Merkels Sprecher Seibert: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen

Warnt die Regierung wirklich Juden davor, in Deutschland Kippa zu tragen? Auf diese Frage antwortete Regierungssprecher Seibert, indem er den Wunschzustand als Istzustand verkaufte. Seine Reaktion ist eine Bankrotterklärung – und schäbig.

imago images / IPON

„Bundesregierung warnt Juden vor dem Tragen der Kippa“ – diese Schlagzeile ging vor wenigen Tagen um die Welt. 74 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus und dem Holocaust können sich Juden in Deutschland nicht mehr ohne Angst zu ihrem Glauben bekennen. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin zeigte sich „zutiefst schockiert“.

Die Warnung stammte von Felix Klein, dem Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung (leider herrscht diese unschöne Abkürzung in den Medien vor, der Kürze wegen – denn korrekter ist die offizielle Bezeichnung, Beauftragter der Bundesregierung zur Bekämpfung des Antisemitismus, schließlich reden wir auch nicht von Umweltverschmutzungs-Ministern). Wörtlich sagte Klein: „Ich kann Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen.“

Hand aufs Herz: So aufwühlend und erschütternd die Worte des Beauftragten sind – leider wird sie jeder nachvollziehen können, der schon einmal in bestimmten Gegenden in Berlin oder im Ruhrgebiet und anderen Städten war. „Jude“ ist an deutschen Schulen wieder ein Schimpfwort, jüdische Gastwirte wie der Berliner Yorai Feinberg, dessen Vater den Holocaust als kleines Kind vier Jahre lang in einem Erdloch versteckt überlebte, fühlen sich allein gelassen von den Behörden gegen den fast alltäglichen Horror, die Beschimpfungen und Morddrohungen. Sie klagen darüber. Und nichts geschieht. Im Gegenteil: „Der Staat bestärkt die Täter“, findet Feinberg.

Man sollte glauben, dass jeder Bürger diesen Umständen entschieden den Kampf ansagen und aufrichtig über sie empört sein muss. Und dass man bei diesem Thema auch einmal die üblichen Sprachbeschränkungen zur Seite legen muss, und auch klar den Antisemitismus mit moslemischem Hintergrund als eine der Ursachen des Problems benennen muss. Selbst Außenminister Heiko Maas (SPD) hat sich nach endlos langem intensiven Wegschauen zumindest zu einer wachsweichen Aussage in dieser Richtung durchgerungen.

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Umso trauriger, wie jetzt der Sprecher von Angela Merkel, Steffen Seibert auf der Bundespressekonferenz auftrat (anzusehen hier). Eine Journalistin fragte ihn nach der Kippa-Warnung seines „Antisemitismusbeauftragten” – ob sich die Regierung dieser anschließe, und wie alarmiert er sei über so eine Empfehlung, keine Kippa zu tragen.

Ich bin hartgesotten, weil ich täglich die Nachrichten lese, und dazu heute schon ein gewisses Maß an Abgestumpftheit notwendig ist, wenn nicht gar Masochismus. Doch wie Seibert auf die Frage antwortete, trieb mir die Röte ins Gesicht – und ich weiß nicht, was überwog, Wut oder Fremdschämen. Ich lebe in Berlin, in Charlottenburg, und habe viele jüdische Freunde. Ich kenne deren Unwohlsein, deren Ängste. Und ich nehme sie sehr ernst. Ich hoffe sehr, sie werden sich Seiberts Auftritt nicht anhören. Das würde ihren Blutdruck erheblich erhöhen. Und auch meine Scham für diese Regierung.

Als Journalist ist man gewöhnlich nicht um Worte verlegen, aber angesichts von Seiberts Verhalten fällt es schwer, die passenden zu finden. Weil sie hart genug sein – aber doch druckreif bleiben müssen. Und so verkneife ich mir Vergleiche mit politischen Systemen, in denen einfach die Realität ignoriert wird und man stattdessen den Wunschzustand zur Realität erklärt. Aber genau das tat Seibert.

