Das Goldene Blatt Nr. 41 – „Sensation! Das Baby-Glück ist perfekt!“

In den letzten Monaten kommt man medial nicht mehr um das Flüchtlingsthema herum. Von der Dauerbeschallung im ÖRR, Sondersendungen, Unisono-Tagespresse und Magazinen ist klar: Daran wird sich auch in den nächsten Wochen und Monaten wenig ändern. Da scheint es doch mal an der Zeit zu einem Heft zu greifen, auf das u.a. Großmütter Landauf, Landab seit Generationen wegen seiner baldrianartigen Wirkung schwören.

Wer wissen möchte, was bei Königs zu Hause los ist, bei welcher Königin und bei welcher Prinzessin sich im wöchentlichen Turnus „süße Babybäuchlein wölben“, was deutsche B- und C-Prominenz umtreibt, der greift beherzt zum Goldenen Blatt.

„Fürst Albert und Charlene – Sensation! Das Baby-Glück ist perfekt“ lautet die Titelstory der Ausgabe Nr. 41, die dann allerdings nur auf einer(!) Seite mit freundlichen Bildern des Fürstenpaars aus Monaco aufwartet nebst Zwillingspaar, das so herausgeputzt eher an Bauchrednerpuppen erinnert. Aber „eine gut gelaunte Zeitungsverkäuferin aus dem Hafen“ bringt den Inhalt des kurzen Artikels dann auch sogleich auf den Punkt: „Die Zwillinge haben uns Hoffnung geschenkt…. Jetzt scheint für die Monegassen endlich wieder die Sonne.“ Hurra!

Prinzessin Kate und Prinz William können es nach der Geburt von Prinzessin Charlotte offensichtlich gar nicht abwarten mit der weiteren Familienplanung. So ist nun angeblich („angeblich“ ist der unausgesprochene Untertitel beim Goldenen Blatt) Kind Nr. 3 im Anmarsch. Dass Kate neben Schwangerschaften und Kinderkriegen überhaupt noch gutgelaunt zu irgendetwas anderem kommt, ist schon mehr als erstaunlich.

Königin Maxima der Niederlande kümmert sich hingebungsvoll um ihre Schwester, über die die Zeitungen berichten, sie leide an Magersucht und unter Depressionen. Wahrscheinlich wird Maxima ihre Schwester Inez an den niederländischen Hof holen, um sie auf ihrem Weg der Genesung besser unterstützen zu können.

Victoria von Schweden und ihr Mann Daniel erwarten nicht nur ein zweites Kind, nein, gleich Nummer Zwei und Drei: Es sollen Zwillinge werden! „Für Victoria wäre es das schönste Geschenk auf Erden“, erfährt man dann von ihrer besten Freundin. Auch hier sehnt man sich? Richtig: nach einer großen Familie.

Beim zehnten Hochzeitstag warten Athina Onassis und ihr Mann Doda mit einem „süßen Geheimnis“ auf – aber gemach, gemach. Das Baby ist noch nicht unterwegs, es ist erstmal nur in Planung. „Der Klapperstorch ist schon bestellt“ wäre da ein schönerer Titel gewesen als wieder ein irreführendes „Vorfreude aufs Baby“.

Für heftiges Kopfschütteln sorgt das Lotterleben von Prinz Harry, der es neben all den (schon oder ganz bald) schwangeren Austern nicht lassen und sich wieder nicht zwischen zwei jungen blonden Damen entscheiden kann: Ist es On-Off-Freundin Chelsy Davy oder doch On-Off-Freundin Cressida Bonas? Beide? Man spricht jedenfalls – uuuh, Beruhigung – von vorgezogenen Flitterwochen und einem Versöhnungsurlaub (ja, was denn jetzt?!) mit Chelsy auf Hawaii.

