AfD: Gehört der Islam zu Deutschland?

Der Reflex kommt prompt. Alle Parteien, viele Verbände und Medien stürzen sich, bewaffnet mit Art. 4 GG, der Religionsfreiheit, auf die AfD: Die Partei sei verfassungswidrig, rechtspopulistisch, brandstiftend, demokratiefeindlich und mit der NSDAP zu vergleichen. Denn die AfD will Vollverschleierung, Minarette und den Ruf des Muezzin verbieten. Doch erstmal muss geklärt werden, was Religionsfreiheit meint und will.

Man kann die wieder entfachte, eigenartig sich selbst formierende Wut auf die AfD nur noch mit einem gewissen religiösen Wahn vergleichen. Die Einlassung von Jörg Meuthen ist inhaltlich identisch mit dem Text des FAZ-Autors Reinhard Müller „Die Muslime gehören zu uns“.

Attitüde und Atmosphäre des FAZ-Textes erzeugen allerdings den Eindruck, als würde dort eine diametral andere Weisheit, ein politisch korrektes Islamverständnis gepredigt. Es ist schon seltsam, wie die Mainstreamverhaftung viele Köpfe selbst für die eigene Meinung blind macht.

Die AfD-These, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, das haben wir eingangs dieses Textes gelernt, ist Konsens, mindestens aber eine unverdächtige Einschätzung der Realität, auch wenn Merkel sich zwischenzeitlich Christian Wulffs Auffassung, der Islam gehöre zu Deutschland, angeschlossen hat. Sonst würden Gauck und Kauder und die vielen Anderen schließlich nicht vor kurzer Zeit gesagt haben: Der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Dass die Menschen muslimischen Glaubens, die hier leben, zu Deutschland gehören, ist offenbar auch Konsens in der AfD.

Jeder hat die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben

Und was hat es nun mit der berühmten, berüchtigten Religionsfreiheit auf sich, mit der, wie gesagt, Kreti und Pleti ihre Vorderlader vollstopfen, um meist bar jeder Kenntnis der Religionsfreiheit auf irgendwelche AfD-Leute zu schießen? Um es klar zu sagen, es bleibt bei dem Titel dieses Textes. Religionskritik. Es geht hier nicht um ein Ergründen der AfD-Politik und deren Diskussion.

Religionsfreiheit, Glaubensfreiheit, Bekenntnisfreiheit, Weltanschauungsfreiheit sind bekanntlich durchaus unterschiedliche Freiheiten. Eines ist diesen Freiheiten gemein: Jeder hat nämlich die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben; eine Religion zu haben oder keine Religion zu haben; eine Weltanschauung zu haben oder keine Weltanschauung zu haben. Jeder hat nach Art. 4 die garantierte Freiheit alles, was andere glauben, auch zu glauben; oder alles, was andere glauben, für komplett falsch zu halten.

Die Grundrechte stehen bekanntlich nicht isoliert nebeneinander, sondern in Beziehung untereinander. Sie haben immanente Schranken, stehen unter Umständen unter Gesetzesvorbehalt usw. – und die Meinungs-und die Wissenschaftsfreiheit gibt es auch noch. Und es gibt Islamwissenschaftler und „den Islam“, hören wir von Muslimen, gibt es nicht. Es gibt nur die unterschiedlichen Islamschulen oder wie man es sonst nennen möchte und das ist ja auch bekannt.

Es gibt auch Islamschulen, die sich gegenseitig friedlich oder unfriedlich bekämpfen. Solche Erscheinungen hat es im frühen Christentum auch gegeben, sie sind Gott sei Dank heutzutage in der täglichen Praxis unüblich geworden.

Religionsfreiheit heißt, dass man einer Glaubensgemeinschaft beitreten kann, frank und frei als autonome Entscheidung. Und dass man frank und frei ganz autonom eine Religionsgemeinschaft auch wieder verlassen kann oder verlassen kann, wenn man zum Beispiel kraft Geburt in sie hinein geraten ist. Religionsfreiheit gibt es für Männer und für Frauen; für Heterosexuelle und Homosexuelle – und alle LSBTTI-Menschen haben ihre Religionsfreiheit. Jeder Mensch hat für sich die gleiche Religionsfreiheit.

Religionswissenschaft, christliche Theologie, jüdische Theologie heißt, wie in jeder Wissenschaft, kritische Fragen stellen und nach Antworten suchen. Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten und der wissenschaftliche Disput ist selbstverständlich frei von Sanktionen und jeder Bann, jede Fatwa gegen eine Person verstößt unter anderem auch gegen die Religionsfreiheit des Verfolgten.

