Was verbirgt sich hinter dem ICIJ, das die „The Victims of Offshore“ rächen will? Und warum reklamiert in Deutschland die Süddeutsche Zeitung der Erstkontakt des Whistleblowers gewesen zu sein, während in Washington DC Gerard Ryle, der Direktor der ICIJ behauptet, ihm sei vor 15 Monaten in Australien eine Festplatte mit den Daten der Panama Papers physisch übergeben worden?
Bisher wird jede Nachfrage nach dem Whistleblower von der Süddeutschen mit dem Satz abgewürgt, dass der Whistleblower nur etwas Gutes wollte. Punkt. Den Whistleblower behandelt die Süddeutsche, obwohl ihr nach eigenen Angaben unbekannt, wie einen zu schützenden, über jeden Zweifel erhabenen Informanten.
Deswegen hat sich eine 400 Mann starke Armee von Journalisten aus 80 Ländern dem Anschein nach bisher nicht auf Erkundung und recherchierende Suche gemacht, wer der Whistleblower ist. Stattdessen haben sich die Süddeutsche und die ICIJ die zugespielten Akten in ihrem gemeinsamen Projekt, Codename Prometheus, mit zugekauften Super-IT-Leistungen zugänglich gemacht, durchflöht und für den Eigengebrauch und als Grundlage willkürlicher, sprich eigenmächtiger Veröffentlichungen aufbereitet.
Das Recherchenetzwerk ist auf dem deutschen Spotmarkt eine Krake
Diese Feststellungen jetzt klingt etwas negativ, aber sie sind notwendig, weil die Recherchearmee mit ihrem inszenierten Theaterdonner selber alles dafür getan hat, die sich eben nicht selbst erklärende Rolle ihrer eigenen Existenz und ihres Seins, wie sie ist, aufzuklären: Welches sind also die Kriterien des ICIJ für die Auswahl der mittuenden Medien und Journalisten? Geht es um die politische Ausrichtung der Medien/Journalisten? Handelt es sich bei dem Journalistenkonsortium de facto um ein neues Medienkartell, welches den beteiligten Journalisten Wettbewerbsvorteile, lautere oder unlautere, verschaffen will?
Handelt es sich um 400 selbstlose, nur der reinen Wahrheit verpflichtete Journalisten, die die Menschen wirklich, wahrhaftig und exklusiv informieren wollen? Ein solches Recherchenetzwerk, das mit höchsten moralischen Ansprüchen auftritt, muss sich ungefragt für jedermann verständlich und nachvollziehbar selber präsentieren. Hasso Mansfeld hat schon einen oder sogar mehrere Punkte wenn er sich über die Recherche-Nachverfolger lustig macht. Aber angesichts der Wucht der Vorwürfe darf man schon mehr wissen wollen über die Beteiligten, ihre Motive und Abhängigkeiten.
In Deutschland haben die an der ICIJ beteiligten öffentlich-rechtlichen Medien, NDR und WDR, bereits eine Monopolstellung. Und dies nicht nur, was den Markt anbelangt, sondern auch was die Eigenwerbung anbelangt. Diese Monopolstellung wird mit Hinblick auf die gebührenfinanzierte Öffentlich-Rechtlichkeit vom Gesetzgeber und von der Justiz befürwortet, als besonders der Wahrheit dienend.
Wenn dann aber noch eine weltweite, regelrecht konspirativ verbundene, zu-schlagende Verbindung von 110 mächtigen Medien und erheblichen Geldquellen und in Deutschland die Süddeutsche Zeitung hinzutreten, dann ist das weltweite Recherchenetzwerk in Verbindung mit den ARD-Anstalten auf dem deutschen Spotmarkt eine Krake. Und der Spruch, das Ziel heiligte alle Mittel, ist eine schwächelnde Legitimation.