Etwas Herzschmerz offenbart dann doch noch einmal die Geschichte von Eugen Riest (81) aus Ohio. 1962 forderte er seine Dora (damals 18) zum Tanz auf, dann musste er als Seemann in die Welt hinaus. Weil seine Karte mit Heiratsantrag nicht ankommt, verliert sich das Paar durch die Wirrungen der Postwege. Die Postkarte wird dann endlich in 2015 zugestellt. Dora sagt Ja. Sie ahnen es: Wieder eine Hochzeit.

Wem da noch nicht die Birne raucht vor soviel Schwangerschaftshormonen und imaginärem und tatsächlichem Hochzeitsglockengebimmel, für den hält das muntere Potpourri noch einiges an nützlichen Alltagstips bereit.

Monika Göke aus Borgenteich darf in „In meinem Kurzwarenladen gibt es nichts, was es nicht gibt“ darüber sprechen, dass sie eine Unmenge an Knöpfen führt, worunter es auch echte Raritäten gibt. In einem Laden, der 1936 eröffnet wurde – 2014 unter ihrer Leitung wiedereröffnet , können SchneiderInnen in der analogen Welt alles finden, was das Herz begehrt.

In Punkto Mode & Lifestyle liefert Das Goldene Blatt stabile Empfehlungen, wo eine „locker sitzende Hemdbluse mit V-Ausschnitt … in Zebra-Optik“ schon das höchste der Gefühle an Exzentrik verspricht. Tips für mehr Energie, für das „Wohlfühlen in der eigenen Haut“ und zahlreiche Beiträge zu Schlafstörungen runden das Gesundheitsangebot ab.

Bei Recht & Geld erfahren dann auch viele, dass sie sich von einem etwaig lang gehegten Lebenstraum, nämlich der Igelhaltung in der Wohnung, verabschieden müssen. Wer so einen kleinen Kerl mit eingebautem Spike-Schlafsack in der Wohnung hält, kann die Kündigung durch den Vermieter riskieren!

Die Seite „Leserbriefe“ bringt Kindheitserinnerungen zurück. Finden sich auf dieser Seite Leserzuschriften mit Tierfotos (Achtung: Pudel mit Hut!), ein Kasten mit der „Witzparade“ sowie den Illustrationen von „Liebe ist…“, ist und bleibt das definitiv die Seite für das Lesen mit dem Enkelkind, ebenso wie das Suchbild der Woche.

Neben zahlreichen Seiten für Rezepte reihen sich ebenso zahlreich die Seiten für Kreuzwort- und Suchworträtsel, Rätselgitter und Sudoku.

Nun zum Fazit: Für wen es nicht immer nur um Politik und Nachrichten, um sachliche Information und die Schweren des Alltags gehen muss, wer sich auch mal auf etwas Zerstreuung aus Nonsens gepaart mit durchaus nützlichen Alltagsratgebern einlassen kann, wer nach einer Woche wirklich mal völlig abschalten will, der wird bei Das Goldene Blatt zu seinem Erstaunen positiv überrascht werden.

Ich habe tatsächlich 30 Minuten echten Spaß beim Schmökern in dem Heft gehabt, bei hanebüchenen Royal-Stories á la „Die Mutter aller Lügenpresse“ (Yellow Press) herzlich gelacht.
Mit einem Heft von Das Goldene Blatt als Coffeetable-Book anstelle von brand eins sind Ihnen außerdem die verwundert-ungläubigen Blicke sicher und Sie setzen sich in diesen an die McCarthy-Ära erinnernden Zeiten nicht dem Verdacht einer wie auch immer gearteten politischen Haltung aus.

Wenn Sie es schaffen sich von Anspruchshaltungen zu befreien und sich ohne Ihr bisheriges Wertesystem ranzutasten, dann wartet ehrlich Spaß und Entspannung am Ende der „Lektüre“. Ein echter Lithiumplaceboeffekt.

So und jetzt mache ich mich mal an das Backen vom Käsekuchen mit Preiselbeeren von Seite 54.

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