Rubrum Pschtpscht, Mundhalten, nicht den Rechten in die Hände spielen

Selbstverständlich ist auch die Beschimpfung von Menschen als „Ungläubige“ ein Verstoß gegen deren Religionsfreiheit, auch der Begriff „Ungläubiger“ ist bereits ein Beschneiden der Religions- und Bekenntnisfreiheit des diesermaßen Gescholtenen.

Jemand, der als Christ einen Nichtchristen, sei es als Agnostiker, sei es als Jude, sei es als Moslem als „ungläubig“ schilt, ist ein Agnostophober, ein Judenphober oder ein Islamophober. Umgekehrt, ein Moslem, der einen Christen als ungläubig bezeichnet ist ein Christophober usw. usw.

Die Vokabel Islamophobie hat die Diskussion der Religionen, hat die Religionskritik, die Religionswissenschaften, die Haltung der Gesellschaft und leider auch der Justiz zu den Religionen verkleistert und verblödet.

Egal wie es quantitativ aussieht, ob es mehr Angriffe aus der muslimischen Welt hierzulande auf die christliche, jüdische oder die agnostische Welt gibt oder ob es mehr Angriffe von Agnostikern gegen die religiösen Menschen gibt usw., eines steht fest, es gibt solche Angriffe in alle Richtungen, aber es gibt keine qualitative und quantitative Bewertung, zum Beispiel auch keine Statistiken solcher gegenseitigen Angriffe, die irgendeinen Realitätsbezug haben.

Aber der öffentliche Raum ist voll mit meist sehr abstrakt gehaltenen Angriffen, die Muslime auszuhalten hätten und einer zumeist verschwiemelten und verschwurbelten Masse von Angriffen auf Nicht-Muslime durch Muslime, die unter dem Rubrum Pschtpscht, Mundhalten laufen, um nicht den Rechten in die Hände spielen.

Die Tatsache, dass ein Täter Deutscher mit deutschen Wurzeln ist, wird öffentlich breitgetreten. Das gehört zu dem System mit Schieflage. Ein Täter mit deutschem Pass und ausländischen Wurzeln fließt dann einfach nur als Deutscher in die Statistik ein. Umgekehrt ist das deutsche Opfer mit deutschen Wurzeln gleichsam kein Opfer. Zum Opfer wird bevorzugt, wer Deutscher mit ausländischen Wurzeln ist und erst recht, wer Ausländer ist. Und immer mehr spielt die Religionszugehörigkeit in der einen oder anderen Form eine Rolle. Das ist auch ganz selbstverständlich, weil die Zahl der Ausländer muslimische Glaubens ständig steigt.

Während muslimische Täter in der öffentlichen Darstellung der Einzelfall sind und die Muslime als Ausländer apriori die Schwächeren und die Benachteiligten sind, sind alle anderen Menschen tendenziell zu Tätern geworden. Das alles festzuhalten, ist wichtig, um die Realität der Religionsfreiheit in Deutschland überhaupt einmal wissenschaftlich durchdringen zu können. Einfach nur hornochsig zu muhen: Religionsfreiheit, Religionsfreiheit, schießt voll am Ziel vorbei. Deswegen ist die Aufregung, die die AfD jetzt gewollt oder ungewollt bewirkt hat, auch ein Zeichen für eine völlig ideologisierte linksmainstreamige Verwirrtheit der Gesellschaft, der es nicht um Fakten geht.

In Gottesstaaten gibt es keine Religionsfreiheit

Die meisten Muslime, mehr als 1 ½ Milliarden leben in Gesellschaften oder Staaten, in denen es keine laizistische Tradition gibt. Kemal Atatürk hat versucht, mit eiserner Faust den profanen Staat (Gleichberechtigung der Frau usw.) in der Türkei durchzusetzen. Erdogan dreht das Rad der Geschichte wieder zurück. Der von den Vorläufern des heutigen linken Mainstreams hysterisch gehasste Schah von Persien stand auf royal-autokratischen Laizismus und Frauenemanzipation. Auch dort wurde das Rad der Geschichte zurückgedreht. Ähnlichen Rückschritten hat der Westen den Boden in Nordafrika, Ägypten, im Irak und in Syrien Vorschub geleistet.

Und natürlich gibt es in Gottesstaaten für andere Religionen oder Agnostiker oder Kommunisten, Sozialisten oder sonstige keine Religionsfreiheit.

Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, siehe Doppelpassregelung, Deutsche mit ausländischen Wurzeln den Kontakt in die Herkunftsländer der Familien zu erleichtern und diesen Kontakt aufrecht zu erhalten. Das wirkt desintegrativ über Generationen und es fördert kein Verständnis für die konstitutionelle Religionsfreiheit westlicher Prägung.

