Xi hat sich den Ausweg verbaut: Steckt China jetzt für 10 Jahre im ZeroCovid-Lockdown fest?

China setzt weiter unerbittlich auf Lockdown - und findet keinen Ausweg. Dystopische Bilder lassen westliche Einwanderer das Land verlassen. NoCovid-Ideologen aus Deutschland sehen jetzt, wohin es geführt hätte, hätten sie ihre Pläne vollends durchsetzen können.

IMAGO / Hans Lucas

Im Sommer 2020 feierten hunderte Menschen dicht an dicht eine riesige Poolparty in Wuhan. Die Stadt, in der die Corona-Pandemie Ende 2019 ausbrach, war Monate später wieder zu „Business as usual“ zurückgekehrt. Diese Bilder waren das Ergebnis einer der härtesten Corona-Strategien weltweit. China brachte das Virus mit drakonischen Maßnahmen unter Kontrolle. Auf Infektionsausbrüche reagierte die Diktatur, wie man es von einer Diktatur erwartet: Mit brutalen Mitteln, ohne auch nur einen Gedanken an das Individuum zu verschwenden.

Weil beispielsweise ein Tourist in Peking positiv getestet wurde, stellte die Stadt einen ganzen Milionenbezirk unter strenge Quarantäne. Das ging manchmal so weit, dass man sogar Türen zuschweißte und Menschen in ihren Wohnkomplexen hungern ließ. Massen-PCR-Testungen, härteste Quarantäneregelungen nur bei Verdacht einer Infektion – all das nutzte China, um auch international als Musterstaat darzustehen, der die Pandemie längst besiegt hätte.

Dystopische Bilder
Shanghai im chinesischen Horror-Lockdown
Doch spätestens mit den Delta- und Omikron-Varianten war Peking mit dieser Strategie am Ende. So lockerte die chinesische Regierung einige Maßnahmen – Ende März wurden auch Selbsttests anstelle von PCR-Tests zugelassen und die verpflichtende Einweisung von asymtomatischen Fällen in ein Krankenhaus abgeschafft. Der Eindruck entstand, dass China statt dem Hammer das Skalpell auspackte und mit seinen Maßnahmen flexibler und genauer reagieren würde.

Die Bilder aus Shanghai strafen diesen Eindruck jetzt Lügen. Die Küstenmetropole befindet sich in einem Mega-Lockdown. Erneut werden positiv getestete Kinder von ihren Eltern getrennt, Menschen in ihren Gebäuden eingesperrt. Erneut drohen vielen Menschen Versorgungsengpässe und Hunger. „Provisorische Krankenhäuser“, die eigentlich drakonische Quarantäne-Lager sind, werden reaktiviert und Menschen auf den kleinsten Verdacht hin deportiert (TE berichtete). Omikron lässt sich kaum aufhalten – was die ganze Welt weiß und selbst in Deutschland langsam eingeräumt wurde, übersetzt sich in China nicht in politisches Handeln.

Denn die streng hierarchisch organisierte Diktatur kommt nicht aus der „ZeroCovid“-Politik heraus: Der neuerliche Fokus auf die brutale Pandemiebekämpfungs-Strategie unterstreicht das. Örtliche Regierungsvertreter, oft mit viel Macht ohne wirkliche Kontrolle ausgestattet, wollen vor allem in gutem Licht dastehen. So führt Stadt nach Stadt wieder Massentests ein – auch, wenn gar keine Fälle bekannt sind – , um aufs Trittbrett aufzuspringen.

Das ist nichts ungewöhnliches für sozialistische Diktaturen, in denen vor allem die Treue zur Vision der Partei und ihres Führers gilt. Die Abwägung von Kosten und Nutzen der Politik ist nicht mehr eine rationale Frage, sondern hochgradig politisiert: Eine Abkehr von der Null-Covid-Politik würde die persönliche Führungsposition von Staatspräsident Xi Jinping untergraben, und das genau zu dem Zeitpunkt, an dem er eine dritte Amtszeit anstrebt. In einem kürzlich erschienenen Artikel der Propagandazeitung Xiuha hieß es, dass Xi in Chinas Kampf gegen Covid-19 „persönlich Befehle erteile“ – seine Person ist unmittelbar mit der Coronapolitik verknüpft.

Wie in der Kulturrevolution
Corona-Maßnahmen in China: "Regelbrecher" werden durch die Straßen getrieben und gedemütigt
Eine Abkehr von dieser Politik würde seine Legitimität und die Legitimität des Regimes beeinträchtigen. Denn die Coronafrage wurde von der Pekinger Führung auch zum Systemwettbewerb erklärt. Im Januar 2021 sagte Xi: „Aus der Art und Weise, wie diese Pandemie von verschiedenen Führungen und Systemen gehandhabt wird, (können wir) klar erkennen, wer es besser gemacht hat.“ Chinesische Medien schreiben: Wenn es China gelingt, mit einem „ZeroCovid“-Ansatz großflächige Ausbrüche zu vermeiden, während sich alle anderen Länder dafür entscheiden, mit dem Virus zu leben, werden die Argumente über die Widerstandsfähigkeit und den Einfallsreichtum des chinesischen Staates sehr viel überzeugender sein.

