Der Iran hat den Atompoker auf ganzer Linie gewonnen
Der Iran führt die politische Klasse des Westens vor und zwar gekonnt und routiniert. Das muss man anerkennen. Die Aufhebung der Sanktionen, die wegen des iranischen Atomprogramms mühselig vom Westen erlassen wurden, ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit. Die Drohung des Westens, dass die Sanktionen jederzeit wieder neu beschlossen werden könnten, ist die Drohung eines orientierungslosen Papiertigers. Das weiß der Iran. Der Iran weiß auch, dass allein schon die Existenz eines eigenen Atomwaffenprogramms, das als solches bestritten wurde, ein politischer Machtfaktor ohnegleichen war und dass eine eigene Atombombe diesen Machtfaktor ins Unermessliche steigern würde. Anzunehmen, dass der Iran eine eigene Atombombe tatsächlich zum Einsatz bringen wollte und dass darin die Gefahr einer iranischen Atombombe läge, heißt die Führung des Iran maßlos zu unterschätzen und das militärische Geschehen zu verkennen.
Ein atomar bewaffneter Iran würde den Westen viel schneller und eleganter bekämpfen, als er es mit dem Abwurf von Atombomben könnte. In Teheran sitzen keine Selbstmörder an den Schalthebeln. Die Machthaber im Iran möchten ungern von einem atomaren Gegenschlag getroffen werden wollen. Fest steht, dass in Teheran zurzeit die überlegenen Machtpolitiker am Werk sind. Der Atomdeal ist zwar noch nicht im Detail zu Ende verhandelt, aber eine Selbstpräjudizierung des Westens hat es in Lausanne dennoch gegeben. Jede andere Annahme scheint derzeit abwegig. Zwar steckt der Teufel im Detail und Israel fordert nach Lausanne und den Obamaschen Erklärungen das Existenzrecht Israel aus dem Deal heraus zu lassen, jetzt einen Katalog von neuen Bedingungen, aber Obama will offenbar, Detail hin oder her, einen nuklearen Deal mit dem Iran, den er als Erfolg seiner Präsidentschaft ausschlachten möchte.
Der amtierende US-Präsident hat jetzt in seiner unendlichen Bescheidenheit darauf hingewiesen, dass mit dem Iran eigentlich nichts auszuhandeln wäre, weil der Iran seine grundsätzliche Politik, die auch Obama nicht gefällt, ohnehin auf absehbare Zeit nicht zu ändern bereit wäre, dass aber die Region, wenn schon nicht friedlicher, so doch stabiler würde, weil wenigstens der atomare Druck aus dem Kessel genommen würde. Wodurch? Durch seinen Atomdeal, dem er den Iran gerade abgerungen hätte. Stellt sich die Frage: verhindert oder verzögert der Nukleardeal ganz tatsächlich gesehen eine iranische Atombombe oder beschleunigt er deren Bau gar?
Was steht denn nun drin, in dem großen Deal und welches sind tatsächlich die Kontrollen und gegebenenfalls Sanktionen des Vertrages? Wenn der Iran ein paar Zentrifugen zur Urananreicherung, also zum dopen des für Atomkraftwerke geeigneten Urans auf Bombenfähigkeit, stilllegt und bereits vorhandenes angereichertes Uran zum Beispiel verkauft (hoffentlich nicht an Nordkorea) und der Iran ein paar Inspekteure in vertraglich definierte Atomanlagen mehr oder tief hineinschauen lässt und dies alles gegen Aufhebung aller Sanktionen, die gegen die Atomprogramme des Iran gerichtet waren, dann erschließt sich nicht, dass die entsprechenden vertraglichen Regeln ein Fortschritt in Richtung atomare Sicherheit sind:
Die Möglichkeiten des Iran nach dem Atomdeal eigene linientreue Nukleartechniker im Westen schulen und arbeiten zu lassen, auf dem weißen oder schwarzen Markt angereichertes Uran zu kaufen, modernste Zündertechnik zu erwerben und sich auch modernste Transportmittel zuzulegen, steigen. In dem Maße, in dem der Iran sein Öl wieder in Dollars umwandeln kann, steigen auch Ansehen, Macht und die finanziellen Möglichkeiten. Ganz davon abgesehen, dass der Westen dem Charme des Überschreitens der kleinen roten Linien, die es unter Umständen in sich haben, schon im Voraus erliegt.
Die Frage, ob es eine Alternative zu dem Abkommen gibt, die Obama verneint, stellt sich nicht. Die bessere Alternative wäre es weiter zu verhandeln und den Druck weiter zu erhöhen. Der Westen hat keine ernsthafte Gegenleistung des Iran eingefahren. Der Vertrag hat für den Westen keinen Mehrwert, von der Selbstbeweihräucherung westlicher Politiker abgesehen. Einen Vertrag ohne Mehrwert, der im Prinzip nichts ändert, schließt man üblicherweise auch nicht ab. Insbesondere dann nicht, wenn man sich durch den Vertrag selber in Richtung weiterer Zugeständnisse vorverpflichtet.
Der Iran braucht weder eine Atombombe noch Atomkraftwerke
Der Iran braucht weder eine Atombombe noch Atomkraftwerke. Für die nähere und vielleicht auch fernere Zukunft gibt es das iranische Öl und für die Gegenwart und erst recht für die Zukunft gibt es die iranische Sonnenenergie, die ein Riesenverkaufsschlager werden kann.
Mit seinem friedlichen und, wie manche meinen, unfriedlichen Atomprogramm hat der Iran den Westen ganz erfolgreich unter Druck gesetzt und, wie es jetzt scheint, einen ersten gigantischen, politischen Erfolg eingefahren, der den Menschen im Iran auch gebührend verkauft wird. Verdenken kann man es der iranischen Führung nicht: Wer den Westen hasst, holt aus dem Westen raus, was der Westen freiwillig hergibt.
Dass der Atomdeal, so Obamas verkündete Hoffnung, etwas dazu beitragen könnte, den Iran von innen heraus zu moderieren, die prowestlichen Kräfte zu stärken und eine goldene Zukunft nach dem Vorbild im Westen nicht mehr so ganz ernstgenommener westlicher Ideale bewirken könnte, ist realitätsfrei. Wenn es im Iran Demokratiebewegungen, Verfassungsbewegungen gibt, die das Land verändern, dann nicht wegen des Atomabkommens, sondern trotz des Atomabkommens, das den Iran im eigenen Land, aber auch im Westen enorm aufwertet. Es ist ein Selbstgänger, das jede Herabsetzung jedes Risikos atomarer Auseinandersetzungen an jedem Ort der Welt ein Segen für die Menschheit ist, wenn es sich denn um eine Herabsetzung des Risikos tatsächlich handelt.
Wandel durch Annäherung, ein jetzt viel beschworener Spruch, kann es dann geben, wenn die Kontrahenten jeder ein gutes Stück des Weges auf den anderen zugehen. Wenn einer recht einseitig auf den anderen zugeht, dann ist der Begriff der Annäherung denaturiert.
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