. Reich nicht fehlen mit der bemerkenswert richtigen Variante im neuen Narrativ, dass auch damals die Industrie Hitler nicht direkt gefördert hat – nur eben „hingenommen“ (wer erinnert sich noch an das Treffen des GröFaz mit den Bossen im Düsseldorfer Industrie-Club?). Und jetzt werden also die Bücklinge vor Trump gezählt. Trump also der neue Hitler? Geht’s auch kleiner? Jedenfalls Gnade Gott dem Land und seinen verspielten Wahlkämpfen, wenn die große Droge Wachstum ihre Wirkung verliert und die Arbeitslosigkeit wieder steigt.
In Österreich hat der neue Bundespräsident sein Amt angetreten, den das Volk mühsam mehrstufig und in einer sehr kontroversen öffentlichen Stimmung gewählt hat, der also nicht wie in Deutschland von einer knappen Handvoll Parteifürsten ernannt wurde. Übrigens: Ohne eine einzige Gegendemonstration in der Alpenrepublik danach. Alexander van der Bellen hat Der Presse am Sonntag ein Antrittsinterview gegeben: Zum immer umstrittenen „Akademikerball“ der Burschenschafter und Co. in Wien meint er, „Lasst sie doch!“. Zu Trump fragt er vorsichtig, aber uninformiert: „Was bedeutet es, wenn er sagt, die Nato sei obsolet?“ Dass Trump sein Unverbrüchliches-hinter-der-NATO-Stehen längst selbst – und nun auch über Theresa May zusätzlich verbreitet – verkündet hat, könnte auch den Beamten in der Hofburg noch vor Dienstschluss Freitag mittags bekannt geworden sein. Sicher weiß es der österreichische Außenminister Sebastian Kurz, zu dem van der Bellen, wie er betont, ein sehr gutes Verhältnis hat.
Ob der junge Außenminister Kurz die ÖVP in der nächsten Nationalratswahl anführt statt dem bisherigen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Mitterlehner, beleuchtet Die Presse in „Was kommt, wenn die Wahl kommt“. In Wien wird weiter spekuliert, ob der neue SPÖ-Kanzler Christian Kern (davor Chef der Staatsbahn) Nationalratswahlen noch dieses Jahr statt 2018 wagt. Wer vor Kurz als neuem Spitzenmann der ÖVP zittern muss, sind die Neos, weil Kurz einen großen Teil ihrer Wähler anspricht. So sehr, dass die Neos wieder aus dem Nationalrat verschwinden könnten. Weshalb diese ausloten, ob sich nicht die unabhängige Kandidatin im Bundespräsidentenrennen, Irmgard Griss ins Rennen schicken lässt. Der Unterschied zwischen Wien und Berlin fällt ins Auge: Dort gibt es eine attraktive Alternative für die Parteispitze, in Berlin ist Angela Merkel in dieser Hinsicht wirklich alternativlos.
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