Schein und Sein: Integrationsgipfel im Kanzleramt

Bettina Röhl direkt: Integration geht anders!

Es muss eine Rückkehr zu den Tatsachen stattfinden

Erst einmal gibt es nicht DIE Migranten. Es gibt nicht die Muslime, es gibt nicht DIE Frauen usw. Gerade beim Thema Integration muss eine Rückkehr zu den Tatsachen stattfinden. Das ist die erste Bürgerpflicht und auch die erste Pflicht der Regierung. Tatsachen müssen auf den Tisch statt gefühlter Werturteile. Das fängt bei den kleinen Kindern an. Es gibt viele Kindergärten und Schulklassen, in denen kein deutsch-deutsches Kind vorhanden ist, und es gibt vor allem viele Kitas und Schulen, in denen Kinder mit Migrationshintergrund die überwältigende Mehrheit stellen. Welche Minderheit genau wird hier eventuell wirklich diskriminiert? Dazu gibt es nur höchst dürftige Statistiken, dass sich der Eindruck aufdrängt, dass hier ein Stück Wirklichkeit absichtsvoll ausgeblendet wird.

Wer also permanent von Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten spricht, kann nicht je nach aktuellem Gusto irgendeinen bundesdeutschen Durchschnitt heran ziehen, sondern muss qualifiziert aufschlüsseln. De facto besteht die deutsch-deutsche Mehrheit nur noch aus dem alten Teil dieses Landes. Bei der jüngeren Bevölkerung gibt es keine deutsch-deutsche Mehrheit mehr; oft genug gibt es eine deutsch-deutsche Minderheit. Deswegen stößt das Wort „Integration“ aus sich heraus auch an unüberwindbare Grenzen, weil „Integration“ längst heißt, dass die deutsche Seite in die Zuwandererseite integriert wird und nicht umgekehrt. Die deutsche Sprache, von der alle fordern, dass Migranten sie erlernen müssten, steht perspektivisch ihrerseits auf einem verschwindenden Altenteil. Merkel und ihre Union haben sich längst entschieden Migrantenpartei zu werde. Das sollten sie auch ganz offen und öffentlich erläutern und darstellen.

Die deutsche Gesellschaft als ewiger Prügelknabe, den eine Bringschuld nach der anderen träfe, und auf der anderen Seite die Migranten, die alles besser könnten und durch ihr bloßes Hierherkommen einen Anspruch nach dem anderen hätten – das ist eine Schieflage, die der Lösung des Themas Integration entgegen steht.

Menschen kommen nach Deutschland, weil sie nach Deutschland wollen. Migranten leisten in Deutschland einen nicht mehr weg zu denkenden Teil. Die Wirtschaft fragt ausländische Arbeitskräfte und alten Menschen fragen Pflegekräfte aus dem Ausland nach. Es gibt Zuwanderer, die integrationswillig und integrationsfähig sind und die ganz selbstverständlich ihr Glück und ihre wirtschaftliche Prosperität hierzulande verwirklichen und leben. Und es gibt Zuwanderung, die Probleme bereitet. Es gibt Zuwanderer, die nur vorübergehend in der Bundesrepublik arbeiten wollen und andere, die ihren Lebensmittelpunkt hierher verlegen. Es gibt Einzelpersonen, die hier her kommen und es gibt ganze Familienclans. Daher macht es keinen Sinn pauschal von den “ Zuwanderern“ zu sprechen. Solange diese Tatsachen nicht auf dem Tisch liegen, sind diese Veranstaltungen reine Show.

Die Zuwanderer sind auch zu allem Überfluss in keinster Weise demokratisch repräsentativ auf den Integrationsgipfeln vertreten. Die größte Gruppe der Zuwanderer aus Polen und aus den anderen EU-Ländern hat praktisch keine Migrantenvertretung. Es gibt keine Funktionäre, die diesen Kreis der Zuwanderer vertreten. Es gibt auch keine Regierungsvertreter aus den anderen EU-Ländern, die hierzulande mitmischen. Die Migrantenvertreter auf dem Integrationsgipfel, die mitzureden haben, sind die ethnischen und die religiösen Vertreter vor allem der türkischen Zuwanderer, so dass es verständlich ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung den Integrationsgipfel und Integrationsprobleme nur mit einer Zuwanderergruppe verbindet. Der amtierende türkische Staatspräsident Erdogan mischt beim Thema Integration in der Bundesrepublik ganz ungebührlich mit und sorgt so dafür, dass sich zwei Probleme auftun, wo eins gelöst wurde.

Identifikation mit der neuen Heimat ist kein Ziel des Integrationsgipfel mehr

Wie der gerade eingeführte Doppelpass belegt, ist die Identifikation der Migranten mit ihrer neuen Heimat gar kein Ziel der Integrationspolitik mehr. Tatsächlich ist aber die Identifikation mit dem Land, in dem jemand lebt, in der Regel eine der wichtigsten Integrationsgrößen. Auch die Deutsch-Deutschen, die sich zunehmend mit dem Land, in dem sie leben, weniger identifizieren und die teils sogar die Zersetzung dieser Gesellschaft ganz offiziös auf ihre Fahnen schreiben, wirken de facto jeder Integration entgegen. Integration heißt Annäherung, heißt auch Identifikation. Etwas anderes Integration zu nennen, wäre sinnlos.

Die leider zu Kampfparolen verkommenen Begriffe wie „Ausländerfeindlichkeit“, „Islamophobie“, aber auch „Rassismus“, die ungeschrieben über jeder Integrationsveranstaltung stehen, müssen herraus aus der Integrationsdiskussion. Da haben die Medien ihre Bringschuld. Sie haben allzu gierig und allzu einäugig immer auf jede Beschimpfung von Menschen gegen andere Menschen unter Verwendung der beispielhaft genannten Kampfparolen reagiert und ihrerseits als Verstärker der Beschimpfungen gewirkt. Die Medien haben einen hohen Anteil an der überbordenden Inflation auf dem Markt der Kampfparolen. Es muss abgerüstet werden, damit endlich integriert werden kann.

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