Muss man das ICIJ also selbst als eine Art geschachteltes „Offshoreunternehmen“ begreifen? Gibt es einen eingerichteten oder ausgeübten Gewerbebetrieb mit Bilanzen und Steuererklärung? Ist das Ganze eine Firma, ein Verein, gibt es eine Satzung, wer sind die Rechtsvertreter, wo ist der Gerichtsstand? Üppig gesponserte Journalisten und Netzwerke, arbeiten die für lau? Oder gibt’s über den Auslagen-und Spesenersatz hinaus auch ein Einkommen der Netzwerke oder nur der individuellen, einzelnen Netzwerker? Wie muss man sich das alles genau vorstellen?
Es ist schön, wenn 400 Mann/Frau ganz invididuell friedlich ohne Kompetenzstreit nur durch die Idee gebunden in einem großen Netzwerk arbeiten. Idealismus und Enthusiasmus sind in Kombination toll. Trotzdem fehlt die erhellende Selbstdarstellung des hier tätig gewordenen Konsortiums. In welchem Vertragsverhältnis stehen die 80 Medien bzw. die 400 Journalisten mit der ICIJ? Wie sieht es mit der Rechtsstellung der beteiligten NDR- und WDR-Leute im Konsortium aus? Sind sie nur dem Öffentlich-Rechtlichen verpflichtet? Ganz klar: Wer Ethos verkauft, hat selber eine klare Bringschuld, seine eigenen Verhältnisse besonders offen zu legen. Man hat den Eindruck, dass der gigantische Rechercheapparat der Süddeutschen und ihrer Konsorten etwas auf den eigenen Aufwand selber hereinfallen.
Möchte man wirklich eine private Hygienepolizei haben?
Unabhängig davon, dass die Enthüllungshäppchen, die jetzt täglich präsentiert werden, graphisch und akquisitorisch sehr übersichtlich, gut dargestellt sind, eine Menge Informationsstoff bieten und Wirkung zeigen, muss die Frage beantwortet werden: Möchte man wirklich eine supranationale privat organisierte politische Hygienepolizei haben, die sich weniger auf Recherche, als mehr auf Leaks und automatisierte Big-Data-Auswertungen konzentriert und die sich zu verselbstständigen droht?
Die Wertfrage stellt sich besonders angesichts der Tatsache der Geheimniskrämerei der Rechercheure. Die Süddeutsche und das Recherchekonsortium wollen das aufwändig bearbeitbar gemachte Konvolut als Ganzes, was allerdings eine zwingende Voraussetzung für eine kontextualisierte Bewertung und Gewichtung wäre, nicht herausgeben, nicht an andere Journalisten, an Niemanden. Sie wollen sich also nicht überprüfen und in die Karten schauen lassen.
Sie wollen ihre Selektion der Namen frei von öffentlicher Überprüfung nach eigenem Gutdünken vornehmen, also möglicherweise auch nach eigenem Gutdünken andere Namen, die womöglich auch von größtem öffentlichen Interesse wären, verschweigen, schützen – wer weiß das.
Auch eine Bewertung, ob die zugespielten Unterlagen der vollständige Datenbestand der Kanzlei sind oder erst nach einer interessengesteuerten Zensur geleakt wurden, lässt sich überhaupt nicht öffentlich überprüfen.
Die Daten sollen nicht an die Staatsanwaltschaften übergeben werden, wie der Chefredakteur der Süddeutschen, Wolfgang Krach, apodiktisch betont. Die fadenscheinige Begründung: Die SZ sei „nicht der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung.“ Wenn man mit Moral auftrumpft, wie die Rechercheverbindung dies tut, dann allerdings ist das Verhalten der Rechercheure, die Daten der staatsanwaltlichen Überprüfung zu entziehen, ein Widerspruch in sich.
Staatsanwaltschaft Köln ermittelt schon seit über einem Jahr gegen Mossack Fonseca
Einige Staatsanwaltschaften wie zum Beispiel die Staatsanwaltschaft Köln ermittelten, laut Süddeutscher Zeitung vom 5. April, schon vor über einem Jahr aufgrund einer damals für knapp eine Million Euro angekauften Daten-CD gegen die Kanzlei Mossack Fonseca.
