Schluss mit den Anleihekäufen und mit dem De-facto-Helikoptergeld für Griechenland! Die griechische Regierung muss finanziell kalt gestellt werden. Stattdessen gibt es direkte Förderungen für die Konsumenten und die initiativen Kreise an der Basis.
Buff! Der EuGH hat gesprochen und ein bisschen das Geld abgeschafft. Noch nicht das Bargeld.
Wäre diese Entscheidung der Sache nach überraschend gekommen, wäre das selbst in medial übersättigten Zeiten ein atomarer Kanonenschlag geworden. Dank der Vorankündigung des EuGH von Anfang des Jahres war allerdings schon klar, dass die EZB das, was sie bereits tut, auch darf: Die EZB darf nach eigenem Gutdünken in beliebiger Höhe Geld aus dem Nichts schöpfen, gar in Krisenzeiten, in der der volkswirtschaftliche Gegenwert, der das Geld stützt, also geringer ist. Und sie darf das aus dem Nichts geschöpfte, also fiktive Geld sogar notleidenden Eurostaaten schenken und dies in grenzenlosem Ausmaß. Die EZB darf aus der bloßen Währungsunion eine Schulden-und Haftungsunion machen. Sie darf alles, nur die Wirklichkeit, die Physik liegt außerhalb ihrer objektiven Möglichkeiten. Aber die EZB darf etwas, was die europäischen Regierungen, die sich auch um den Eurovertrag wenig kümmern, schon lange tun, sie darf die Wirklichkeit so nach Belieben umdeklarieren, dass es formaljuristisch jedenfalls, wenn man Till Eulenspiegel heißt, schon passt.
Wenn zum Beispiel ein Schuldenerlass zu Gunsten Griechenlands verbotene Staatenfinanzierung bedeutet, dann werden eben Griechenland, das weder in der Lage noch willens ist die gerade eben noch kreditierten Schulden zurückzuzahlen, die Schulden notfalls auf 4500 Jahre gestundet, bei gleichzeitiger Stundung der Zinsen. Falsa demonstratio non nocet. Es gilt, was gewollt ist. Das sind allgemeine Rechtsgrundsätze. Umgehungstatbestände, mit denen Gesetze entgegen ihrem normativen Inhalt ausgehebelt werden, brechen das Recht und werden normalerweise geahndet, dürften sich also nicht lohnen.
Natürlich, die EZB soll alle Klippen des Rechts auf eine sehr formalistische formale Weise einhalten, aber was ist das für ein Eurorecht, das substanziell nicht mehr gilt? Aber da ist ja der gute Zweck, für den die EZB „whatever it takes“ (Mario Draghi), also alles macht, wofür am Ende die Gesellschafter (Deutschland mit 27 %) haften. Marode Staatsanleihen, die von wirtschaftlich maroden Euro-Mitgliedsstaaten schon in dem Bewusstsein ihrer eigenen Zahlungsunfähigkeit zum bloßen Anzapfen der EZB aufgelegt wurden, „aufzukaufen“ und bei dem Theater nicht rot zu werden, ist schon ein starkes Stück. Ein solches Spiel aber, für das jeder Privatmann wegen Betruges, Untreue und vielen anderen Vermögensstraftatbeständen mindestens so hart wie Uli Hoeneß bestraft würde, in aller Öffentlichkeit ernsthaft durch ein Karussell von Etikettenschwindel für rechtens zu erklären, ist eine Beschädigung des europäischen Normensystems, aber auch eine Beschädigung der europäischen Idee.