Ausgabe TE 06-2019
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„Der Staat hat zu gewährleisten, dass die freie Religionsausübung eines jeden einzelnen möglich ist“, antwortete Merkels Sprecher, der früher beim ZDF arbeitete und dort auch über die Kanzlerin berichtete (solche fliegenden Wechsel vom Kontrolleur der Mächtigen zu deren Sprecher sind heute üblich, auch in der umgekehrten Reihenfolge kommen sie vor): „Deswegen ist es die Aufgabe des Staates sicherzustellen, dass jeder sich an jedem Ort unseres Landes, auch mit einer Kippa, sicher bewegen kann“, so Seibert weiter. Eiskalt, mit dem Temperament eines Sprechroboters und empathiefrei (an wen erinnert Merkels Sprecher damit nur?): „Zu dieser Verantwortung stehen wir! Und das gilt im Übrigen auch für die Träger anderer Symbole.“

Was für ein Zynismus! Warum erfüllt die Regierung seine Aufgabe dann nicht? Warum wird sie ihrer Verantwortung nicht gerecht? Und warum tut sie so, als würde sie sie erfüllen? Schlimmer noch, als gebe es das Problem nicht. Das ist in etwa so, als ob man Hungernden sagt: „Wir haben zu gewährleisten, dass Ihr was zu essen bekommt. Zu dieser Verantwortung stehen wir“. Die „Verantwortung“ und das „Gewährleisten“ machen niemand satt, sie machen unser Land für Juden nicht sicherer. Das Ansteigen des Antisemitismus in Deutschland ist auch die Folge der Politik dieser Bundesregierung.

Sich dann derart weg zu ducken, sich zynisch hinter Worthülsen zu verstecken, ist der Beleg für ein Ignorieren der Lektionen, die uns die Geschichte erteilt hat.

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Schockierend auch, dass auf die Antwort Seiberts zunächst keine Rückfrage mehr kam, und schon zu einem neuen Thema gewechselt werden sollte (siehe hier), bevor dann doch noch einmal eine Kollegin nachhakte: „Ich wollte die Frage der Kollegin noch einmal wiederholen“. Danke! Denn tatsächlich hatte Seibert sie gar nicht beantwortet. Wie er denn nun die Warnung des „Antisemitismus-Beauftragten” beurteile, ob er zu weit gegangen sei, so nochmal die Frage. Seibert reagierte nun noch patziger: „Ich habe für die ganze Bundesregierung unsere ganz klare Haltung, den Auftrag, den wir empfinden im Kampf gegen den Antisemitismus zum Ausdruck gebracht. Und der Beauftragte (…) leistet auch bei der Umsetzung dieses Auftrags eine wertvolle Arbeit.“

Punkt. Dienst nach Vorschrift. Mitgefühl, Solidarität gar – das hätte sich ganz anders angehört. Da hätten klare Worte fallen müssen, Signale gesetzt werden. Vor allem von denjenigen, die in Sonntagsreden stets von Moral reden und von den Lektionen aus der Geschichte und dem Holocaust (aber dann in der UNO regelmäßig gegen den Juden-Staat stimmen lassen im Schulterschluss mit anderen Ländern, die Israel vernichten wollen). Angela Merkels Sprecher (und nicht nur der) erinnert an die Karikatur mit den drei berühmten Affen: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.


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In seiner Kolumne «Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad» lüftet Boris Reitschuster ironisch den Blick hinter die Kulissen der russisch-ukrainisch-jüdischen Diaspora an der Spree, deren Außeneinsichten oft ungewöhnliche Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus spießt der Autor den Alltags-Wahnsinn in der Hauptstadt auf – ebenso wie die Absurditäten in der Parallelwelt des Berliner Politikbetriebs und deren Auswirkungen auf den bodenhaftenden Rest der Republik. Weitere Beiträge aus der Kolumne finden sie hier. Alltagsgeschichten aus Moskau von ihm sind auch in Buchform erhältlich: „Russki extrem im Quadrat“.

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Kommentare ( 69 )

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69 Comments
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Achmed mit dem Schachbrett
5 Jahre her

Die Bundespressekonferenz ist nichts als eine Peinlichkeit. Auf die zahlreichen Ungereimtheiten hingewiesen und mit drängenden, scharfen Fragen kommentiert, antwortet dieser Sprecher stets nur „Merkel hat bereits XY gesagt, dem habe ich nichts hinzuzufügen.“
Seine Hilflosigkeit, Ausflüchte und nichtssagenden Antworten, wenn der RT-Korrespondent eine scharfe, unangenehme Frage stellt, sind legendär und ein Hit auf Youtube.

kiki667
5 Jahre her

Seibert ist immer so. Und er wird von Pressekonferenz zu Pressekonferenz immer patziger. So als sei er inzwischen Vizekanzler. Keiner hat zu fragen, basta. ER redet, ohne etwas zu sagen – wie seine Chefin. Aber wenn man sich anschaut, was Merkel sich als „Regierungssprecher“ so geholt hat, dann fragt man sich sowieso, welche Funktion diese WIRKLICH haben. Von Frau Fietz von Focus sieht und hört man so gut wie nichts. Ich habe sie bis jetzt in all der Zeit nur zweimal gesehen und gehört – und da stammelte sie Antworten zusammen, dass man sich schämen musste. Welche Funktion hat sie… Mehr

Montesquieu
5 Jahre her

Merkeldeutschland ist lutheranisch bis auf die Knochen.

