Fallende Ölpreise sind Konjunkturspritze pur und dies nicht nur für den Westen, sondern vor allem auch für die Entwicklungsländer.
Gold, nichts als Gold
Für die Konjunktur ist der deutlich gesunkene Ölpreis, über den sich die Autofahrer an den Tankstellen freuen, Gold, nichts als Gold. Da sollte niemand Zweifel säen, wie es die Tagesthemen oder die WELT versuchen.
Klar, der Ölmarkt ist außerordentlich komplex und es gibt viele Unbekannte. Eine der weltgrößten Ölkonzerne, BP, lässt sich durchaus auch als Rentenkasse Englands begreifen, beinahe als ein privater Schattenhaushalt des Reiches der Queen. So gibt es viele bekannte und wahrscheinlich noch viel mehr unbekannte Sondereffekte auf das Marktgeschehen und entsprechend viele Interessenten, die am großen Ölrad mitdrehen.
Die Investmentbanker Goldman Sachs, die auch gern supranationale Politik betreiben, sehen den Goldpreis gar auf 20 Dollar je Fass der US-Ölsorte WTI 2016 absinken. Andere sich für Prognosen kompetent fühlende Fachleute gehen eher von einem mittelfristigen Preisniveau von 50-60 Dollar je Barrel aus.
Richtig ist, dass das Fracken in den USA mit hohen Einstandskosten verbunden ist, weshalb das Anbohren neuer Schieferölquellen in den USA bei dem derzeitgen Weltmarktpreisen bereits eingefroren wird. In diesem Zusammenhang starren die meisten Analysten auf die unermesslichen Devisenreserven Saudi-Arabiens mit dem Argument, die Saudis würden mit großen Fördermengen und niedrigem Preis die Frackingindustrie der USA vernichten, um dann zu ungeahnten Ölpreisen zurück kehren zu können.
Der Schieferölschock sitzt bei den Saudis ziemlich tief
Tatsächlich sitzt der umgekehrte Preisschock, nämlich der Schieferölschock bei den Saudis ziemlich tief. Die wissen, dass die USA über reale Frackingkapazitäten verfügen, die sie jeder Zeit wieder aktivieren können.
Tatsächlich haben die Saudis in ihrer stark wachsenden, sehr jungen Bevölkerung ein derartig anspruchsvolles Konsumverhalten entstehen lassen, Tendenz steigend, dass sie auf Öleinnahmen sehr langfristig und kontinuierlich angewiesen sind und gar nicht an tagespolitisches Herumgepoker denken.
Die saudische Wirtschaft ist keine Leistungsgesellschaft, sondern eine ölbasierte Verbrauchsgesellschaft. Wie das Kaninchen auf die Schlange starrt, so starren manche Analysten offenbar im großen Zukunftspoker um das Öl auf die saudische Devisen, die das Ölland jahrzehntelang mit unbegrenzter Marktmacht ausstatteten. Und natürlich wissen die strategisch denkenden Saudis auch, dass die Nachfrage nach dem Klimakiller Öl einen Dämpfer bereits erlitten hat. Die Ölbäume wachsen nicht mehr in den Himmel.
Die saudische Wirtschaft ist keine Leistungsgesellschaft
Es gibt immer zyklische Entwicklungen, auch auf dem Ölmarkt, aber die Tendenz ist klar, der Ölmarkt ist von einem Anbietermarkt zu einem Nachfragermarkt geworden. Die Nachfrager sitzen am längeren Hebel. Deswegen scheint die Prognose von Goldman Sachs nicht aus der Luft gegriffen, dass der von über 100 Dollar je Fass derzeit auf unter 40 Dollar gesunkene Preis durchaus auch noch weiter fallen könnte und das wäre auch gut so.
