Journalismus mit der rosaroten Ideologie-Brille

Ein Professor bescheinigt „Flüchtlingen“ gute Qualifikationen, die „Welt“ titelt eine Erfolgsnachricht zur Integration – doch bei genauerem Hinsehen entlarvt sich beides als verzerrend oder fragwürdig. Viele Medien haben nichts aus ihren früheren Fehlern gelernt – und beschädigen damit sich selbst und die Demokratie.

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„Acht von zehn Migranten finden hier dauerhaft Arbeit“, war gerade als Schlagzeile in der Welt abgedruckt. Liest man dann aber aufmerksam den Text des Artikels, kommt man zu einem ganz anderen Inhalt: „Acht von zehn Mitarbeitern, die mindestens drei Monate in einem Unternehmen waren, arbeiteten dort anschließend dauerhaft.“ Was bleibt wohl hängen in diesen hektischen Zeiten, wo nach Untersuchungen bis zu achtzig Prozent nur noch die Überschriften und nur noch jeder zehnte Leser auf Websites mehr als zwei Minuten in einen Text investiert?

Es sind genau solche „Fehler“ (die merkwürdigerweise meistens inhaltlich in die gleiche Richtung gehen), die das Vertrauen in die Medien zerrütten. Fehler machen alle. Aber warum hat die Welt die irreführende Überschrift nicht korrigiert? Sich nicht bei den Lesern entschuldigt? Dass selbst eine zumindest bis vor einigen Jahren konservative Zeitschrift solche Fauxpas erlaubt, ist bemerkenswert.

Ähnlich der Tagesspiegel. Dort lobte in einem Interview ein Professor ausführlich die gute Qualifikation von „Flüchtlingen“: „74 % der männlichen Geflüchteten haben Berufserfahrung, im Schnitt 10 Jahre“, heißt es da. Ebenso werden „Flüchtlingen“ „starke demokratische Grundeinstellungen“ und ein „hoher Akademikeranteil“ attestiert. Kritiker mögen einwenden, das klinge nach einem hohem Anteil an Wunschdenken, rosaroter Brille und Ideologie. Erstaunlich auch das Fazit des Professors: „Wir müssen die Hürden, nach Deutschland zu kommen, deutlich senken.“

Mit minimalem Aufwand findet man auf der Seite des BAMF jedoch die Information, dass es sich bei den Angaben zu Berufstätigkeit/Qualifikation von „Flüchtlingen“, zumindest teilweise, „um Selbstauskünfte handelt, für die keine Nachweise erbracht werden müssen“.

Warum erwähnt der Tagesspiegel diesen ganz wichtigen Aspekt nicht? Warum hakt er da nicht kritisch nach im Interview? Warum auch kein Nachhaken bei anderen zumindest merkwürdigen Thesen des Professors? Und bei seinen Sprüngen zwischen den Bezugsebenen?

Die Liste solcher Beispiele lässt sich lange fortführen.

Eine Studie der gewerkschaftsnahen und damit auf für Linke unverdächtigen Otto-Brenner-Stiftung hat bereits 2017 ein weit reichendes Medienversagen in der Flüchtlingskrise diagnostiziert – 83 Prozent der untersuchten Berichte enthielten „eine durchwegs positive, manche eine belobigende, viele eine einfordernde Haltung zum Narrativ Willkommenskultur“. Fazit der Stiftung: „Die Studie zeigt auf, dass große Teile der Journalisten ihre Berufsrolle verkannt und die aufklärerische Funktion ihrer Medien vernachlässigt haben. Statt als neutrale Beobachter die Politik und deren Vollzugsorgane kritisch zu begleiten und nachzufragen, übernahm der Informationsjournalismus die Sicht, auch die Losungen der politischen Elite. Die Befunde belegen die große Entfremdung, die zwischen dem etablierten Journalismus und Teilen der Bevölkerung entstanden ist.“

Leider scheint nicht unbedeutender Teil der Redaktionen nichts aus den Fehlern von damals gelernt zu haben, sondern setzt den Kurs von damals fort. Die Branche entfremdet sich damit weiterhin vom Leser bzw. Zuschauer und sägt am eigenen Ast: Auch kurzfristig in den privatwirtschaftlichen Medien, mittel- und längerfristig aber auch in den gebührenfinanzierten.

