Bettina Röhl direkt: Gewalt – wer profitiert?

Die Macht des roten Jahrzehntes

Es ist keineswegs so, dass Gewalt dem Täter nur de facto Vorteile verschafft. Nein, der Gewalttäter hat vielmehr sehr gute Chancen auch noch die allgemeinen Sympathien auf seine Seite zu ziehen und damit die Macht an sich zu reißen und regelrecht unschlagbar zu werden. Ein Beispiel ist das von seinen Protagonisten liebevoll sogenannte rote Jahrzehnt, gemeint sind die siebziger Jahre und eigentlich der Zeitraum von 1967-1977,  das nicht nur in Deutschland die politische Landschaft veränderte, sondern auch die Gesellschaften in Italien, Frankreich, in den USA und eigentlich den gesamten Westen auf den Kopf stellen.

Das wesentliche Moment des Erfolgsrezeptes der westlinken Bewegung, die (entgegen allem anderslautenden, feuilletonistischen Geplapper) das politische Geschehen der Ist-Zeit beherrscht, war die Fähigkeit dezentral und selbsttätig agierende terroristische Gewalt zur Unterstreichung und Durchsetzung der verquasten politischen Ziele aktivieren zu können. Die in Echtzeit verehrten und im Nachhinein gescholtenen Terrorbewegungen wie 2. Juni, RAF, Revolutionäre Zellen usw. in Deutschland und ihre sehr viel blutigeren und zahlreicheren Entsprechungen in Italien unterstützt aus Ostberlin und Moskau und unterstützt durch die sozialistisch-palästinensischen Gruppierungen haben mit dem Momentum Gewalt die Weichen in den Gesellschaften und das heißt die Weichen in den Köpfen der Menschen, im Ergebnis erfolgreich, umgestellt.

Fazit: die linksterroristische Gewalt hat nachhaltig etwas bewegt. Und entgegen dem allgemeinen Mythos nicht zum Guten, sondern zum Nachteil der Gesellschaft.

Cui bono? Gewalt nützt oft genug dem Täter. Oft sind es naturgemäß auch Dritte, die die Erfolge abstauben. Die 68er-Bewegten, ein Heer von Protestierenden, die nach ihren Staatsumsturzphantasien, die zum Beispiel in den Staatsdienst gingen, und später die Grünen, die Jusos usw. – sie alle sind Abstauber kommunistischer Vorarbeit im Westen und auch Abstauber der Gewalttaten der Linksterroristen.

Die größten Abstauber der 68er-Bewegung sind gerade diejenigen, die sich die Hände nicht schmutzig gemacht haben, es aber verstanden, sich selber, teilweise geistig brandstiftend, an die Spitze der Bewegung zu setzen, zum Beispiel das Dreigestirn Hans Magnus Enzensberger, Alexander Kluge und Jürgen Habermas, um diese Giganten der 68er-Bewegung zu nennen, um die es aus Altersgründen stiller geworden ist, abgesehen von der Tatsache, dass ihnen bis heute ab und zu im Spiegel o.Ä. Platz für den Schlüsselessay des Jahrhunderts eingeräumt wird. Drei Kapitalisten, drei Machthaber, drei Fürsten, die ihre Imperien auf gewalttätiger Destruktion Anderer aufgebaut haben.

Szenenwechsel: 11.September 2001 New York, Washington

Tausende Menschen fallen terroristischen Anschlägen zum Opfer. Die zum Teil in der Bundesrepublik vorbereiteten Anschläge von 9/11  würden heute als „islamistische Gewaltakte“ firmieren. Den Ausdruck „Islamismus“ gebrauchte man vor gut 13 Jahren noch nicht in der heutigen Form. Die Mordanschläge auf den amerikanischen Traum haben sich für die Islamisten per Saldo gelohnt. Die kunterbunt gequirlten Reaktionen und Analysen der Anschläge sind ein eigenes Thema. Die Resultierende aus all den wirkenden, frei gesetzten und reagierenden Kräften ist jedoch relativ klar zu benennen: den USA wurde ein Trauma zugefügt, von dem sie sich nie ganz erholt haben.

Und warum haben sich die USA nicht erholt? Weil sie ihren zerplatzten naiven Traum von ihrer Unverwundbarkeit nicht realistisch aufgearbeitet haben, weil sie das Faszinosum der Gewalt nicht dekuvriert haben und vor allem aber weil sie sich verheddert haben zwischen ihrer eigenen Identifikation mit ihrem eigenen Rechtsstaat und dem unter Religionsfreiheit stehenden Islam und dem Islamismus.

Die Unterscheidung zwischen richtig und unrichtig, zwischen gut und ungut ist in der amerikanischen Gesellschaft in der gequirlten Gemengelage von Reaktion, Emotion, Interessenkonflikten, Einflussnahmen, Manipulationen untergegangen. Zwar wurden die Täter als Terroristen und das schlechthin Böse und dergleichen mehr tituliert und auch verfolgt, zwar wurden Osama Bin Laden, wurde Al Quaida als das Böse schlechthin präsentiert. Aber unübersehbar ist, dass die Anschläge von 9/11 die Verankerung des amerikanischen Koordinatenkreuzes beschädigt haben. 

Als Barack Obama Bin Laden ausschaltete, gab es einerseits eine allgemeine Erleichterung im Westen, andererseits krakelten irregeleitete in Sachen Rechtsstaat unbeleckte Stimmen, dass es sich bei der Ausschaltung Bin Ladens im Prinzip um einen Akt von Staatsterrorismus gehandelt hätte. Solche Idiotien finden immer dann Raum, wenn das Koordinatenkreuz der Gesellschaften und die Waage und das Lot in den Köpfen einiger Menschen ihren festen Halt verloren haben. Im Ergebnis war Bin Laden böse, aber der Hauptbösewicht in den Köpfen der Menschen im Westen war der bis 2008 amtierende US-Präsident George W. Bush. Der ist in den Köpfen so böse, dass politische Mißerfolge Obamas bis heute als im Kern durch Bush hervorgerufen gehandelt werden. 

Fazit: Islamistische Gewalt hat sich am 11.September 2001 gelohnt. 

Mit einem Anschlag auf die Pressefreiheit hatte 9/11, nicht der erste Anschlag islamistischer Provenienz, nichts zu tun. Auch die vielen tausend Anschläge/Selbstmordanschläge sogenannter Islamisten überall auf der Welt stellen keinen gezielten Angriff auf die westliche Pressefreiheit dar und das gilt selbst für den Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo.

Denn sämtliche Anschläge richten sich gewiss auch gegen jeden, der nicht der favorisierten Spielart des Islam Genüge tut. Sie richten sich auch gegen vermutete Feinde des Islam, wie in konkreto jüngst gegen sogenannte Islamkritische Karikaturisten, aber sie richten sich immer auch gegen den anderen, den westlichen Menschen und dessen andere Kultur und gegen dessen andere Auffassung von Religionsfreiheit. 

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