Die neue Veräppelungsformel
Wenn’s der Sache diente, dann wäre dagegen unter Umständen nichts einzuwenden. denn bei einer Abwägung kann durchaus einmal das Opportunitätsprinzip eben zur Wahrung des Rechtes selber höher zu bewerten sein. Gerichte tun gut daran, wenn sie das Prinzip der Gewaltenteilung peinlich beachten, was sie weiß Gott nicht immer tun. Einer europäischen Zentralbank, die auch darunter leidet, dass sie als Teil des Eurovertrages an dessen Konstruktionsmängeln schwer trägt und für die es keine andere Institution gibt, die die Aufgaben besser übernehmen könnte, muss zur Bewältigung von Krisenzeiten ein weiter Handlungsspielraum gegeben werden. Das ist ein im angelsächsischen Recht, das mehr von Kasuistik lebt, als von der abstrakt formulierten Norm, ein viel gewöhnlicherer Gedanke als im deutschen Recht und im deutschen Denken. Und hier geht es eben um den ganz speziellen Kasus Griechenland, der offenkundig eine ganz spezielle Lösung braucht. Deswegen bringt das juristisch basierte Gezeter vieler Gegner der EZB-Politik, die mit verfassungsrechtlichen Argumenten eigentlich zu Recht kommen, nicht viel.
Fakt ist, dass sich die EZB auch mit Billigung der Vertragsstaaten und deren höchsten Gerichten als Staatenfinanzierer durchsetzen wird. Misslich bleibt, dass unter die eine Währung namens Euro krass unterschiedlich entwickelte Volkswirtschaften gezwungen werden, und dies starrsinnig und aus bloßer Prinzipienreiterei.
Mit der jetzigen Entscheidung des EuGH, dass die EZB zum Beispiel Griechenland unbegrenzt finanzieren darf, ist angesichts der herrschenden Denkkultur der politischen Klasse der Euro-Zone vorprogrammiert, dass der erlösende Grexit weiter verschleppt wird. Griechenland wird weiter mit den locker sitzenden Milliarden subventioniert werden, und die Regierung in Athen wird, selbstverständlich gegen harte und strikte Auflagen und Bedingungen, weiterhin mit prallen Taschen rechnen können.
Die neue Volksveräppelungsformel, wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sie in der Talksendung von Günter Jauch am letzten Sonntag perfekt zum Besten gab, wie sie aber auch Sigmar Gabriel und andere jetzt fast wörtlich identisch formulierten, geht so: mit dem Herzen haben wir alle die Nase voll und wollen alle den Grexit. Schluss mit der ewigen Finanzierung der Griechen. Aber mit dem Verstand wissen wir, dass wir Griechenland zum Wohle der Griechen und Europas im Euro halten müssen.
Das ist allerdings eine krasse Entstellung der Wirklichkeit. Mit diesem einfachen Gedanken soll das Volk bei seinen Emotionen abgeholt werden und über die Karte der Vernunft und seines Verstandes erneut am Nasenring durch die Rettungsarena gezogen werden. Bestenfalls verhält es sich anders herum. Es gibt eine affektive, beinahe schon pathologische Rettungswutdynamik in der politischen Klasse, die klaren Verstandes natürlich selber weiß, dass der Grexit die vernünftigere und für die Menschen bessere Lösung wäre.
Aber es gibt einen Mainstreamdruck, auch da ganz oben bei den Regierenden. Auch da möchte niemand ausscheren. Mainstreamdruck hat übrigens nichts mit Mehrheiten zu tun, das nur am Rande. Wenn man nun also davon ausgehen muss, dass die EZB Griechenland mit Geld zuschütten darf, ist der Hinweis geboten, dass der EuGH nicht den Befehl erteilt hat, dass Griechenland in Geld erstickt werden muss. Es gibt keinen Zwang, dass die EZB aus ihrer gewonnenen Handlungsfreiheit heraus Griechenland mit immer neuem Geld „rettet“. Das macht die EuGH-Entscheidung aus, dass sie der Administrativen, die das besser kann, die Entscheidungsfreiheit und die Handlungsspielräume jetzt eingeräumt hat. Die EZB darf also, aber sie muss das Geld nicht mit der dicken Berta an den Peloponnes schießen.