Die Christen sind die meist verfolgte Religionsgemeinschaft der Welt. Das wird bestenfalls mit einem müden, süffisanten Bedauern quittiert.  Auch die anerkanntermaßen, zum Teil überbordenden Probleme, die es im Zusammenleben der Parallelkulturen hierzulande gibt, werden in den Bereich „nicht existent“ verschoben. Es gibt muslimische Mission und es gibt auch unbestritten einen politischen Islam. Nicht jede religiöse Betätigung ist von der Religionsfreiheit gedeckt. Anders ausgedrückt: Politik, die sich nur zum Schein religiös nennt, kann bereits aus logischen Gründen nicht von der Religionsfreiheit gedeckt sein. Riten, Gebräuche oder Unarten wie etwa die Klitorisamputation können von der Religionsfreiheit nicht gedeckt sein.

Es gibt religiöse Regeln, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind, weshalb zum Beispiel das alte Testament von Niemandem mehr täglich umgesetzt wird. Und so müssen sich alle Religionsgemeinschaften dem Verfassungsstaat, der die Religionsfreiheit garantiert, im Kollisionsfall den Normen unterordnen.

Wer Religionsfreiheit reklamiert, muss Religionsfreiheit leben. Das ist kein einseitiges Geschäft. Tätliche Angriffe (in jedem tätlichen Angriff liegen auch Hetze und Beleidigung) sind ein Verstoß gegen die Religions-und Weltanschauungsfreiheit, aber auch gegen Meinungsfreiheit, gegen das Gleichbehandlungsgebot und vieles mehr.

Der Islamismus oder besser die unzähligen Islamismen vereinfachen die Religionsdiskussionen nicht. Zur Religionsfreiheit gehört, dass der religiöse Mensch seine Religion ausübt und zeigt und sie gut findet, wie es auch zur Religionsfreiheit gehört, areligiös zu leben und diese Haltung zu zeigen und gut zu finden. Auch Religionskritik gehört zur Religionsfreiheit und auch, warum man welche Religion nicht gut findet, falls es so sein sollte.

Es muss sich auch tatsächlich um Religion handeln

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Kopftuchurteil einiges zu den Grenzen der Religion gesagt, vielleicht nicht genug. Es reicht nicht, dass jemand sagt, dies oder jenes ist meine Religion und jetzt habe ich meine Freiheit. Es muss sich auch tatsächlich um Religion handeln und da fängt ein weithin ungeklärter Bereich an. Die Verfassung sagt nämlich nicht, was Religion ist.

Wie ist es mit dem Hinduismus, dem Buddhismus? Was macht das Christentum zur Religion? Was macht den Islam zur Religion? Das sind Fragen, die gestellt werden dürfen. Und wenn die AfD den unter öffentlichen Tabuschutz stehenden Islam hinterfragen will, dann kommt es erstmal weniger auf die guten oder schlechten Motive der AfD an, sondern auf die exakte Fragestellung und die möglichen Antworten. Die Muslimvertreter würden einiges an Sympathiewerbung leisten, wenn sie nicht einfach nur sehr schwarz-weiß mit Hetze draufhauen würden (NSDAP-Vergleiche), sondern im Dialog und in der Sache dialektisch auf Fragen und Anregungen eingingen und sich selber auch fragend einbringen würden.

Dialog ist keine einseitige Angelegenheit. Und Religionsfreiheit ist, wie schon gesagt, eine interaktive, eine soziale Freiheit in dem immer auch die Religionsfreiheit, die Glaubensfreiheit usw. der anderen berücksichtigt wird. Also sollte der Schaum vor den Mäulern, der den öffentlichen Diskurs belastet und vergiftet, ein bisschen in Papiertaschentuch verschwinden. Warum nicht der AfD sachlich antworten, dass deren Fakten zum Islam nicht oder so nicht stimmen.

Der belgische Innenminister erhebt schwere Vorwürfe gegen die Muslime seines Landes. Er wolle das Mainstreamschweigen durchbrechen: Ich nenne eine Katze eine Katze. Viel zu viele Muslime hätten nach den Anschlägen von Brüssel vor Freude getanzt. Die Terroristen der Brüsseler Terroranschläge sagte Jambon, seien „nur ein Pickel“. „Darunter befindet sich ein Krebsgeschwür, dem viel schwerer beizukommen ist“. Dieser Terror ist die Pervertierung der Religionsfreiheit, er hat sich faktisch unter dem Schutz der Religionsfreiheit als einer Bedingung entwickelt.

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