Startete die Kölner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen bereits bevor der Whistleblower bei der Süddeutschen Zeitung vorsprach?
Ausgerechnet dieser Bericht der Süddeutschen Zeitung, geschrieben von Georg Mascolo, Hans Leyendecker und Klaus Ott, erscheint nicht im Rahmen der jetzt aufgemachten Wundertüte „Panama Papers“, sondern beiläufig als wichtiger Tagesartikel, in dem aber stolz verkündet wird, dass die angekauften Datensätze der Staatsanwaltschaft verglichen mit den geleakten Panama Papers nur bescheiden klein seien. Lapidar heißt es:
„Die Ermittlungen gegen Mossack und Fonseca aber, so ist zu hören, werden noch länger laufen. Angesichts des ohnehin umfangreichen Materials, zu dem nun auch noch die Panama Papers hinzukommen, ist in diesem Jahr nicht mehr mit einem Abschluss des Verfahrens zu rechnen. Die Kölner Staatsanwaltschaft äußert sich auf Anfrage wegen des Steuergeheimnisses nicht zu dem Fall.“
Wusste die Süddeutsche Zeitung bis dato nichts von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft? Jedenfalls, warum hat die Süddeutsche diese Tatsache nicht als erstes in ihrem Dossier am Sonntag Abend und in der Tagesschau erwähnt?
Die ganze Rechercheveranstaltung um die Panama Papers hat sich jetzt wie ein Naturereignis auf eine wundersame Weise in die Öffentlichkeit gedrängt und dies mit einer überragenden selbst attestierten Moralität. Kaum zu fassen: Aus dem Nichts wird plötzlich in Deutschland, gar öffentlich-rechtlich, eine konzertierte Aktion auf der öffentlichen Bühne aufgeführt, die niemand bestellt hat und die selber auf einer Whistleblowerbasis tätig wurde, die in keinster Weise überprüfbar ist. Alles wahrscheinlich lautere Motive, so heißt es. Das will man glauben, aber das ist nicht ausreichend.
P.S.
Die Firma Mossack Fonseca hat inzwischen öffentlich bekundet, dass sie gehackt worden sein muss. Das allerdings setzt voraus, dass die Kanzlei als papierloses Büro geführt wurde, was angesichts von echten Inhaberpapieren, um die es gelegentlich geht, oder notwendigen Originaldokumenten und auch angesichts der Allgegenwart der Überwachung durch die NSA und anderen Mitlauschern und der Gefahr von Hackerangriffen äußerst unwahrscheinlich erscheint. Selbst, wenn man von ausschließlich elektronisch geführten Akten ausgeht, scheint es fraglich, dass die gespeicherten Daten auf Computern liegen, die ans Netz angeschlossen sind. Eher werden solche Daten auf autonomen Speichern, die niemals online sind, gelagert.
Update vom 09.04.2016:
Auf Nachfrage erklärte Bastian Obermaier per Mail, dass der CBC-Film (obwohl am 3.April 2016 bei Youtube eingestellt), einen Vorgang aus 2013 beschreibt, als das ICIJ mit den „Offshore Leaks“ und Gerard Ryle als Hauptperson, der damals eine „Festplatte“ mit „Daten“ bekommen hatte, schon einmal eine Medienallianz (damals mit Journalisten und Medien aus 46 Ländern inklusive der Süddeutschen Zeitung) geschmiedet und eine weltweit beachtete Veröffentlichung der Offshore Leaks gestartet hatte, die in der Machart eigentlich identisch mit der aktuellen Veröffentlichung der Panama Papers war. Bastian Obermayer über Gerard Ryle: „Er hatte damals unsere Rolle….(…) Aber es ist sehr klar und unbestritten, dass das getrennte Dinge sind.“
Auch auf der Seite der „Open Society Foundation“ von George Soros, die sich berühmt die ICIJ prominent zu unterstützen (“ The International Consortium of Investigative Journalists receives general support funding from the Open Society Foundations´“) wird die Süddeutsche als Urempfängerin der geleakten Unterlagen expliziert erwähnt.
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