Hans Wurst
5 Jahre her
Antworten an  Montesquieu

Wenn Sie meinen, daß der Mekelianismus von der lutherischen Kirche gefördert wird, dann haben Sie womöglich recht. Nur hat diese mit der Luther’schen Lehre mittlerweile nichts mehr gemein.

Montesquieu
5 Jahre her

Man sollte sich die zukünftigen Herren halt nicht zum Feind machen.
Warum der Zentralrat der Juden dieser Kaltschnäuzigkeit immer noch den Rücken stärkt, bleibt vermutlich auf immer dessen Geheimnis.
Charaktere wie Seibert sind im übrigen Universaltalente. Sie funktionieren und funktionierten in jedem System.

Ruud
5 Jahre her

Was will man denn vom Lügen – Seibert erwarten? Er hat eiskalt das Ansehen des Deutschen Volkes in den Schmutz getreten, in dem er sich „Hetzjagden“ in Chemnitz ausgedacht hat und sogar frech log, indem er behauptete, es würde Videos als Beweise geben. 2 Wochen habe ich versucht, diesen Widerling ans Telefon zu bekommen, weil ich wissen wollte, wo ich mir als Deutscher diese Videos anschauen kann. Seine Mitarbeiter – ich war immer höflich am Telefon – sind sehr schnell frech geworden , haben mich beschimpft und dann aufgelegt. Ich hoffe, ihm wird irgendwann der Prozess gemacht, als Tagungsort schlage… Mehr

bfwied
5 Jahre her

Es ist schlimm, dass in Deutschland Juden gewarnt werden, sich als Juden erkennbar zu machen! Die Lehre aus dem 3. Reich wäre bzw. ist ganz klar: Jeder, der klar zum Grundgesetz steht, und das standen die deutschen Bürger jüdischen Glaubens schon immer in diesem Land, hat als Bürger dieses Landes grundsätzlich mit allen Mitteln erfolgreich verteidigt zu werden. Gäste haben natürlich genauso verteidigt zu werden. Wenn nun eine Regierung bzw. Leute aus ihrem Lager Juden warnen, dabei aber nach Kräften jede Messerstecherei, Morde, Vergewaltigungen, Angriffen gegen Juden und Nichtmohamed-Anhänger herunterspielt und die Täter nicht sofort bestraft und außer Landes schafft,… Mehr

Franzl
5 Jahre her

Beim nächsten antisemitischen Vorfall, der auch nur einen hauchdünnen Verdacht auf einen rechten Hintergrund zu haben scheint, wird er wieder wie gewohnt Haltung zeigen.

honky tonk
5 Jahre her

Man spielt nur noch die sorgende Regierung,und das aber mittlerweile sehr lustlos.Wir sind denen egal und das schließt die Juden mit ein.Seibert,naja ein kalter Opportunist halt.

pcn
5 Jahre her

Die Mehrheit der Deutschen haben mit ihrer Wahlentscheudung diesem Hass gegen Israel und Menschen jüdischen Glaubens zugestimmt. Sie stimmen auch zu, wenn heute (gewaltbereite) Muslime in Berlin die Eroberung Jerusalems fordern. Genauso stimmen die der Christenverfolgung in muslimischen Ländern zu. Überhaupt stimmen sie für alles und jedes zu, was dieses Merkel-Politik aus Linker und grüner Politik, aus Lüge und Unwahrheiten bestehend, dem Deutschen an „Politik“ unterjubelt.“ Wer sich die Feinde über offene Tore hineinhiolt, wird einen hohen Preis bezahlen müssen. Die Kinder, die für diese Mär der Klimakatastrophe auf der Strasse artig und gut dressiert hüpfen, die werden dann merken,… Mehr

Ruud
5 Jahre her
Antworten an  pcn

Seibert interessiert dies nicht. Er wohnt in einer schönen Villa und hat Personenschützer. Da kann man schön den Gutmenschen mimen und immer mehr Judenfeinde ins Land locken…

zaungast
5 Jahre her

Irrenhaus Deutschland – Abteilung Religion.
In einigen Jahren wird es die Warnung geben, nicht allzu offen christliche Symbole zu zeigen. Man wird dann hören, dass jedermann seine Symbole ohne Angst zeigen darf, was auch für Muslime gelten muss.