Wenn Themen wie Migration und ihre Folgen tabuisiert werden, wenn die Medien den Bürgern den Eindruck vermitteln, sie würden falsch informiert – und dieser Eindruck ist massiv verbreitet, wenn man Menschen, die sich Sorgen machen wegen Migration oder sinkender Sicherheit, gleich als „rechtsextrem“ verunglimpft, dann stärkt genau das die extremen Kräfte, befördert weitere Spaltung und das ist Gift für Demokratie und Freiheit.


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Lesen Sie auch Reitschusters Kolumne «Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad»: Darin lüftet der Autor ironisch den Blick hinter die Kulissen der russisch-ukrainisch-jüdischen Diaspora an der Spree, deren Außeneinsichten oft ungewöhnliche Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus spießt der Autor den Alltags-Wahnsinn in der Hauptstadt auf – ebenso wie die Absurditäten in der Parallelwelt des Berliner Politikbetriebs und deren Auswirkungen auf den bodenhaftenden Rest der Republik. 


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Kommentare ( 79 )

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Gisela Fimiani
5 Jahre her

Es ist mein Eindruck, Herr Reitschuster, dass dieses „Gift für Freiheit und Demokratie“ uns seit Jahren verabreicht wird. Die Dosis wird inzwischen immer massiver erhöht.

Udo Kemmerling
5 Jahre her

„…wenn man Menschen, die sich Sorgen machen wegen Migration oder sinkender Sicherheit, gleich als „rechtsextrem“ verunglimpft, dann stärkt genau das die extremen Kräfte, befördert weitere Spaltung und das ist Gift für Demokratie und Freiheit.“ NEIN! Wenn man etwas als „rechtsextrem“ verunglimpft und dann, wie Sie sagen, die extremen Kräfte daraus entstehen, wäre das ein, logisch zwar total falscher, aber immer noch existierender Zirkelschluß. Genau so ist es aber NICHT! Es enstehen keine extremen Kräfte, es entstehen total genervte Leute, die dann AfD wählen. Das ist nicht extremistisch, sondern realistisch! RICHTIG: Die Spaltung der Gesellschaft hat die AfD hervorgebracht! FALSCH: Die… Mehr

Karl Schmidt
5 Jahre her

Der Antijournalismus bezweckt Fehlvorstellungen bei den Konsumenten zu wecken, Falschinformationen weiter zu geben oder Nachrichten zu unterdrücken. Nichts davon ist Folge eines Fehlers oder einer Nachlässigkeit. Die Fehleranalyse ist daher leider auch völlig sinnlos.

JELEWA_de
5 Jahre her

Die WELT, gemeint ist hier der Nachrichtensender (früher N24), hat die intellektuelle Talfahrt nahezu abgeschlossen. Erstaunt und verwundert war ich vor kurzem, da wurden neue Gesichter für den Sender gesucht. Verwundert war ich deshalb, weil seit Jahren die Totholzindustrie im Niedergang begriffen ist, Auflagenzahlen befinden sich im freien Fall, ich würde also folgerichtig annehmen, dass man den „alten Haudegen“ mit Berufserfahrungen hier einen Übergang ermöglichen sollte und deren Qualifikationen um den Teil des TV-Geschäftes zu erweitern, Pustekuchen, angesprochen waren wohl eher die Schulabgänger, die haben, in der Mehrheit, noch kein fest strukturiertes Weltbild, diese Personengruppe scheint besser formbar, auch wenn… Mehr

Gustl
5 Jahre her
Antworten an  JELEWA_de

Diese Entwicklung ist mir in letzter Zeit auch aufgefallen. NTV und n24 stehen heute dem ÖR in nichts nach. Schade, kann man nicht mehr einschalten.