EZB, IWF, EU-Kommission, Merkel und Hollandes befinden sich in einem Ideen-Bankrott
Die EZB ist angesichts ihrer neuen Freiheit, die sie sich selbst bereits seit März des Jahres vorweg genommen hat, nämlich Geld für die Griechenlandrettung zu drucken, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen verpflichtet, darüber nachzudenken, welche Methode Griechenland zu retten die richtige ist, welche handwerklichen Mittel zur Verfügung stehen. Das heißt automatisch auch, dass es Zeit ist darüber nachzudenken, ob es Alternativen zu der gescheiterten, bisherigen Rettungspolitik gibt. Die EZB braucht ein bisschen Brainstorming. Ideen müssen her. Ja, selbst falsche Ideen können produktiv sein; die Hauptsache ist, dass der geistige Stillstand in dem milliardenschweren EZB-Tower in Frankfurt aufgebrochen wird.
Die Goldman Sachs-Babes wie zum Beispiel Mario Draghi und Christine Lagarde scheinen sich darauf eingeschworen zu haben: Geld, Geld, Geld, Geld, immer mehr Geld, bis Griechenland dann wohl irgendwann von alleine das neue Sillicon Valley oder Shanghai oder Singapore der Eurozone sein wird. Klar, dass viele Menschen in Deutschland das ungute Gefühl haben, dass sie für eine unsolide Geldpolitik in Haftung gebracht werden. Immerhin, wenn es zu einer Inanspruchnahme der Gesellschafter der EZB kommt, dann haften zwar alle anderen Eurovertragsstaaten mit 73%. Was aber, wenn die ganz oder teilweise nicht zahlen können? Dann steht der deutsche Staat vor der Frage, inwieweit er zur Rettung des falsch konstruierten Eurosystems für andere Euro-Vertragspartner einspringen muss.
Martin Schulz frohlockte in der schon erwähnten Jauch-Sendung, dass Frankreich und Italien zusammen mit 38% in der Haftung stünden, also viel mehr zahlen müssten als Deutschland, was an sich schon eine Albernheit war. Aber er verschwieg dabei, dass Italien (und Frankreich hoffentlich nicht), selber ein Wackelkandidat ist, der latent gerettet werden muss. Was nützt also die Haftung des EZB-Partners Italien, die im Wesentlichen wohl nur auf dem Papier steht?
Das Helikopter-Prinzip, mit dem die EZB, aber auch der IWF und die EU-Kommission die Schulden Griechenlands ausräumen, die defizitär arbeitende Wirtschaft auf Trab und Griechenland wirtschaftlich auf Vordermann bringen wollen, ist in seiner konkreten Machart auf Scheitern angelegt und scheitert ja auch seit fünf Jahren.
In Frankfurt wird das Geld in imaginäre Wäschekörbe gepackt. Die werden über dem griechischen Regierungsgebäude ausgeschüttet und die griechische Regierung macht mit dem Geld all das, was sie schon immer gemacht hat. Sie verteilt das Geld unsystematisch und weder hinreichend zweck- oder erfolgsgebunden über das Land. Aber der Verteilungsprozess endet in einem Versickern des Geldes in den alten, falschen Kanälen, was eine der Ursachen für die griechische Wirtschafts-und Staatsmisere sind. Es ist ein bisschen so, als würde man einem Spielsüchtigen zur Bekämpfung seiner Spielsucht immer neues Spielgeld geben und hoffen, dass er mit dem Geld sowohl seine Spielsucht kuriert als auch seine Schulden irgendwann tilgen wird.
Dies ist kein Vergleich der griechischen Regierung mit einem Spieler, das Beispiel soll nur zeigen, dass das Helikoptergeld, das offiziell nicht so genannt wird, nämlich das Geld von oben, eben nicht auf das ganze Land, sondern auf die Regierung und auf die Banken, die ihrerseits das Geld weiterregnen, nicht funktioniert hat.
Insofern ist nicht nur Griechenland bankrott, sondern auch die EZB, der IWF, Merkels und Hollandes sind mit ihrem Latein am Ende und befinden sich in einem Ideenbankrott: Rettungsgelder für Griechenland, die bei Amigos verschwinden, die die Auslandskonten der Reichen füllen, die die Korruption verschärfen, die Initiativen, Ideen und Risikobereitschaft ersticken, die die Arbeitslosigkeit nicht lindern, sondern fördern, die der entstandenen Armut nicht entgegenwirken, sind verschwendetes Geld und verschwendete Zeit.
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