So wird die Coronapolitik zum Propagandamittel – und der gesundheitliche Nutzen zweitrangig. „ZeroCovid“ muss fortgesetzt werden – koste es, was es wolle. Durch die Verstrickung mit der Systemfrage gibt es für Peking keinen gesichtswahrenden Weg aus der Extrempolitik. Oppositionelle chinesische Stimmen schreiben schon, China sollte sich „darauf vorbereiten, mindestens zehn Jahre mit ZeroCovid zu leben.“

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Kommentare ( 26 )

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Th.F.Brommelcamp
2 Jahre her

Auch im Westen gibt es Xi ’s, Sta!in’s. Autoritäre Sozialisten die das Leben der Anderen Regeln wollen. Die auch auf dje demokratische Verfassung pfeifen.Natürlich nur zum besten der Bevölkerung! Das gute am Sozialismus ist, dass sie sich selbst zerstören. Denn keiner macht es seinem Vorgesetzten richtig.

Peter Silie
2 Jahre her

Es gibt eigentlich nichts effizienteres und effektiveres als die Selbstbestimmtheit und die Eigenverantwortung des Menschen (also genau das, was die Coronamaßnahmen auch hierzulande unterbunden haben). Das zeigt China ganz deutlich, nicht nur in Bezug auf Corona. Trotz enormen Zuwachses an Wohlstand, an Technologie, an Wissen, an Bildung, an Forschungseinrichtungen, an Universitäten, ist es China nicht gelungen, auch nur einen einzigen Nobelpreis in den relevanten Fächer Physik, Chemie, Ökonomie und Medizin zu erringen (zzgl. Mathematik: Fieldsmedaille). Die gelenkte, unfreie Gesellschaft ist zwar Spitze im Kopieren und Weiterentwickeln, aber wenn es um echte, bahnbrechende Erfindungen und Erkenntnisgewinn geht, steht sie ziemlich nackt… Mehr

Freigeistiger
2 Jahre her

Xi hat genügend Macht, von heute auf morgen von der NoCovid-Politik abzurücken und wenn er als Begründung die weitgehende Harmlosigkeit der aktuellen Omikron-Variante anführt, dann kommt es auch nicht zu einem Gesichtsverlust. Ganz im Gegenteil werden ihm die chinesischen Bürger dankbar sein.
Warum also hält er weiterhin an dieser Politik fest, obwohl die die meisten anderen Länder ohne Probleme zur Normalität zurückkehren und obwohl diese Politik mit schmerzhaften wirtschaftlichen Einbußen und Schäden verbunden ist? Vielleicht weil die Schäden nicht nur China, sondern auch die USA und Europa betreffen?

ketzerlehrling
2 Jahre her

Der lächelnde Buddha wird aber nicht abgewählt.

RMPetersen
2 Jahre her

„China brachte das Virus mit drakonischen Maßnahmen unter Kontrolle.“ Echt jetzt? Glauben Sie das?? Das ist die gleiche Anmaßung, die hinter der Idee steckt, wir hätten „die Kontrolle über das Klima“. (Ein Herr Edenhofer von dem Potsdam-Institut behauptete „Wir verlieren die Kontrolle über das Klima!“, was indirekt ja unterstellt, dass WIR, die Menschen, das Klima bisher kontrollieren würden. Das Virus ist nicht unter Kontrolle zu bringen. Der Mensch kann die Ansteckungen durch Quarantäne der Infektiösen (- nicht der PCR-Positiven) reduzieren, Behandlungsmethoden für Erkrankte verbessern oder vielleicht auch einen Impfstoff gegen die Erkrankung und Übertragung finden (- bisher hat man keinen… Mehr

Edwin
2 Jahre her

Mit dem Virus konnte man auch die Proteste in Hongkong so schön unterdrücken. Gibt es diese Proteste noch oder wird nur einfach wie üblich nicht darüber berichtet?

PrivyLeak
2 Jahre her

Europa kannte 2000 Jahre auch nichts anderes. Daraus zu schließen, daß Autoritarismus und Unterdrückung der Wahrheit in irgendeiner Weise vorteilhaft für die Menschen wäre, wäre jedoch eine ausgesprochen ahistorische Ansicht.

Toby
2 Jahre her

So ist der real existierende Sozialismus eben: autoritär, menschen- und freiheitsverachtend.

Obwohl: Wenn ich mir Australien, Neuseeland und anderen „freiheitliche Demokratien“ anschauen, dann ist es mit dem Freiheitlichen dort unter Corona-Bedingungen auch nicht mehr weit her.

Der Hang zum Totalitären scheint in vielen Menschen tief verankert zu sein und kommt hervor, wenn mal nicht eitel Sonnenschein herrscht.

Last edited 2 Jahre her by Toby
Max Anders
2 Jahre her

Das ist nichts ungewöhnliches für sozialistische Diktaturen, in denen vor allem die Treue zur Vision der Partei und ihres Führers gilt.

Und was ist jetzt bis auf das Zuschweißen von Türen so viel anders als bei uns in den letzten 2 Jahren gewesen? Ich weiß es: Die Chinesen waren nur straffer organisiert und konnten damit ihre Agenda restriktiver umsetzen.

ChrK
2 Jahre her

NoCovid-Ideologen aus Deutschland sehen jetzt, wohin es geführt hätte, hätten sie ihre Pläne vollends durchsetzen können.

Vorsicht, Herr Roland, denn es liegt ja im Bereich des Möglichen, daß besagte NCI damit überhaupt kein Problem gehabt hätten. Wenn ich mir das Gejammere in der heutigen Zeitung über die abgelehnte Impfpflicht ansehe, von Holetschek über angeblich 57% der befragten Bevölkerung, muß ich zu dem Schluß kommen, daß dieser ganze Bockmist noch längst nicht durchgestanden ist.