IJ
5 Jahre her

Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass dieses Land nur durch eine tiefe und anhaltende Rezession wieder zu Verstand kommen kann, so daß die Mehrheit wieder anfängt, sich für die Wirklichkeit und die dortigen tatsächlichen Ursachen, Wirkungszusammenhänge und Folgen zu interessieren. Solange das durch die Nullzinspolitik induzierte künstliche Wachstum inkl. Wohlstandsillusion anhält, werden wir eher mehr als weniger dieser dekadenten, spät-römischen Wirklichkeitsverleugnungen und -verdrehungen erleben. Die Fantastereien in Welt-Online sind daher – leider – lediglich aktueller Mainstream.

daldner
5 Jahre her

Wir „glauben“ den Medien schon länger nichts mehr. Dafür waren die Ereignisse seit 2015 mehr als erhellend. Nie wurde so offenbar, was von der Vierten Macht im Staat, den Mikrofonhaltern, Gefälligkeits-, Haltungsjournalisten zu halten ist. Deren Ruf dürfte für sehr lange Zeit ruiniert sein. Gut, dass es Blogs wie diesen hier gibt. Ohne Internet würde man uns weiter manipulieren, desinformieren, framen und nudgen. In den Senderzentralen und Redaktionen weiß man sicherlich, dass der Ruf runiniert ist und macht unverdrossen weiter. Man versteht nicht, in welchem Auftrag diese Herrschaften unterwegs zu sein glauben.

Hoffnungslos
5 Jahre her

„Unsere Medien“ dienen nicht dem Volk, sondern ganz anderen Herren und natürlich Damen und sie gehören auch ganz anderen Leuten. Wir müssen die ÖR mit einer quasi Steuer bezahlen, die Inhalte dürfen wir nicht bestimmen. Die Medien sollten für das Volk die Politiker kritisch beobachten und auf Missbrauch aufmerksam machen. Das Gegenteil ist der Fall. Die meisten Medien sind Sprachrohre der Politik und von denen, die hinter ihnen stehen, nie gewählt wurden, aber dennoch entscheiden.

Gustl
5 Jahre her
Antworten an  Hoffnungslos

Gespielt Demokratie.

Alleswasrechtist
5 Jahre her

Ich habe mich gleich gefragt, wie 10-jährige Berufserfahrung als Akademiker mit den Aburteilungen nach Jugendstrafrecht zusammenpassen… Ich finde, die Journalisten (m-w-d) bei TE sollten das Phänomen auf breiterer Grundlage und genauer analysieren.

rainer erich
5 Jahre her

Ich empfehle den „Konservativen“ ( den Nichtlinken) dringend, mit den Relativierungen und Verniedlichungen der Probleme, in diesem Fall des Zustandes der Mainstreammedien, aufzuhören. Das sind TäterInnen und keine hilflosen Opfer von was auch immer, Das sind keine Fehler, das ist Vorsatz. Das hat mit dem tragenden Gedanken bei der Pressefreiheit nichts zu tun, das ist Agitation und damit so ziemlich das Gegenteil dieses Gedankens. Ständig werden Perversionen verschiedenster Art durch das monströse Vorsichhertragen an sich ehrenwerter Begriffe (Seenotrettung z.B.) nicht nur praktiziert, sondern auch erstaunlich nachsichtig behandelt. Offenbar traut man sich auch nicht mehr, das Wort „ Lüge“ selbst dann… Mehr

Sabine Ehrke
5 Jahre her
Antworten an  rainer erich

Lügen, vertuschen, erfinden und das ganz bewusst! Applaus @rainererich, ach was sag ich, stehende Ovationen.

Allan Protisil
5 Jahre her

Was soll man da noch sagen? Qualitätspresse halt. Wir haben im Westen schon lange keine unabhängigen, objektiven Medien mehr. Ider exakter noch: Wahrscheinlich haben wir nie welche gehabt. Wer wirklich etwas über die Zustände in DE erfahren will, was da täglich bei uns abgeht und wie alles vor die Hunde geht, der ist auf ausländische objektive Kanäle wie z.B. RT angewiesen. Die haben keine ideologischen Scheuklappen und bringen Sachen, die es nie in die Systemmedien schaffen würden.