Teileffekte, die der Beurteilung des Ganzen allerdings nicht zu widersprechen in der Lage sind, zeichnen ein anderes Bild: Weniger Liquidität in den Ölländern heißt vor allem weniger Luxusnachfrage aus diesen Ländern, was auf die Bilanz mancher betroffener Hersteller und Lieferanten drücken könnte. Zu bedenken ist allerdings, dass diese spezielle Nachfrage über einen höheren Ölpreis von den exportierenden Volkswirtschaften selber finanziert wurde. Das gesparte Geld für den Ölimport steht in den exportierenden Volkswirtschaften plötzlich wirtschaftlich frei zur Verfügung.
So gibt es innerhalb der mit den Ölstaaten Handel treibenden Volkswirtschaften Verschiebungen mit kleineren Verlierern und größeren Gewinnern. Per Saldo überwiegt der Nutzen eines niedrigeren Ölpreises.
Die Ölproduzenten insgesamt haben sich und ihren Konsum auf unerarbeitete, aus der Erde sprudelnde Geldquellen eingestellt und können nur frustriert sein, wenn sie plötzlich Konsumeinschränkungen hinnehmen müssen. Das kann allerdings keine Verpflichtung von Ölverbraucherländern begründen einen artifiziell erhöhten Ölpreis zu bezahlen.
Wenn Volkswirtschaften Hilfe brauchen und sei es, um ihren erhöhten Konsum zu finanzieren, dann muss nicht der Ölpreis angehoben werden, sondern dann muss man über Entwicklungs- oder sonstige Hilfe nachdenken. Richtig gruselig absurd ist ein Argument, das soeben in der WELT in einem dortigen Plädoyer für einen hohen Ölpreis vorgetragen wurde.
Ein niedriger Ölpreis würde demnach ansteigende Auswanderung, also ansteigende Flüchtlingsströme erzeugen. Erst einmal hat ein über Jahrzehnte überhöhter Ölpreis dazu beigetragen, das dortige Bevölkerungswachstum zu dynamisieren und zweitens gilt auch hier, dass den Menschen vor Ort nicht über einen überhöhten Ölpreis geholfen werden sollte. Vielmehr muss über staatliche Unterstützung für arme und auswanderungswillige Menschen entschieden werden.
Ein niedriger Ölpreis fördert die Weltkonjunktur
Auch das schon pervers zu nennende Gejammer, dass ein hoher Ölpreis her müsste, um einen Ölausstieg zu beschleunigen, in dem nur über zu teures Öl Spardruck und Innovationsdruck bezüglich alternativer Energien erzeugt werden könnte, ist Unsinn.
Erst einmal gilt, je profitabler die westlichen Volkswirtschaften arbeiten, desto autodynamischer ist auch die technische Entwicklung. Wer kann Forschung besser finanzieren, als eine wohlhabende Volkswirtschaft?
Wo immer die Reise des Ölpreises hingeht, je niedriger der Spritpreis desto besser. Ein niedriger Ölpreis würde auch die Öleinnahmen des mit Bomben bekämpften Isis senken. Kein Abnehmer zahlt mehr als er muss – wer immer mit Isis Ölgeschäfte macht.
Auch die Sorge, dass Putins Russland unter einem sinkenden Ölpreis litte, zieht nicht. Wer Russland helfen will, muss über entsprechende Finanzhilfen entscheiden und sich nicht an einem hohen Ölpreis klammern.
Einen hohen Ölpreis als globalen mildtätigen Heilsbringer herbeizusehnen, ist reiner Tüddelkram, wie man in Hamburg sagt. Nur die Länder der zweiten und dritten Welt, die kein Öl haben und die unter hohen Ölpreisen besonders leiden, so zu missachten, ist schon bodenlos. Ein niedriger Ölpreis treibt Weltkonjunktur und ist das Gegenteil einer „Gefahr“.
Last but not least: Niedrige Ölpreise dämpfen die Verschwendung in den Öl produzierenden Ländern und sind ergo dort ein Beitrag zum Umweltschutz. Die Ölproduzenten müssen nämlich plötzlich Steuern auf Treibstoff erheben. Der damit verbundene Preisanstieg sorgt für einen sparsameren Umgang mit dem schwarzen Gold.
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