1989 – Die Geschichte der Wiedervereinigung

Die rauchenden Ruinen der DDR wurden in den vergangenen Jahren durch ein niegelnagel neues Land ersetzt - jede Fabrik neu, jede Wohnung, jedes Telefonkabel, jede Straße, jeder Kamin, einfach alles. Es bleibt dem Economist vorbehalten, die blühenden Landschaften zu feiern. Deutsche Wirtschaftsmedien schaffen es nicht. Exakt zum Mauerfall titelte Wigitte vom "Stillstandsland Deutschland". Eine groteskere Fehleinschätzung ist kaum denkbar.

Historischer Geniestreich Helmut Kohls

Der Einheitskanzler hat in der Tat die Alliierten in London und Paris im Ergebnis sehr rasch auf seinen politischen Kurs gebracht, wenn auch mit Zugeständnissen. Die entscheidenden Präsidenten in Moskau, Michael Gorbatschow, und in Washington George Bush waren allem Anschein nach sehr willig, die deutsche Einheit zu unterstützen. So gesehen überschätzt man vielleicht die weltpolitische Leistung Kohls. Das eigentliche Wendewunder, das Helmut Kohl vollbracht hat, bei dem ihm der SPD-Ehrenvorsitzende Willi Brandt mit seiner Haltung „Es wächst zusammen, was zusammen gehört“ half, ist das Wunder, das sich innerhalb Deutschlands vollzogen hat: Die inneren Fliehkräfte, die kontraproduktiven Ideologen in beiden Teilen Deutschlands zu überwinden und die ewig-gestrigen Linken in Ost und West zu übertölpeln. Kohl hat sie daran gehindert, den Einigungsprozess zu verhindern, das war sein eigentlicher historischer Geniestreich. Nur durch sein Wirken konnte der Einigungsprozess gelingen.

Die innerdeutschen Feinde der Wiedervereinigung, die Stänkerer, die Putzmacher – das waren die Kräfte, die Helmut Kohl in Schach halten musste und die auch dem folgenden Vereinigungsprozess Sand ins Getriebe streuten. Eine der wirksamsten Sandstreumaschinen war und ist die Linkspartei, die keinen einzigen konkreten politischen Ansatz zu bieten hat und dabei immerhin knapp zehn Prozent der Wähler im ganzen Bundesgebiet anlockt. Wolf Biermann hatte mit seiner kleinen Attacke gegen die Linkspartei im deutschen Bundestag mehr als recht. Typisch, dass ihm ein paar linksverdrehte Spinner ihren hässlichen Mittelfinger, teils rechtskapitalistischen Finger zeigen. Helmut Kohl war der richtige Mann am richtigen Platz zur richtigen Zeit und das war das historische Glück der heute gesamtdeutschen Bundesrepublik.

Vera Lengsfeld „89- Tagebuch der Friedlichen Revolution“

Das „Tagebuch der Friedlichen Revolution“, das Vera Lengsfeld zum 25. Jubiläum der Wiedervereinigung beisteuert, bietet eine sorgfältig und neutral ausgewählte Faktensammlung der Ereignisse auf der Ostseite der Mauer. In einem durchgängigen Tagebuch vom 1. Januar 1989 bis zum 31.Dezember des Jahres erfährt der Leser Mosaikstein um Mosaikstein, welche widerstrebenden Ideen, Gruppierungen und Bündnisse in der untergehenden DDR um Macht und Einfluss rangen.

Das Buch ist vielleicht noch interessanter für diejenigen, die die Zeit miterlebt haben und ungefähr noch wissen, was die DDR war. Aber es ist auch ein klassisches Schulbuch für junge Leute, die noch gar nichts wissen und deren Lehrer einen Leitfaden benötigen. Die Bürgerrechtlerin und wahrhaftige Zeitzeugin Vera Lengsfeld nimmt sich persönlich ganz zurück und referiert die Fakten und zeigt Zusammenhänge auf.

Das Buch kommt unscheinbar und auch nicht sonderlich ansprechend verpackt daher, aber es ist ein guter Wegweiser durch die letzten Tage der DDR und es belegt mit welchen innerdeutschen, hausgemachten Problemen und Stolpersteinen der Einigungsprozess gepflastert war.

Die Historisierung der Geschichte der deutschen Einheit ist nach wie vor eine diffizile Angelegenheit, weil allzu viele interessengesteuerte Gewissheiten verbreitet werden und im öffentlichen Bewusstsein festsitzen, die von der Realität weit weg sind.

Diejenigen, die die deutsche Teilung veranstaltet haben, waren Stalins Kommunisten und deren Nachfolger im Geiste und heute betrachten es letztere als ihre vornehmste Aufgabe, die eigene Geschichte und die Geschichte der DDR zu vergolden. Die Ausgangsposition für die Vergolder derlei Positionen sind zum Nachteil der Bundesrepublik nach wie vor all zu gut. Wie so oft in der Politik gilt: Aufklärung tut Not.

Vera Lengsfeld, „1989, Tagebuch der Friedlichen Revolution“ Erschienen 2014 im TvR Medienverlag, Jena

Vera Lengsfeld, „1989, Tagebuch der Friedlichen Revolution“
Erschienen 2014 im TvR Medienverlag, Jena

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